Eigener TV-Channel auf Youtube beim Bayer-Konzern
Während Siemens aktuelle Trends laufend integriert, wagen sich andere Unternehmen nur zögerlich an Neues. Die Hochschule Rhein Main hat Ende 2009, zusammen mit Partnern, 367 HR-Verantwortliche nach ihren Plänen, neue Techniken fürs Recruiting zu nutzen, befragt. Dabei zeigte sich grosse Unkenntnis. Knapp ein Drittel der Befragten kann sich etwa unter iPhone-Applikationen und Mobile Video nichts vorstellen. Dennoch sind 89 Prozent grundsätzlich der Meinung, dass die Bewerberansprache über mobile Endgeräte zukünftig an Bedeutung gewinnen wird. 42 Prozent können sich vorstellen, dass in ihrem Unternehmen innerhalb der nächsten zwei Jahre eine mobile Recruiting-Kampagne entwickelt und umgesetzt wird. Dabei hat für 74 Prozent eine mobile Karriere-Website die höchste Priorität. An weitere Aktivitäten wollen sie sich erst später herantasten (siehe Grafik).
Beim Bayer-Konzern kann von zögerlichem Herantasten keine Rede sein. Er setzt stark auf Web 2.0 und leistet sich sogar einen eigenen «Bayer TV Channel» auf Youtube, der laufend erweitert wird. Die Web-2.0-Aktivitäten werden auch auf der Karriere-Homepage stark hervorgehoben. Dirk Pfenning, bei Bayer für Sourcing and Hiring zuständig, meint: «Wir müssen die Bewerber dort holen, wo sie sich bewegen. Das sind die üblichen Karrieremessen ebenso wie die neuen Medien.» Herzstück ist die Facebook-Seite «Bayer Karriere». Sie soll die Arbeit bei Bayer anschaulich machen. Mitarbeitende erzählen dort in einer Art Blog von ihrer Arbeit.
Xing dagegen lässt der Bayer-Konzern links liegen und setzt stattdessen auf sein eigenes Portal bayfellows.com. Dort werden spezifische Angebote für Studenten und Berufseinsteiger, Jobs und Veranstaltungshinweise speziell für diese Klientel aufgeschaltet. Erklärtes Ziel der vielfältigen Aktivitäten im Web 2.0 ist natürlich, Einstellungen zu generieren. Pfenning relativiert: «Messen kann man den Erfolg schwer. Vielleicht hört jemand etwas im dritten Semester, was ihn später dazu bringt, sich bei Bayer zu bewerben. Das Ganze ist langfristig angelegt.»
Deutsche Postbank: Die Angst vor der unkommentierten Gruppe
Während Bayer also schon voll auf Web 2.0 setzt, zeigt sich die Deutsche Postbank gegenüber neuen Medien noch skeptisch. Durch Tests will sie herausfinden, welche Methoden für das Recruiting und Employer Branding geeignet sind. Seit wenigen Monaten gibt es eine Praktikantengruppe bei Facebook, Jobangebote werden über Twitter verbreitet. Im Zentrum aber steht die Karriere-Website, die sich vor allem an Hochschulabsolventen und Lernende richtet und die neuen Medien dort mit einbindet. Vera Strack, Fachfrau Personalmarketing, schildert ihr Abwägen über geeignete Plattformen: «Podcasts und Videos sind unproblematisch, die kann man einfach einstellen. Was aber, wenn ich eine Gruppe eröffne, und der letzte Beitrag wurde vor Monaten kommentiert?» Es stecke viel Arbeit darin, das aktiv zu halten.
Nicht alle Kanäle sind gleich gut für jedes Unternehmen geeignet. So ist Vera Strack überzeugt, dass Xing eine geeignete Plattform ist, um Bankpersonal zu finden. Auf Facebook oder StudiVZ dagegen stelle sich die Frage, ob jemand auf die Idee komme, ausgerechnet dort nach Informationen über die Postbank zu suchen.
Daher setzt die Postbank nur sondierend auf Web 2.0. Ein wichtiges Instrument zur Positionierung ist dagegen seit 2003 der «Postbank Finance Award». Er ist der höchstdotierte Hochschulwettbewerb im Bereich Banking & Finance und wird jeweils zu einem aktuellen Thema ausgeschrieben. 80 000 Euro Preissumme werden unter den fünf besten Teams verteilt, ab 2011 sogar 100 000 Euro. Der Aufwand für die Teilnehmenden ist immens. Mindestens 50 Manntage sind nötig, um das Thema, in der jetzt abgeschlossenen Runde «Retailbanking», zu bearbeiten. Ex-Teilnehmer können sich in einer eigenen Xing-Gruppe oder über eine Facebook- Seite weiter austauschen. Dafür sieht Vera Strack das informelle Facebook als das passende Medium an. Die Idee dahinter ist natürlich, Ex-Teilnehmer nah an die Postbank zu binden.
Der Azubimat: Interaktives Terminal für die Schüler
Inzwischen wird bereits an neuen mobilen Möglichkeiten der Bewerberansprache jenseits von Facebook & Co. geknobelt. Die Hochschule Rhein-Main etwa untersucht nicht nur die Potenziale von Mobile
Recruiting, sondern entwickelt auch neue Lösungen. Das aktuelle Projekt ist der «Azubimat», Teil des vom deutschen Ministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojektes ReMoMedia, das sich mit dem Einsatz innovativer Technologien zur Bewerberansprache beschäftigt.
Am Azubimat können sich Schüler am Terminal im Schulgebäude über Lehrberufe und Ausbildungsstellen informieren. Arbeitsplatzbilder, Videos und Interviews mit Lernenden sowie Interaktion via Touchscreen bieten dabei eine bessere Ansprache der Zielgruppe als herkömmliche Textinformationen. Die Schüler können sich ausgewählte Infos aufs Handy schicken lassen, an Freunde weitergeben oder zu Hause den Eltern zeigen. Das Terminal dient als aktivierendes Element an der Schule vor Ort.