Nur ein Auftrag oder doch ein Arbeitsvertrag?
Urteil des Zürcher Obergerichts vom 12. Februar 2014 (LA130022).
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Das Urteil
Der Beklagte ist seit 2005 als Einzelunternehmen im Handelsregister eingetragen und in der Baubranche tätig. Im Mai 2007 beschlossen der Kläger und der Beklagte, künftig «zusammen zu arbeiten». Der Beklagte sagte dem Kläger, dass es ihm nicht möglich sei, ihn anzustellen, der Kläger könne aber als Selbständiger mit ihm arbeiten. Daraufhin liess sich der Kläger als Einzelunternehmen im Handelsregister eintragen und war von Mai 2007 bis Ende Juni 2009 mit dem Beklagten zusammen auf verschiedenen Baustellen tätig. Sozialversicherungsrechtlich wurde der Kläger von der SVA Zürich allerdings nicht als Selbständigerwerbender anerkannt. Der Beklagte bezeichnete sich gegenüber der SVA Zürich deshalb als Arbeitgeber und rechnete Sozialversicherungsbeiträge für ihn ab. Nachdem der Kläger das Vertragsverhältnis auf Ende Juni 2009 gekündigt hatte, machte er gegenüber dem Beklagten Ansprüche aus dem Arbeitsrecht geltend und reichte im Dezember 2010 beim Arbeitsgericht Zürich schliesslich Klage auf die Bezahlung von 105 000 Franken ein.
Der Beklagte machte geltend, dass das Arbeitsgericht sachlich gar nicht zuständig sei, weil es sich beim Vertragsverhältnis um einen Auftrag und nicht um einen Arbeitsvertrag handle; entsprechend hätte der Kläger an das ordentliche Zivilgericht gelangen sollen und nicht an das Arbeitsgericht. Tatsächlich wies in der Folge das Arbeitsgericht Zürich im Juni 2013 die Klage wegen Unzuständigkeit ab. Dagegen erhob der Kläger erfolgreich Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich.
Das Obergericht stellte, im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, fest, dass es für die sachliche Zuständigkeit des Gerichts genügt, wenn aufgrund der blossen Tatsachenbehauptung des Klägers anzunehmen ist, dass ein Arbeitsvertrag vorliegt. Nur wenn die Behauptungen des Klägers auf Anhieb fadenscheinig oder inkohärent gewesen wären, hätte das Gericht die sachliche Zuständigkeit verneinen dürfen. Da im vorliegenden Fall die Behauptungen des Klägers aber klar auf einen Arbeitsvertrag hindeuten, wäre das Arbeitsgericht sachlich zuständig gewesen und hätte die Klage – ungeachtet der endgültigen Qualifikation – auch materiell beurteilen müssen. Das Obergericht hob deshalb das Urteil des Arbeitsgerichts auf und wies die Sache zur Neubeurteilung zurück.
Konsequenz für die Praxis
Massgebend für die Beurteilung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt oder nicht, sind ausschliesslich die wirtschaftlichen Verhältnisse und nicht die Vertragsbezeichnung. In der Praxis passiert es oft, dass Parteien einen Auftrag oder Werkvertrag vereinbaren, dieser aber in Tat und Wahrheit sowohl sozialversicherungs- als auch zivilrechtlich als Arbeitsvertrag zu qualifizieren ist. Man spricht von «Scheinselbständigkeit». Die böse Überraschung kann bei Beendigung des Vertragsverhältnisses oder aufgrund einer AHV-Kontrolle kommen. Bei Zusammenarbeit mit Einmannbetrieben sollte der Vertrag kritisch hinterfragt und eine Abweichung von der sozialversicherungsrechtlichen Qualifikation gut geprüft werden.