HR Today Nr. 7&8/2019: Praxis – Leadership I

«Niemand ist unersetzlich»

Dem HR kommt bei der Firmenentwicklung eine strategische Bedeutung zu. Nicht immer wird es jedoch als Sparringpartner beigezogen, wenn Topkaderpositionen zu besetzen sind. Drei HR-Fachleute geben darüber Auskunft, weshalb dem so ist und welche Auswirkungen das auf eine Firma hat.

«Eine Topkaderstelle ohne das HR zu besetzen ist wie das Erstellen einer Bilanz ohne Finanzabteilung: Es ist zwar möglich, aber nicht unbedingt erfolgreich», sagt Kevin Smith, HR-Leiter bei -Autoneum. Auch für Hans Werner, HR-Leiter von Swisscom, ist die Mitwirkung des HR auf Topkaderstufe essenziell. Eine Unterstützungsaufgabe, die völlig anders sei, als beispielsweise hundert Positionen einer bestimmten Fachrichtung zu besetzen. «Unersetzlich ist niemand», findet dagegen Markus Jordi, HR-Leiter der SBB. «Bei einem professionellen HR-Verständnis und einer hohen Maturität der Managementprozesse ändert sich mit dem Ausscheiden einer Schlüsselperson nichts schlagartig.»

Intern vor extern

Smith, Jordi und Werner sind bei der Rekrutierung hochrangiger Kadermitglieder an vorderster Front dabei. Bei der SBB hat das HR bei der Besetzung von Verwaltungsrats- und Konzernleitungspositionen den Lead inne, auch wenn die Kompetenz dafür gemäss Jordi grundsätzlich beim VR liegt: «Er delegiert die Rekrutierung an den CEO und an mich, wird aber in der Prozessplanung sowie dem Selektionsprozess einbezogen.» Grundsätzlich entscheide jedoch der VR, welche Kandidaten infrage kommen. Auch bei der Besetzung von Verwaltungsratspositionen von SBB-Tochtergesellschaften wird das SBB-HR beigezogen. Weniger weit geht man bei Autoneum, wo das HR erst bei der Rekrutierung von Topkader unterhalb der CEO-Position zum Zug kommt. Als Grund dafür vermutet Smith Interessenkonflikte.

Diese Trennung zwischen der Besetzung des Verwaltungsrats und der Konzernleitung befürwortet der HR-Leiter von Swisscom Hans Werner: «Aus Governance-Sicht macht ein getrenntes Vorgehen meines Erachtens Sinn.» Das Aufsichtsgremium solle einen unabhängigen, neutralen Blick behalten. «Die im VR benötigten Kompetenzen und die daraus abgeleiteten Profile müssen auf die Unternehmensherausforderungen und die Teamkonstellation innerhalb des VR abgestimmt sein.»

Um offene Topkadervakanzen zu besetzen, greift man bei Autoneum zunächst auf eine interne Nachfolgeplanung zurück: Ein Prozess, bei dem das HR die Potenziale interner Kandidaten bewertet, Entwicklungsbedarf benennt und damit kurz-, mittel- und langfristig verfügbare Kandidaten identifiziert. Die Ergebnisse werden anschliessend an einer jährlich stattfindenden Sitzung des Nominierungsausschusses des Verwaltungsrats besprochen. «Letztendlich erfolgt die Ernennung der Konzernleitung durch den Verwaltungsrat – auf Empfehlung des CEO», präzisiert Smith.

Auch bei Swisscom hat die interne Stellenbesetzung Vorrang vor der externen: Bevor man über Personen spreche, lege man den Ablauf fest und schärfe das Profil. Erst dann vergleiche man mögliche Kandidatinnen und Kandidaten. «Eine Nachfolgeplanung heisst, Mitarbeitende auf den nächsten Karriereschritt vorzubereiten», erklärt Werner. Dabei traue man sich häufig mehr, Top-Positionen mit Internen zu besetzen, die in eine Rolle hineinwachsen müssen. «Wir kennen sie ja schon.»

