Virtual Recruiting Event

Nadel im Heuhaufen: IBM findet sie im Cyberspace

Ein besonderes Projekt erfordert besondere Massnahmen: Mit einem virtuellen Recruiting Event suchte das IBM-Forschungslabor in Rüschlikon Wissenschaftler für ein herausforderndes Big-Data-Projekt. Denn weltweit gibt es nur wenige Personen, die dafür überhaupt in Frage kommen.

Sie müssen einen Computersystem entwickeln, dessen Technologie heute noch gar nicht existiert, und sie müssen eine Datenmenge analysieren und speichern, die grösser ist als das, was heute täglich im Internet vorhanden ist: Die Herausforderungen an die zukünftigen Mitarbeiter des DOME-Projekts (vgl. Kasten) sind riesig. Und nicht viele Wissenschaftler haben die benötigte Ausbildung und Interessenschwerpunkte, um dieses Anforderungsprofil zu erfüllen. Um die wenigen Forscher zu finden, hat das IBM-Forschungslabor in Rüschlikon am 26. März ein virtuelles Recruiting Event organisiert.

«Wir sind davon ausgegangen, dass etwa 100 Personen weltweit überhaupt fähig sind, das Projekt umzusetzen», sagt Oliver Ottow, HR Manager bei IBM Research. «Über die normalen Rekrutierungskanäle würden wir diese niemals erreichen.» IBM hat die Stellen auf der eigenen Homepage ausgeschrieben, aber keine Bewerbungen erhalten. Auch gibt es kein Magazin oder Journal, das Forscher aus aller Welt erreicht. Deshalb haben sich die Kommunikations- und HR-Abteilung zusammengesetzt, um nach einer Lösung zu suchen. Schnell kamen sie auf die Idee, Social Media zu nutzen und in Form eines virtuellen Recruiting Events nach geeigneten Forschern zu suchen.

Das DOME-Projekt

Warum sind wir hier? Diese Frage beschäftigt die Menschheit seit Jahrhunderten. Noch immer ist vieles nicht restlos geklärt. Und genau das will ein Forschungskonsortium bestehend aus 20 Ländern mit dem Square Kilometer Array (SKA) ändern. Dieses riesige Radioteleskop soll Signale empfangen, die aus der Zeit des Urknalls stammen und noch heute weit entfernt im Weltall vorhanden sind. Das Problem: Die zu verarbeitende Datenmenge wird riesig sein. Sie umfasst pro Tag zweimal die Menge dessen, was heute durch das Internet geistert.

Für den Bau des Radioteleskops sind hocheffiziente Exascale-Computersysteme und neuartige Übertragungsnetzwerke notwendig. Um Technologielösungen für die einzigartigen Anforderungen des SKAs vorzuschlagen, kooperieren IBM Research – Zürich und das niederländische Institut für Radioastronomie ASTRON in einer Public-Private-Partnership mit dem Namen DOME und einer Laufzeit von fünf Jahren. Im «ASTRON & IBM Center for Exascale Technology» erforscht ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern massgebende Zukunftstechnologien und hocheffiziente Exascale-Systemarchitekturen, die das Verarbeiten, Speichern und Analysieren der riesigen Datenmengen ermöglichen sollen.

In einem ersten Schritt erfolgte ein Bündel von Aktivitäten: Auf Youtube wurde ein Video veröffentlicht, in dem einer der Projekt-Manager die Idee und die offenen Stellen vorstellte. Allein das Video wurde rund 1000 Mal angeklickt. Ausserdem wurde im IBM Research Blog ein Beitrag über zwei junge DOME-Wissenschaftler veröffentlicht. Ebenso folgten Posts auf der IBM Research-Facebookseite. «Wir haben viele aktive Follower auf unseren Social-Media-Kanälen», sagt Chris Sciacca, Communications Manager bei IBM Research. Auch wurde in Medienmitteilungen zum DOME-Projekt auf das Recruiting Event hingewiesen, was wiederum englischsprachige Online-Zeitungen aufgegriffen. «Die Technik-Magazine verbreiteten die Information über das Event für uns», zeigt sich Sciacca auch im Nachhinein noch erfreut.

