Notfälle im Unternehmen: Erst schauen, dann handeln

Ein Feueralarm bricht aus, ein Kollege hat einen Arbeitsunfall und wird verletzt oder bewusstlos aufgefunden – wüssten Sie, was zu tun ist? Wo der Notausgang ist, wo der Verbandskasten, wo der Defibrillator, welche Nummer bei welchem Notfall zu wählen ist? Auf diese Ernstfälle sollten alle Mitarbeitenden vorbereitet sein. Eine wichtige Voraussetzung dafür: üben, üben, üben.

Einen Erste-Hilfe-Kurs hat jeder absolviert, der einen Führerausweis hat. Doch wie lange ist das her? Nur wenige machen danach noch einmal Auffrischungs- oder gar Weiterbildungskurse. Besser wäre es natürlich, das weiss man – denn man hat im Kurs schliesslich auch erfahren, dass man im Notfall zum Helfen verpflichtet ist. Einen sicheren Arbeitsplatz zu gewährleisten, dazu sind Unternehmen per Gesetz verpflichtet. Teil davon ist es, alle Arbeitsplätze entsprechend auszurüsten – aber auch, die Mitarbeitenden zu schulen. Dabei hilft beispielsweise Monika Mebold Kaufmann. Sie ist Sicherheitsingenieurin beim Schweizerischen Verein für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz.

Ein wichtiger Teil ihrer Arbeit ist es, Arbeitsplätze zu begehen und auf Sicherheitsmängel zu überprüfen. Dabei geht es auch darum, Mitarbeitende als interne Sicherheitsbeauftragte auszubilden und sie für Schwachstellen zu sensibilisieren. Ein Beispiel: «Notfallapotheken sind meistens vorhanden, aber manchmal werden sie nicht regelmässig gepflegt.» Das heisst: Es muss überprüft werden, ob Verbandszeug, Desinfektionsmittel und andere Sanitätsmaterialien das Haltbarkeitsdatum überschritten haben und ausgetauscht werden müssen. Oder die Fluchtwege: Sie müssen nicht nur gut sichtbar gekennzeichnet, sondern auch jederzeit frei zugänglich sein. «Es kommt vor, dass sie verstellt sind, etwa durch Paletten im Gang, oder sogar abgeschlossen sind.» Daneben wird bei einer Begehung zum Beispiel auch überprüft, ob die Mitarbeitenden die vorgegebene Schutzausrüstung für ihre Arbeit benutzen. «Ein wichtiges Thema sind auch Sauberkeit und Ordnung am Arbeitsplatz – Stichwort: Stolperfallen», erklärt die Expertin.

Zwei Ersthelfer sind Minimum

Pflicht in jedem Betrieb sind zudem Flucht- und Rettungspläne, die an markanten Stellen gut sichtbar aufgehängt sein müssen. Sie geben einen Überblick über Fluchtwege und Notausgänge sowie über die Standorte von Notfallapotheken, Defibrillatoren und Feuerlöschern. Bei Betrieben ab 100 Mitarbeitenden empfiehlt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) zudem, einen Sanitätsraum einzurichten. Regelmässige Betriebsbegehungen von einem – internen oder externen – Sicherheitsbeauftragten sind immer nötig. Wie oft, kommt auf die Betriebsart an. «Zu einem meiner Kunden im öffentlichen Dienst komme ich alle drei Jahre, zu anderen in grösseren Abständen», berichtet Monika Mebold Kaufmann. Früher war sie in einem Industriebetrieb angestellt, «da machten wir viermal pro Jahr eine interne Begehung durch das Sicherheitsteam und zusätzlich eine Begehung durch Externe.»

In jedem Unternehmen muss auch, je nach Betriebsgrösse, eine bestimmte Anzahl der Mitarbeitenden als Kontaktpersonen für Erste Hilfe ausgebildet sein. Sie sind wichtige Helfer, wenn ein Unfall, Feueralarm oder medizinischer Notfall auftritt. Auch in Betrieben unter zehn Mitarbeitenden, empfiehlt das Seco, sollte es mindestens zwei Ersthelfer geben, die zumindest die Grundlagen sicher beherrschen. Bei grösseren Betrieben müssen auch Mitarbeitende auf höheren Niveaus ausgebildet werden. Aber nicht nur sie müssen wissen, wie man im Notfall richtig reagiert.

