Personalabbau professionell gestalten
Stellenabbau bedeutet Stress – sowohl für die gekündigten wie auch die verbleibenden Mitarbeitenden. Auch auf die Führungsmannschaft und die Arbeitnehmervertretung kommen (emotionale) Mehrbelastungen zu. Entsprechend professionell sollte dieser Prozess gemanagt werden, um eine Eskalation zu vermeiden.
Soweit wie auf dem Bild kommt es hoffentlich nicht. Deshalb unbedingt einige Dinge beachten bei einem Stellenabbau. (Bild: 123rf)
Immer wieder müssen Unternehmen Personal abbauen – aus den unterschiedlichsten Gründen. Doch egal, warum dieser Prozess erfolgt, stets gilt: Er bedeutet für alle Beteiligten eine hohe Belastung – unabhängig davon, ob sie
- zu den «Entscheidern» oder «Umsetzern»,
- zu den gekündigten oder verbleibenden Mitarbeitenden (auch «Survivor» genannt)
- oder zur Arbeitnehmervertretung zählen.
Deshalb sollten in dieser ohnehin angespannten Situation, Pannen und überflüssige Konflikte vermieden werden, um eine Eskalation zu verhindern. Hilfreich dabei ist, sich die besonderen (psychischen) Belastungen und Aufgaben bewusst zu machen, vor denen die beteiligten Personengruppen bei einem Personalabbau stehen.
1. Die «Entscheider» tragen die Verantwortung.
Meist treffen Vorstand oder Geschäftsleitung den Personalabbauentscheid. Diese Personen sind in Grossunternehmen meist nicht unmittelbar in die operative Seite des Vorgangs involviert. Sie tragen jedoch die Verantwortung für den Erfolg der Massnahme. Es lauern einige Gefahren, beispielsweise Unruhe und Demotivation in der Belegschaft, Fluktuation der Leistungsträger, erhöhter Krankenstand, Schäden für
Unternehmens- und Markenimage. Die Entscheider müssen also im Vorfeld abwägen: Ist der durch den Personalabbau erzielte «Gewinn» grösser als der «Schaden» – kurz-, mittel- und langfristig?
Entscheiden Sie sich für einen Personalabbau, sollten Sie beim weiteren Vorgehen folgende Punkte beachten:
- Offen kommunizieren: Der Vorstand oder die Geschäftsführung sollte den Mitarbeitenden die Gründe, Ziele und den geplanten Ablauf des Personalabbauprozesses darlegen.
- Schnell handeln: Nach der Information der Belegschaft existiert ein «Window of Opportunity» von etwa drei Monaten. In dieser Zeit werden Veränderungen am ehesten akzeptiert.
- Hängepartien vermeiden: Die Belegschaft durchläuft nach der Ankündigung des Personalabbaus ein emotionales Tief. Diese Situation muss schnell über-wunden und der Blick wieder nach vorne gerichtet werden.
- Den Personalabbau fair und sozialverträglich gestalten: Das hilft versteckte Kosten zu vermeiden, beispielweise aufgrund einer gesunkenen Arbeitsmoral und juristischer Auseinandersetzungen.
- Mit den Leistungsträgern Einzelgespräche führen: Ihnen sollte unter anderem ihre Perspektiven im Unternehmen verdeutlicht werden, um ein Abwandern zu vermeiden.
2. Die «Umsetzer» führen die Massnahme durch.
Wenn Personal abgebaut wird, stehen meist die vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Mitarbeitenden im Fokus. Wenig Beachtung erhalten indes die «Umsetzer». Dabei benötigen sie oft mentale Unterstützung, denn sie stehen an der emotionalen Front.
Die Situation der «Umsetzer» ist während des Personalabbauprozesses unter anderem durch folgende Faktoren gekennzeichnet:
- eine hohe Arbeitsbelastung aufgrund zusätzlicher Aufgaben (u.a. Einzelgespräche führen, Aufhebungsverträge abschliessen, Arbeitszeugnisse schreiben) und
- einen hohen emotionalen Stress wegen der unmittelbaren Auseinandersetzung mit den (betroffenen) Mitarbeitenden, für die sie oft zum Feindbild werden.
