«Ökologie ist etwas ganz Persönliches und geschieht in Eigenverantwortung»
Um verantwortungsvolles Handeln zu fördern, reicht es nicht, das Licht früher auszumachen, meint Daniel Rüthemann, Geschäftsführer von IBM Schweiz. Und letzlich lasse sich dieses Verhalten ohnehin nicht verordnen. Erfolg stellt sich daher seiner Meinung nach nur durch konsequentes Vorleben ein – und mit den richtigen Rahmenbedingungen.
Daniel Rüthemann: «Verantwortung für die Umwelt können Sie nicht befehlen.» (Foto: Sabine Schritt)
Herr Rüthemann, umweltbewusstes Handeln ist bei IBM seit vielen Jahren ein Thema. Bereits 1971 erliess der damalige IBM-Chef T. J. Watson die ersten Unternehmensrichtlinien zum Schutz der Umwelt. Welche neuen Potenziale kann IBM noch erschliessen, um auf aktuelle Herausforderungen wie steigende Strompreise, Energieknappheit und Klimawandel zu reagieren?
Daniel Rüthemann: Sie befinden sich hier in einem der grössten Minergie-Gebäude in der Schweiz. Wir gewinnen die Wärme für unsere Büros, in denen sich durchschnittlich 1200 Mitarbeiter befinden, aus der direkten Sonneneinstrahlung sowie Wärmeabstrahlung von Menschen und Geräten. So brauchen wir das Gebäude lediglich an 52 Tagen im Jahr konventionell zu heizen und zwar von Sonntag auf Montag, damit wir am Montagmorgen eine angenehme Temperatur im Gebäude haben. So sparen wir zwischen 30 und 50 Prozent Energiekosten.
War die Entscheidung für ein Minergie-Haus ein schwieriger Prozess?
Nein, gar nicht. Wir haben bereits seit über 40 Jahren eine ökologische Agenda und schon immer versucht, die Emissionen so niedrig wie möglich zu halten.
Und sonst?
IBM hat ein allumfassendes Mobilitätskonzept entwickelt und versucht die Mitarbeitenden darin einzubinden. Ein wichtiger Bestandteil des Konzepts ist, dass unsere Mitarbeitenden zu jeder Zeit, an jedem Punkt auf der Welt ihre Aufgaben wahrnehmen können. Sie müssen nicht jeden Morgen in den Zug oder ins Auto steigen, um ins Büro zu fahren. So sparen wir Zeit und Energie. Von den rund 2500 Mitarbeitern in Zürich sind daher täglich nur ungefähr 1200 am Arbeitsplatz.
Wie funktioniert das in der Praxis?
Wir haben keine festgelegte Arbeitszeit, wir messen und kontrollieren das nicht. Das Einzige, was wir messen, sind die Resultate. Jeder kann sein Arbeitsmodell individuell gestalten und auf die private Situation abstimmen. Dazu kommt, dass viele unserer Mitarbeiter direkt bei unseren Kunden im Einsatz sind und auch dort Zugriff auf die nötigen Tools und Anwendungen benötigen. Aber auch beim Weg ins Büro möchten wir bei unseren Mitarbeitern ein Bewusstsein für nachhaltige Mobilität schaffen. Deswegen unterstützen wir die Anreise mit dem öffentlichen Verkehr. Unsere Mitarbeitenden erhalten das Generalabonnement des ZVV verbilligt und für Dienstfahrten zu unseren Kunden stellen wir ihnen einen Pool mit fünf Mobility-Autos zur Verfügung.
Wird das Angebot angenommen?
Unsere Mitarbeitenden nutzen die Möglichkeiten flexibel zu arbeiten intensiv. Auch der Car-Pool ist sehr gut ausgelastet.
Ist so ein Vertrauensverhältnis die nötige Basis, um ökologische Programme gemeinsam zu entwickeln und zu tragen?
Ökologie ist auch etwas ganz Persönliches und geschieht in Eigenverantwortung. Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er mit dem Auto kommt, ob er ein Minergie-Haus baut oder wie er sonst dazu beitragen kann, Energie nachhaltig zu nutzen. Aber wir möchten niemanden dazu zwingen. Wir tun sehr viel, um das Bewusstsein für ökologische Faktoren zu schaffen.