Notfallkarten können helfen

Einmal im Jahr sollte etwa eine Feuerübung durchgeführt werden, damit jeder weiss, wo sich die Notausgänge und die Sammelorte befinden. Regelmässig aufgefrischte Erste-Hilfe-Kurse helfen dabei, die Scheu davor zu überwinden, etwa eine Reanimation mit Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung anzuwenden. «Wichtig ist, dass man dies eins zu eins an Trainingspuppen und Schulungsdefibrillatoren trainiert», betont Monika Mebold Kaufmann. Kursangebote für Unternehmen macht beispielsweise der Schweizerische Samariterbund.

Wenn es einmal tatsächlich zum Ernstfall kommt, sind aber trotzdem viele überfordert. «Nach einem Unfall kann es passieren, dass man unter Schock steht. Eine wertvolle Hilfe können Ablaufpläne und Notfallkärtchen sein, die der Arbeitgeber aufhängt oder den Mitarbeitenden aushändigt», erklärt Monika Mebold Kaufmann. Auf ihnen steht in Stichworten, was zu tun ist. Ein regelmässiger Blick darauf kann eine wertvolle Vorbereitung sein. Vorlagen dazu stellt zum Beispiel die Suva zur Verfügung (siehe Infokasten).

Das erste Gebot bei einem Notfall lautet: Ruhe bewahren – auch wenn es schwer fällt. «Wer schon einmal Feuerwehrleuten bei einem Einsatz zugesehen hat, hat sich vielleicht gedacht: Das geht aber langsam», weiss Monika Mebold Kaufmann. Doch dieses bedachte Vorgehen hat Methode, denn: «Zu schnelles Handeln ohne Nachdenken kann zum Problem werden.» Deshalb verweisen Notfall-Experten oft auf das so genannte «Ampelschema», das Handlungsanweisungen für den Notfall mit Rot, Gelb und Grün in die richtige Reihenfolge bringt.

Notruf so schnell wie möglich

Als erstes steht in diesem Schema «Schauen» (Rot) – das bedeutet, dass man zuallererst herausfinden muss, was passiert ist und wer betroffen ist. Darauf folgt «Denken» (Gelb), also erkennen, was zu tun ist und wer Hilfe braucht. Erst dann kommt «Handeln» (Grün), das heisst es wird Erste Hilfe geleistet und gegebenenfalls der Unfallort gesichert. Für einen Feueralarm bedeutet das: zuerst schauen, ob andere in Gefahr sind, und sie alarmieren, dann sofort die Rettungskräfte benachrichtigen. Dann, sofern es möglich ist, das Feuer eindämmen, etwa mit dem Feuerlöscher oder durch das Verschliessen von Türen. Und dann zügig, aber nicht überhastet das Gebäude über die Fluchtwege verlassen und sich am Sammelplatz einfinden.

Monika Mebold Kaufmann betont dabei besonders, wie wichtig es ist, so schnell wie möglich die Rettungskräfte anzurufen. Denn es kann durchaus bis zu 20 Minuten dauern, bis die Ambulanz oder Feuerwehr nach einer Alarmierung eintrifft – Zeit, die buchstäblich über Leben und Tod entscheiden kann. Gerade Assistentinnen, weiss die Expertin, werden hier von vielen Mitarbeitenden als Ansprechpartnerin gesehen. «Sie sollte daher immer alle Notfallnummern sofort parat haben.» Danach ist aber zügiges Handeln angesagt: Denn wenn etwa bei einem Herzstillstand in den ersten zehn Minuten keine Reanimation geleistet wird, steigt die Wahrscheinlichkeit drastisch, dass der Rettungswagen zu spät kommt.

Dieser Artikel ist zuerst erschienen bei Miss Moneypenny.

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