Arbeitnehmermobilität

Pendeln mit dem Auto verliert Bedeutung - Wandel hat Vorteile für Arbeitgeber

In Wirtschaftsregionen wird persönliche Mobilität Nebensache. Die Anzahl junger Menschen, die einen Führerausweis erwerben, nimmt ab und mit ihr die Bedeutung von Autos. Den «Demobilisierungs-Trend» unterstützen neue Medien, die das Arbeiten von zuhause ermöglichen. Tägliches Pendeln ist überflüssig und wirtschaftlich auch unsinnig geworden. Arbeitgeber können vom Mobilitätswandel profitieren - besonders finanziell.

Der Siegeszug des Autos ist vorbei. Staus haben den MIV (Motorisierter Individualverkehr) mehr oder minder weltweit ausgebremst. Die Universität Dresden hat errechnet, dass sich allein auf den Autobahnen im industrialisierten Westeuropa auf rund 7'500 Kilometer Fahrzeuge stauen - jeden Tag! Der Verkehr ist zum Problem für die Gesellschaft und für die Wirtschaft geworden. Nachvollziehbar, dass besonders Berufspendler die Lust am Auto verlieren.

Autofahren ist eine luxuriöse Freizeitbeschäftigung

Aber nicht nur die dauernden Staus, sondern auch die stetig steigenden Kosten für die motorisierte Mobilität bei gleichzeitig stagnierenden Löhnen sorgen für ein Umdenken. Selbst in Autonationen wie den USA oder Deutschland geht der Grad der Motorisierung zurück, wie neueste Zahlen belegen. Die Gründe dafür sind wirtschaftlicher Natur und hängen stark von den sich dynamisch wandelnden Verhältnissen am Arbeitsmarkt ab.

Durch den Siegeszug des Internets und dem Eintritt in das digitale Zeitalter nimmt gleichzeitig auch der Zwang zur Mobilität ab. «Eine höhere Zahl an Internetnutzern geht einher mit einer geringeren Zulassungsrate», sagt Michael Sivak vom Transport Research Institute an der University of Michigan. Das stimme überein mit der These, dass virtueller Kontakt das Bedürfnis nach realem Kontakt zwischen jungen Menschen reduziere.

Der Arbeitsmarkt wird zunehmend flexibler, was auch dazu führt, dass die Möglichkeit von zu Hause aus zu arbeiten, immer öfter in Anspruch genommen wird. Insbesondere im Dienstleistungssektor ist das «Home Office» mittlerweile gang und gäbe.

Motorisierte Mobilität ist ein Kostenfaktor - viele wollen ihn sich nicht mehr leisten

Viele Arbeitnehmende wollen oder können sich das einstige Statussymbol Auto zumindest für den Arbeitsweg nicht mehr leisten. Denn während in Agglomerationen wie Zürich, Basel, Bern oder Genf der Anteil jener, die ÖV-Abos zum Pendeln nutzen, steigt, bleibt der motorisierte Freizeitverkehr grösster Faktor am Gesamtverkehrsaufkommen. Das bedeutet, dass das Auto häufig an freien Tagen aus der Garage gerollt wird und dass sich viele Zeitgenossen diesen «Luxus» im Alltag nicht mehr gönnen.

Arbeitgeber, die mit der Zeit gehen, fördern flexible Arbeitszeitmodelle, damit das Personal auch ausserhalb der Stosszeiten pendeln kann. Gezielt werden auch ÖV-Vergünstigungen, E-Bikes und Veloparkplätze propagiert - etwa in der Chemie und bei Bundesämtern. Weil durch den Zeitgeist auf Firmenarealen und in Tiefgaragen der Bürohäuser Abstellplätze für die Autos des Personals eingespart werden können, sind unter dem Strich Kostenoptimierungen möglich. Besonders natürlich in Agglomerationen und Städten. So fällt die Parkplatzbewirtschaftung weg, bzw. können vorhandene Felder umgenutzt oder fremdvermietet werden.

ÖV und Velo als Alternativen zum Auto - denn Junge machen immer seltener Führerausweise

Die «NZZ» rechnete aufgrund von Zahlen des Bundes vor, dass etwa im Grossraum Zürich immer weniger junge Menschen einen Führerausweis erwerben. Dadurch sinkt der Motorisierungsgrad der jüngeren Bevölkerung weiter. Machten vor zehn Jahren noch 70% der «Jungen» den «Lappen», mag heute nur noch jeder zweite Zürcher zwischen 18 und 25 Theorie büffeln und sich der Fahrprüfung stellen. Für die Fahrt zur Schule oder zum Arbeitsplatz nehmen diese Leute immer häufiger Busse, Bahnen oder auch Velos.

Mehr als 1200 Unternehmen in der Schweiz nehmen im Juni am «institutionalisierten Velopendeln» teil. Mit der Aktion Bike to Work unterstreichen Arbeitgeber, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt haben - und unterstützen so auch die weitere Wandlung der persönlichen Mobilität.

Manche Kantone und fortschrittliche Städte reagieren vor allem auch auf den Zweiradtrend und fördern den umweltschonenden und platzsparenden Veloverkehr. In der Theorie verflüssigt sich der Stossverkehr zu Arbeitsbeginn und Büroschluss deutlich, wenn nur ein kleiner Teil der Pendler statt eines Autos ein Fahrrad für den Arbeitsweg nutzen würde. Im Visier der Stadtplaner sind dabei die Kurzstreckenpendler, also Arbeitnehmer, die zwischen 5 und 15 Kilometer (pro Weg) vom Wohnort zum Arbeitsort unterwegs sind. Deshalb wird besonders in Ortschaften und zentrumsnah Radweg-Infrastruktur ausgebaut.

Der Kanton Aargau baut das Veloweg-Netz nach einem politischen Grundsatzentscheid konsequent und gezielt aus - kaum ein Strassenneubau- oder sanierungsprojekt, ohne gleichzeitig erstellte Velostreifen,  Velowege oder auch Abstellflächen. Bis 2015 soll das Radroutennetz im Aargau auf nahezu 1000 Kilometer Länge wachsen.

Stadt und Kanton Zürich stehen grosszügige Budgets für die Veloförderung zur Verfügung. Neuerdings beschäftigen die dortigen Behörden auch ausgewiesene Fahrradexperten, die bei Strassenbauprojekten beratend und korrigierend einwirken sollen.

In Zürich plant man allerdings mit weitem Horizont. Erst etwa 2030 soll das Radwegenetz mit 1700 Kilometer Länge einigermassen lückenlos und so auch für Berufspendler aus den Schlafdörfern attraktiv, fertig sein.

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