Trennungsmanagement und Outplacement

Nebenwirkungen berücksichtigt?

In Krisen greifen Unternehmen erstaunlich oft zum «letzten Mittel» der Entlassungen. Die Kostenwirkung wird dabei teilweise überschätzt und ein möglicher negativer Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit 
unterschätzt. Wann lohnt sich Personalabbau wirklich?

In schwierigen Zeiten liegt es nahe, dass Unternehmen versuchen, durch Entlassungen ihre Kosten- und Produktivitätsposition zu verbessern. Eine Umfrage, die The Boston Consulting Group mit der European Association for People Management bei Personalführungskräften durchgeführt hat, ergab, dass über ein Drittel der Unternehmen in der Krise 2008/2009 fest angestellte Mitarbeiter entlassen hat. Dies erwartungsgemäss mehr in konjunkturell stärker betroffenen Branchen wie der Automobil- (46 Prozent) oder Konsumgüterindustrie (45 Prozent), jedoch weniger im öffentlichen Sektor (16 Prozent) oder Gesundheitswesen (18 Prozent). Haben diese Massnahmen tatsächlich den gewünschten Effekt, und zwar in der Kosten- und Produktivitätsdimension? Und was ist der Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens?

Auch den Aufwand einrechnen

Beleuchten wir zunächst einmal die Kostendimension. Es ist klar, dass die Primärkosten der entlassenen Mitarbeiter eingespart werden – also Löhne inklusive Lohnnebenkosten und direkt verursachte Zusatzkosten wie beispielsweise Spesen. Darüber hinaus gibt es noch Sekundärkosten, die oft auch berücksichtigt werden. Darunter fallen Arbeitsplatz und IT, aber auch Anteile an zentralen Funktionen wie beispielsweise HR oder auch Führung. Erfahrungsgemäss wird bei den Sekundärkosten nur ein relativ geringer Anteil tatsächlich eingespart, da gewisse Verpflichtungen wie beispielsweise Mietverträge nicht kurzfristig angepasst werden können und grosse Organisationen relativ träge in der Umsetzung sind.

So gibt es bedeutende Schweizer Unternehmen, die zwar in letzter Zeit zahlreiche Mitarbeiter auf unteren Ebenen entlassen haben, jedoch die Führungsstrukturen und zentralen Stäbe nur minimal angepasst haben. In entsprechende Berechnungen sollten folglich diese Einsparungen nur zurückhaltend oder gar nicht eingeplant werden. Als Rechenbeispiel nehmen wir im Folgenden einen spezialisierten Angestellten, der seinem Arbeitgeber pro Jahr ca. 120 000 Franken an Primärkosten verursacht.

Eine wichtige Frage gilt dem Aufwand, der den durch eine Entlassung erzielten Einsparungen gegenübersteht. Diese Kosten sind in der Schweiz im europäischen Vergleich sehr tief. Natürlich hängt der Betrag massgeblich von der Seniorität der betroffenen Mitarbeiter, der Altersstruktur und der Branche ab.

Der effektive zusätzliche Aufwand, der einem Unternehmen durch Verlängerung von Kündigungsfristen und Freistellung zur Stellensuche entsteht, liegt im Durchschnitt bei nicht mehr als vier Monatslöhnen – im Beispiel also 40 000 Franken. Dies setzt voraus, dass eine gewisse Anzahl der entlassenen Mitarbeiter während der Freistellung bereits wieder eine neue Stelle findet und antritt, was aber nicht unrealistisch ist. Für unser Beispiel kommen zusätzlich anteilsmässig Kosten für externe Outplacement-Betreuung eines Teils der entlassenen Mitarbeiter sowie Mittel für Härtefälle und für Frühpensionierungsprogramme zum Tragen. Dabei kommt es sehr auf Mengengerüste dieser Massnahmen an. Aus der Erfahrung mehrerer grösserer Restrukturierungsprojekte lässt sich dieser zugeschlüsselte Aufwand für unseren Beispielfall auf etwa 20 000 Franken schätzen.