Externer Rekrutierungsprozess

Erweist sich eine interne Besetzung als nicht zielführend, beginnt beim Autozulieferer Autoneum ein externer Rekrutierungsprozess. Dabei bestimmt HR die strategischen Ziele der zu besetzenden Rolle, setzt Prioritäten, erstellt ein Stellenprofil sowie eine Beschreibung des «Idealkandidaten» und definiert die Gehaltsbandbreite sowie die Vertragskonditionen. Das HR steuert den Rekrutierungsprozess, involviert interne Stakeholder wie die Rechtsabteilung oder die Unternehmenskommunikation und nimmt an Interviews sowie Assessments teil, zu an denen auch CEO und VR eingeladen sind. Bei internationalen Rekrutierungen empfiehlt es zudem einen Executive-Search-Berater.

Auch bei der SBB werden extern zu besetzende Topkaderpositionen durch Executive-Search-Unternehmen vorangetrieben. «Der Prozess ist eng getaktet», so Jordi. Dieser beinhalte Mehrfach-Interviews, das Lösen von Business-Cases, Peer-Feedbacks, Panels und Assessments. Darin involviert seien die Linie, HR, Peers und Externe.

Bei Swisscom setzt man auf Altbewährtes und greift auf Firmen und Berater zurück, die das Unternehmen, dessen Kultur und die Branche kennen: «Sind Schlüsselpositionen zu besetzen, sind gut eingespielte Prozesse besonders wertvoll.»

Ausländische Kandidaten

Um Enttäuschungen und damit einhergehende frühzeitige Abgänge zu vermeiden, muss das HR gemäss Smith die Erwartungen seiner potenziellen Topkadermitglieder managen. Etwa, indem dieses Informationen zur Organisationsstruktur, den Anforderungen, der Vertragsgestaltung oder der Vergütungssystematik liefert und auf kulturelle Unterschiede aufmerksam macht. «Wir müssen die Unternehmenssituation für die Kandidaten transparent machen und sie über die hiesigen Gepflogenheiten aufklären.» Aus Deutschland einreisende Topmanager pflege er deshalb darauf hinzuweisen, dass man trotz derselben Sprache in der Schweiz eine andere Kultur als in Deutschland pflege und diese Unterschiede nicht zu unterschätzen seien.

Sollen im Ausland Topkaderpositionen besetzt werden, steigt für Autoneum-HR-Leiter Smith die Komplexität des Projekts. Etwa, weil der Kandidat in Detroit wohne und der CEO in Winterthur sei und man sich mit dem Headhunter absprechen müsse, wer wohin zu welchem Gespräch gehe. Daneben gäbe es unterschiedliche Vorstellungen und gesetzliche Vorschriften, die mit den schweizerischen in Einklang gebracht werden müssten, wie Gehaltsvereinbarungen oder Anstellungsverträge.

Swisscom-HR-Leiter Werner beschäftigt neben der Besetzung anspruchsvoller Positionen auch das Thema Diversität. Nicht nur was Gender, Alter, Sprachregion oder die Herkunft anbelangt, sondern auch, was das für den Rekrutierungsprozess bedeute. «Die Erwartungen an ein Stellenprofil sind oft vielfältig und komplex. Häufig stellt sich die grundsätzliche Frage, zu welchen Kompromissen man bereit ist. Ist man von einer Topkandidatin oder einem Topkandidaten überzeugt und spricht ihnen sein volles Vertrauen aus oder will man nochmals suchen?»

Unterschiedliche Zusammenarbeit

Bei der Besetzung hochrangiger Stellen arbeiten Smith, Werner und Jordi eng mit dem CEO zusammen. «CEO und Konzernleitung begleiten die Gewinnung und Entwicklung von Topkader-Mitarbeitenden und Konzernleitungsmitgliedern, wobei unser CEO Personalgeschäfte nie alleine behandelt», sagt SBB-HR-Leiter Jordi. «Auch auf dieser Stufe ist die Stellenbesetzung ein Zusammenspiel von Linie und HR.» Bei der Swisscom arbeitet Hans Werner mit dem CEO eher informell zusammen. «Wir sehen uns viel, telefonieren häufig und haben fast keine festen Sitzungen mehr.» Nicht immer seien sie aber einer Meinung. «Das ist aber auch so gewollt. Widerspruch und unterschiedliche Ansichten tragen zu besseren Lösungen bei.»

