HR Today Nr. 5/2021: Serie – Sozialversicherungen

Pensionskassenwechsel: Die Zustimmung der Mitarbeitenden ist Pflicht!

Will eine Arbeitgebende die Pensionskasse wechseln, darf sie das rechtlich nur «im Einverständnis mit dem Personal oder der allfälligen Arbeitnehmervertretung» tun. So jedenfalls das Gesetz. In der Praxis wurde diese Vorgabe jedoch oft so umgesetzt, dass das Personal über den Wechsel informiert und von dessen Zustimmung ausgegangen wurde, wenn keine Einwände eingingen. Diese Praxis hat das Bundesgericht nun im letzten Jahr für ungültig erklärt (BGE 146 V 169).

Der Anschluss an eine Pensionskasse erfolgt durch einen sogenannten Anschlussvertrag zwischen der Arbeitgebenden und der Pensionskasse. Will eine Arbeitgebende die Pensionskasse wechseln, muss sie den Anschlussvertrag kündigen und mit einer anderen Pensionskasse einen neuen abschliessen. Weil Mitarbeitende nicht Vertragspartei des Anschlussvertrags sind, hat der Gesetzgeber auf andere Weise sichergestellt, dass sie bei diesem wichtigen Entscheid mitbestimmen können: Die Auflösung eines bestehenden Anschlusses und der Wiederanschluss an eine neue Pensionskasse muss «im Einverständnis mit dem Personal» erfolgen. Kommt zwischen der Arbeitgebenden und dem Personal keine Einigung zustande, entscheidet ein neutraler Schiedsrichter, der im gegenseitigen Einverständnis oder bei Uneinigkeit von der Aufsichtsbehörde bezeichnet wird. Eine Kündigung ohne Zustimmung des Personals ist ungültig. Das gilt für alle Anschlussverträge, die das Obligatorium abdecken. Was einleuchtend klingt, wirft in der Praxis viele Fragen auf. Wir versuchen nachfolgend, auf die wichtigsten Fragen konkrete Antworten zu geben:

Wer muss zustimmen?

Das Mitbestimmungsrecht kommt allen Mitarbeitenden zu, die dem entsprechenden Anschlussvertrag unterliegen. Rentner haben kein Mitbestimmungsrecht. Die Formulierung im Gesetz, dass die Arbeitgebende die Pensionskasse im Einverständnis mit ihrem Personal oder der allfälligen Arbeitnehmervertretung wählt, führt immer wieder zu Missverständnissen, da aus dem Wortlaut nicht genügend klar hervorgeht, dass damit ausschliesslich die Arbeitnehmervertretung nach Mitwirkungsgesetz (!) gemeint ist. Weder die Arbeitnehmervertreter in der Vorsorgekommission noch eine ad hoc gebildete Mitarbeitervertretung erfüllen dieses Kriterium. Besteht keine Arbeitnehmervertretung nach Mitwirkungsgesetz, sind alle betroffenen Mitarbeitenden zu befragen.

Worüber muss die Arbeitgebende informieren?

Damit eine Zustimmung wirksam ist, muss die zustimmende Person über alle für den Entscheid wesentlichen Informationen verfügen. Die Arbeitgebende muss daher dafür sorgen, dass die Mitarbeitenden in verständlicher Weise über den beabsichtigten Wechsel, die Gründe dafür, die Mitwirkungsrechte sowie alle wesentlichen Unterschiede zwischen der bisherigen und der vorgeschlagenen neuen Vorsorgelösung informiert werden – beispielsweise bezüglich Beiträge und Leistungen. Ziel ist, dass das Personal in die Lage versetzt wird, auf Augenhöhe mit der Arbeitgebenden über den Wechsel entscheiden zu können. Vor Formulierungen wie «es bleibt alles gleich» sollte sich die Arbeitgebende in Acht nehmen, da sie für solche Zusicherungen schlimmstenfalls haftet.

Was heisst zustimmen?

Das Bundesgericht hat entschieden, dass ausbleibender Protest von den Mitarbeitenden gegen den angekündigten Pensionskassenwechsel nicht als Einverständnis gedeutet werden darf. Verlangt ist vielmehr, dass das Personal, beziehungsweise dessen Vertretung, in die Wahl der Pensionskasse miteinbezogen wird und dieser aktiv zustimmt. Ungeklärt ist, was das konkret bedeutet. Unserer Meinung nach reicht das einfache Mehr der abgegebenen Stimmen.

In welcher Form muss die Zustimmung erfolgen?

Die Zustimmung des Personals ist grundsätzlich an keine Form gebunden. Wichtig ist jedoch, dass sich diese nachweisen lässt. Entsprechend lässt sich die Abstimmung beispielsweise mittels einer Online-Umfrage oder per E-Mail durchführen. Ist eine Arbeitnehmervertretung im Sinne des Mitwirkungsgesetzes vorhanden, genügt zum Nachweis der Zustimmung deren Beschlussprotokoll.

Fazit

Zusammengefasst führt das Bundesgerichtsurteil dazu, dass Pensionskassenwechsel für die Arbeitgebende komplexer werden, da in der Praxis sowohl die hohen Anforderungen an verständliche Informationen als auch eigentliche «Urabstimmungen» mit zahlreichen Herausforderungen verbunden sind. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn nicht alle Mitarbeitenden über ausreichende Sprachkenntnisse verfügen, an verstreuten Standorten arbeiten oder keine Geschäfts-E-Mail haben. Angesichts der Fülle von Aufgaben, welche die Arbeitgebende vor einem Pensionskassenwechsel bewältigen muss, sind eine frühzeitige Planung und ein gutes Projektmanagement deshalb unabdingbar.

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Jennifer Zumstein ist juristische Mitarbeiterin bei der AVS Rechtsanwälte AG.

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Raphael Zellweger

Raphael Zellweger arbeitet als Rechtskonsulent bei der Swiss Life AG. Er ist Rechtsanwalt, eidg. dipl. Pensionskassenleiter und hat einen Master der HSG in Law & Economics.

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