Was treibt Sie als Geschäftsführer an, den aktuellen Umweltfragen innovativ zu begegnen?
Das ist eine recht persönliche Motivation. Ich möchte meinen Kindern, die noch sehr klein sind, einen Planeten übergeben, der nicht schlechter ist als der, den ich bekommen habe – eher noch ein bisschen besser. Dafür fühle ich mich verantwortlich.
Ihr ökologisches Bewusstsein hört also nicht an der Bürotür auf?
Wir benutzen den Planeten so, als wenn alles kostenlos wäre, Luft, Wasser, Land. Das ist nicht so. Wenn wir so weitermachen wie bisher, ist in 20 Jahren unser Planet erschöpft. Ökologische Verstösse sind kein Kavaliersdelikt. Ich wohne übrigens auch privat in einem Minergie-Haus.
Was IBM angeht: Wir wollen als Unternehmen mit grossem technologischen Know-how dazu beitragen, unsere hochkomplexen Wirtschafts- und Ökosysteme zu verstehen, zu erforschen und effizienter zu machen. Dazu steht uns mit IBM Research eine der grössten privaten Forschungseinrichtungen der Welt zur Verfügung. Zudem ist IT eine Querschnittsfunktion, sie findet sich in Logistik- und Transportsystemen, in Produktionsanlagen, in Forschung und Bildung – sie begegnet uns überall, auch wenn wir sie nicht direkt bemerken.
IBM hat mit grünen Projekten und einigen Auszeichnungen in der Vergangenheit auf sich aufmerksam gemacht – läuft man nicht Gefahr, dass ökologische Programme zum reinen PR-Instrument verkommen?
Diese Angst habe ich überhaupt nicht. Wir haben konkrete Projekte und Angebote für unsere Kunden, die reale Probleme lösen. Da ist nichts aufgesetzt. Und wir haben das Ende der Fahnenstange auch noch nicht erreicht. Die Informatik konsumiert zwei bis drei Prozent des Weltenergiebedarfs. Wir können noch viel effizienter werden.
Was kann Green IT konkret zum Umweltschutz beitragen?
Wir müssen dafür sorgen, dass der Wirkungsgrad noch sehr viel höher wird. Zu rund 90 Prozent laufen die Computer einfach vor sich hin, produzieren Wärme und tun nichts. Stellen Sie sich vor, in Fabriken liefen die Förderbänder nur mit einer zehnprozentigen Auslastung. Das wäre undenkbar. Durch Konsolidierung und Virtualisierung lassen sich bis zu 80 Prozent Energie sparen. Das bedeutet, dass wir hunderte von kleinen, energietechnisch ineffizienten Servern durch wenige grössere Systeme ersetzen. So verbrauchen sie deutlich weniger Strom als ein riesiges Rechenzentrum voll von kleinen Servern. Zusätzlich nutzen wir die Abwärme aller Rechner in unseren Rechenzentren, um beispielsweise andere Gebäude zu heizen. Dadurch sparen diese Gebäude direkt Heizöl oder Strom für die Heizung.
IBM bietet für ihre Kunden selbstverständlich umweltfreundliche IT-Lösungen an. Wie leben Sie den ökologischen Gedanken in Ihrem Unternehmensalltag?
Es genügt nicht, früher das Licht auszumachen oder den Müll zu recyceln... Wir versuchen das Thema im gesamten Unternehmensalltag zu verankern. Ganz entscheidend ist dabei das Mobilitätskonzept. Damit können Sie schon einmal einen grossen Teil der CO2-Verursacher eliminieren, dazu kommen die moderne Heiztechnik und die Technologien in unseren Rechenzentren, das sind die Dinge, die zählen. Wir haben die Anzahl unserer Geschäftsreisen stark reduziert und durch moderne Videotechnologien ersetzt. Natürlich auch um Kosten zu sparen, aber auch der Umwelt zuliebe – das geht Hand in Hand.
Es braucht demnach die richtigen Rahmenbedingungen und Strukturen?