Damit die Zusammenarbeit zwischen HR und CEO gelingt, müssen sich alle Beteiligten vom HR zum VR bis zum CEO über Ziele, Prioritäten und den Ablauf des Rekrutierungsprozesses klar sein, sind sich Werner, Smith und Jordi einig. Etwa, wer welche Rolle einnimmt, wer wann was im Prozess zu tun hat oder welchen Status die Suche gerade hat.

Betriebsblindheit durchbrechen

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Nicht immer bezieht ein CEO das HR bei der Besetzung von Top-Positionen mit ein. Wir haben mit Rafael Paravicini vom Executive-Search-Unternehmen Heidrick & Struggles darüber gesprochen.

Herr Paravicini, oft wird das HR bei der Besetzung hochrangiger Posten wie die eines CFO vom CEO nicht beigezogen. Weshalb?

Rafael Paravicini: Wenn das tatsächlich so ist, dann wohl, weil der CEO dem HR diese Kompetenz nicht zuschreibt. Dann stellt sich für mich aber die Frage, weshalb er ein HR hat, auf das er sich nicht verlassen kann.

Was sind die Konsequenzen, wenn ein CEO eigenständig nach einem CFO sucht?

Ein CFO ist für einen CEO eine der wichtigsten Vertrauenspersonen. Rekrutiert der CEO seinen CFO eigenhändig, erliegt er möglicherweise der Gefahr, jemanden anzustellen, der ihm auch dann nicht widerspricht, wenn es nötig wäre. Er will den einfachsten Weg gehen, weil er grad jemanden kennt oder weil er Angst vor einem Menschen hat, der eine starke Meinung hat und ihm widerspricht. Das ist menschlich zwar verständlich, er verzichtet damit aber auch auf Expertise. Das ist gefährlich und fördert unternehmerische Fehlentscheide.

Möglicherweise passt der CFO dann zwar zu ihm, aber nicht zum Unternehmen. Kommt es dann zu einem Fehlentscheid, gerät der CEO in arge Nöte und muss erklären, weshalb er so gehandelt hat, und dem Verwaltungsrat darüber Rechenschaft ablegen. Je kleiner die Firma ist, desto grösser ist übrigens die Gefahr, dass sich ein CEO so verhält.

Wie macht man es besser?

Indem ein Unternehmen die Suche strategisch angeht und verschiedene Stellen involviert. Vom CEO über das HR bis zum VR und einem Executive-Search-Unternehmen. Die so Involvierten balancieren sich gegenseitig aus. Wenn jeder seine Ansichten einbringt, läuft der Prozess meistens gut. So legt der CEO beispielsweise Wert darauf, jemanden zu finden, mit dem er sich versteht, während das HR die Kultur abstimmt, die Gesprächspartner auswählt und das Projekt koordiniert. Der Executive-Search- Verantwortliche macht dagegen ein Benchmarking mit anderen Kandidaten, überprüft den Lebenslauf der Kandidaten und ermittelt deren Potenzial.

In manchen Unternehmen ist das HR dem CFO unterstellt. Inwiefern verhindert dies, dass das HR bei der Besetzung von Topkaderpositionen mitwirkt?

Es hängt natürlich auch von der Persönlichkeit des HR-Leiters ab. Davon, ob er sich einbringen kann, konstruktiv kritische Fragen stellt, alternative Kandidaten am Markt überprüft oder einen Kandidatenpool für Notfallsituationen zur Hand hat. Bleibt das HR in einer passiven Rolle, wird es nicht ernst genommen. Allerdings ist die Konstruktion, als HR-Chef einem CFO unterstellt zu sein, schon etwas seltsam.

Das HR gehört meiner Meinung nach in die Geschäftsleitung, zumindest in die erweiterte. Wie das HR angesehen wird, fängt in einem Unternehmen aber weit oben an: Betrachtet der VR das HR als strategischen Partner, sind die Voraussetzungen gut, dass der CEO das auch tut oder vom VR in diese Richtung gelenkt wird. Ob sich das HR bei der Besetzung von Topkaderpositionen einbringen kann, hängt hauptsächlich von seinem Zugang zum CEO ab. Wenn ein CEO den Nutzen eines HRs aber nicht sieht, wird es schwierig.

 

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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