Im zweiten Schritt ging es dann um den Online-Rekrutierungsanlass: Die Teilnehmer konnten sich über das Telefon oder über ihren Rechner online einwählen. Während des Anlasses wurden IBM Research, das DOME-Projekt, der Projektpartner ASTRON sowie das Leben am zukünftigen Arbeitsplatz im niederländischen Dwingeloo vorgestellt. Sogar der Direktor von IBM Research – Zürich nahm an der Online-Konferenz teil und stellte sein Labor vor - um zu demonstrieren, dass das Projekt der Firma wirklich wichtig ist.

Am Schluss gab es eine Frage-Runde. Die Event-Teilnehmer konnten ihre Fragen mündlich am Telefon oder per Chat stellen. «Interessanterweise wurden diese zu 90 Prozent via Chat gestellt», sagt Sciacca. Die Teilnehmer nutzen die Gelegenheit und prüften die Organisatoren auf Herz und Nieren: «Wir wurden von den Kandidaten auf die Probe gestellt», sagt Ottow. Der ganze Rekrutierungsanlass sei sehr interaktiv gewesen, gerät der HR Manager ins Schwärmen. «Ein solcher Event hat eine ganz andere Qualität als normale Rekrutierungen via Inserat.» Es war auch für IBM eine Chance, sich zu präsentieren, den hohen Standard der Arbeit des Forschungslabors aufzuzeigen, potenzielle Mitarbeiter für IBM zu begeistern und wertvolle Kontakte zu knüpfen.

Etwa 65 Forscher und Studenten weltweit nutzten die Gelegenheit und nahmen am Rekrutierungsanlass teil. Direkt danach erhielt IBM etwa 37 Bewerbungen, im Verlauf der nächsten Tage erhöhte sich deren Zahl auf rund 70. «Ein Drittel wurde aussortiert, zwei Drittel behielten wir», sagt Ottow. Die Bewerbungen gaben sie zum Teil auch an ihren Projektpartner ASTRON weiter. Mindestens sechs Personen, also zehn Prozent, werden zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. «Eine unglaublich hohe Zahl!», zeigt sich Ottow begeistert.

Vorerst vergeben IBM und der Projektpartner sieben Stellen, später kommen weitere dazu. «Ziel des Events war auch, ein Netzwerk aufzubauen und mit Leuten in Kontakt zu treten, für die wir vielleicht aktuell keine Stellen haben, die aber möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt für das Projekt von Nutzen sind» sagt Ottow.

«Aus HR-Sicht war das Projekt sehr erfolgreich», fasst Ottow zusammen. «Wir haben Leute aus der ganzen Welt erreicht und CVs aus Afrika, Asien und Europa erhalten.» Und im Vergleich zum Resultat seien die Kosten sehr niedrig gewesen. Auch die Arbeit hielt sich in Grenzen: «Drei bis vier Monate dauerte die Vorbereitungszeit», sagt Kommunikations-Manager Sciacca. Für gewöhnliche Stellen eigne sich ein solcher Anlass allerdings nicht, glaubt Ottow. «Wir würden viel zu viele Bewerbungen auf wenige Stellen erhalten.»

Rekrutierung bei IBM

Auch für IBM wird es schwieriger, gute Fachleute zu finden. Doch da das Unternehmen international ausgerichtet ist und eine gute Reputation habe, sei es vergleichsweise einfacher, offene Stellen zu besetzen. Weltweit arbeiten für IBM Research rund 3000 Wissenschaftler in 12 Laboren, im Forschungslabor in Rüschlikon sind es Mitarbeiter aus 45 Nationen. «Wir bieten interessante Projekte an, die einen aktuellen Bezug zu den Problemen auf der Welt haben», hebt Chris Sciacca die Attraktivität seines Arbeitgebers hervor. Es gebe viele Talente; die Schwierigkeit sei, diese zu finden, ergänzt Oliver Ottow. «Wir können viele Mitarbeiter haben, doch unsere Herausforderung ist es, die Besten zu bekommen.» Eine kleine Anspielung auf die Konkurrenten macht Chris Sciacca dann doch noch: «IBM ist zwar 102 Jahre alt, aber immer noch innovativ. Wir wollen zeigen, dass die coolsten Dinge nicht nur bei Google und Facebook passieren, sondern auch bei IBM.»

 

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