Sie machen ökologisches Handeln erst möglich. Die Mitarbeiter brauchen einen Anreiz. Ich versuche auch, mit gutem Beispiel voranzugehen. Zum Beispiel benütze ich die öffentlichen Verkehrsmittel für den Weg ins Büro.
Stichwort Vorbildfunktion: Welche Bedeutung hat diese Ihrer Meinung nach?
Verantwortung für die Umwelt können Sie nicht befehlen. Deswegen bin ich überzeugt, dass es wichtig ist, was unsere Führungskräfte vorleben. Wenn ich morgens aus dem Zug steige, treffe ich meine Mitarbeiter, die sehen, was ich mache. Das wirkt viel mehr als viel reden.
Auf welche Weise binden Sie Ihre Mitarbeiter in Ihre ökologischen Programme ein?
Wir hatten letztes Jahr einen Umweltwettbewerb ausgeschrieben und unsere Mitarbeiter um Vorschläge und neue Ideen gebeten. Prämiert wurde die Verbesserung, alle Wasserhähne mit einem Strahlregler auszustatten, der dem Strahl Luft beimischt und den Wasserbrauch unmerklich aber deutlich senkt. Wir haben das natürlich sofort in die Tat umgesetzt.
Mit dem Input der Mitarbeiter im Rahmen eines weltweiten Value Surveys haben wir unsere Werte neu definiert. Der Nachhaltigkeitsgedanke ist dort integriert. In der Umfrage haben die Mitarbeiter ganz klar kommuniziert, dass es ihnen ein Anliegen ist, dass sich ihre Firma ökologischen Fragestellungen nicht verschliesst.
Welche Rolle spielt bei Ihnen das HRM, um bei den Mitarbeitern auf allen Ebenen ein Verantwortungsbewusstsein für die Umwelt und die Gesellschaft zu fördern?
Diese Bewusstseinsschaffung muss auf jeder Unternehmensstufe über das Linienmanagement erfolgen. Das kann man nicht an die Personalabteilung delegieren. Wir nehmen das HRM jedoch bei der Ausführung in die Pflicht, zum Beispiel beim Entwurf und der Umsetzung der Mobilitätsprogramme.
Welche Netzwerke und Ressourcen nutzen Sie, um sich auszutauschen und ökologisch weiterzubilden?
Ich wirke aktiv beim Climate Forum mit, auch Avenir Suisse ist ein wichtiger Think-Tank, der immer wieder inspiriert. Wir sind Mitglied beim öbu, dem Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften. Eine wichtige Ressource ist unser eigenes Forschungslabor in Rüschlikon, das jedes Jahr in verschiedenen Berichten einen Blick in die Zukunft wagt. Dazu gehören der «Global Technology Outlook», der «Environmental Outlook» und der «Innovation Outlook». Und natürlich sind die Gespräche mit unseren Kunden für uns extrem wichtig. Es gibt Firmen, die bei einer Auftragsvergabe gezielt schauen, ob ein Unternehmen zertifiziert ist oder nicht.
IBM ist zertifiziert?
Wir sind seit 1997 nach ISO 14001* zertifiziert und waren eine der ersten Firmen, die eine einzige globale ISO Zertifizierung bekamen.
Daniel Rüthemann
ist seit Frühjahr 2006 Landeschef der IBM Schweiz. Ab 1999 war er verantwortlich für die Kundenbeziehung der IBM zum grössten Finanzdienstleister der Schweiz und war seit Januar 2002 als Managing Director für die globale Betreuung dieses Kunden durch die IBM zuständig. Ende der 90er-Jahre absolvierte er die Swiss Banking School in Zürich und übernahm 1998 die Leitung des Geschäftsbereiches Banken der IBM Schweiz.
Daniel Rüthemann wurde 1959 in Zürich geboren. Nach seinem Studium an der Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule Zürich trat er 1984 in die IBM ein. Rüthemann ist verheiratet und Vater von vier
Kindern.
- * ISO 14001 sind die seit 1996 weltweit gültigen Umweltkriterien. Sie wurden 2004 erstmals erneuert.