Kostenwirkung im 1. Jahr möglich

Nun «lohnt» sich in dieser kurzfristigen Kostenbetrachtung eine Entlassung also schon relativ schnell: Im Beispiel werden schon nach rund sechs Monaten die Kosten der Entlassung getragen – eine Wirkung noch im ersten Jahr ist damit möglich. Dabei ist jedoch zu prüfen, ob sich dieses Bild in einer längerfristigen Betrachtung verändert. Rund 47 Prozent aller Unternehmen geben an, den Personalbestand mit einem Zeithorizont von einem Jahr zu planen. Bei diesem Vorgehen kann die Stelle unseres Beispiel-Mitarbeiters nach relativ kurzer Zeit schon wieder besetzt werden. In all diesen Fällen ergeben sich nun auch noch Wiedereinstellungskosten, die mit Suche, Auswahlprozess, Einführung und Ausbildung der Mitarbeiter durchaus zusätzliche sechs Monatslöhne ausmachen können. Dieser Wert kann in gewissen Fällen auch höher liegen, wenn es sich zum Beispiel um einen Spezialisten handelt, der eine längere betreute Einführungsphase braucht. Selbst wenn man diese Faktoren anteilsmässig berücksichtigt, ist in der Schweiz eine durchschnittliche Zeitspanne mit einem guten Jahr «unbesetzte Stelle» immer noch relativ kurz, bei der es sich aus einer reinen Kostenoptik lohnt, Entlassungen durchzuführen.

Mehrjährige Optik ist zwingend

Doch es gibt Nebenwirkungen. Wie ist die Auswirkung auf die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens? Zunächst ist es naheliegend, dass eine Firma mit jedem entlassenen Mitarbeiter auch Know-how verliert. Dies muss natürlich individuell beurteilt werden und ist nicht direkt quantifizierbar. Eines ist aber klar: In einer Welt, wo die Ressource Mitarbeiter für viele Unternehmen schon bald knapp werden könnte, sollten Entlassungen nicht vorschnell erfolgen. Eine strategische Personalplanung mit mehrjähriger Optik ist zwingend. Dabei stellt man oft fest, dass es gewisse Mitarbeiterklassen gibt, wo trotz Überbestand schon in wenigen Jahren eine Bedarfslücke entsteht. Nun kann man gerade schwierige Zeiten nutzen, um Massnahmen wie zum Beispiel Umschulungen anzugehen – dies hat im Gegensatz zu Entlassungen sogar eine positive Wirkung auf die Positionierung des Unternehmens am Markt für Arbeitskräfte.

Entlassungen beeinflussen auch die Produktivität des gesamten Unternehmens. In der oben zitierten Umfrage wurde die Auswirkung von verschiedenen Massnahmen untersucht. Dabei hatten Entlassungen den mit Abstand grössten negativen Einfluss auf Moral und Einsatzwille der verbleibenden Mitarbeiter – stärker sogar noch als Lohnkürzungen. Je nach Bedeutung und Umfang der Restrukturierung muss die gesamte Organisation durch einen schwierigen Prozess. Ein wichtiger Punkt in dieser Betrachtung ist natürlich, wie die Restrukturierung genau durchgeführt wird. Tendenziell kann man sagen, je eher Entlassungen langfristig sinnvoll sind, je mehr die individuelle Leistung der Mitarbeiter berücksichtigt wird, je ehrlicher kommuniziert und auch geholfen wird, desto kleiner ist der negative Einfluss auf die Produktivität. Entlassungen können sich also finanziell rechnen. Vorschnell und ohne Berücksichtigung der Nebenwirkungen sollten sie aber auf keinen Fall erfolgen.

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Michael Imholz ist Partner und 
Managing Director bei The Boston Consulting Group in Zürich. Er führt die HR Practice von BCG in der Schweiz.

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