Mit dieser Situation umzugehen, fällt vielen Führungskräften und Mitarbeitenden der HR-Abteilung schwer, weil sie auf die Aufgabe Personalabbau schlecht vorbereitet sind. Hinzu kommt ein Wechselbad der Gefühle: Sie empfinden Mitgefühl mit den Betroffenen; zudem befürchten sie oft selbst, mittelfristig arbeitslos zu werden. Denn mit der Mitarbeiterzahl sinkt auch der Bedarf des Unternehmens an Personalfachleuten. Diese Bedenken und Ängste können und dürfen die «Umsetzer» jedoch nicht zeigen.
Um besser mit dieser Situation umgehen zu können, braucht es zum Beispiel Kurse, wie man Trennungsgespräche führt und während der heissen Phase des Personalabbaus regelmässiges Coaching durch externe Berater.
3. Die «Gekündigten» müssen gehen.
Ist ein Personalabbau angekündigt, verfolgen die Mitarbeitenden zunächst eine Vogel-Strauss-Taktik. Sie gehen in Deckung und hoffen: Das Schicksal «Kündigung» trifft mich nicht. Steht fest, wer das Unternehmen verlassen muss, spaltet sich die Belegschaft meist in Betroffene und Nicht-Betroffene.
Auf ihre Kündigung reagieren die Betroffenen unterschiedlich. Es gibt
- die Gefassten, die keine Emotion zeigen,
- die Geschockten, die Mitleid erregen,
- die Hysterischen, die emotional diskutieren,
- die Verhandler, die rational das Gespräch suchen, und
- die Bittsteller, die mit ihren Unterhaltsverpflichtungen und ihrer Loyalität argumentieren.
Nach dieser ersten Reaktion suchen viele Betroffene Hilfe bei der Arbeitnehmervertretung, der Gewerkschaft und/oder einem Rechtsanwalt. Das ist gleichzeitig die Phase, in der die Leistung abnimmt und Quantitäts- resp. Qualitätsvorgaben nicht mehr eingehalten werden. Der Krankenstand steigt, Mitarbeiter stehen in Grüppchen zusammen und tauschen ihre Meinungen aus. Viele sind wütend auf das Management und die Personalabteilung. Sie haben Angst vor der Zukunft. Zudem wissen die Gekündigten oft noch nicht, wie sie diese Herausforderung meistern sollen – insbesondere, wenn sie sich seit Jahren nicht mehr beworben haben. Ausserdem können sie nicht einschätzen, inwieweit ihre Qualifikation am Arbeitsmarkt (noch) gebraucht wird. Entsprechend sind viele mut- und perspektivlos.
4. Die «Survivor» durchlaufen ein Wechselbad der Gefühle.
Meistens beachtet man diese Gruppe bei Personalabbauprozessen am wenigsten. Dabei möchte das Unternehmen mit ihnen die Zukunft meistern. Die «Survivor» sind häufig zwiegespalten: Sie bedauern die Betroffenen, mit denen sie teilweise jahrelange zusammengearbeitet haben und eventuell sogar Freundschaften entstanden sind. Sie wünschen sich, etwas gegen das Ausscheiden ihrer Kolleg*innen tun zu können, und fühlen sich als «Verbleibende» mitschuldig an deren Schicksal. Andererseits wollen und müssen sie gegenüber dem Unternehmen loyal bleiben.
Dieses gefühlsmässige Hin- und Hergerissen-Sein endet erst, wenn die Gekündigten das Unternehmen tatsächlich verlassen haben. Dies bewirkt auch Verhaltensänderungen bei den «Survivor». Oft sinken während des Trennungsprozesses Motivation und Risikobereitschaft. Sie fehlen häufiger, sind weniger produktiv und einige verlassen sogar das Unternehmen. Wie stark die Verhaltensänderung ist, hängt davon ab, ob die «Survivor» den Personalabbauprozess als fair bewerten. Ausserdem, ob sie vermuten, dass sich der Abbau eher positiv oder eher negativ auf ihre Arbeitssituation auswirkt.
5. Die Arbeitnehmervertretung vermittelt und Outplacement-Berater mindern das Konfliktpotenzial.
Eine starke Arbeitnehmervertretung ist ein Gewinn für Unternehmen; das zeigt sich insbesondere während der unruhigen Zeiten eines Personalabbaus. Eine «gute» Arbeitnehmervertretung kann die Betriebs- und Marktsituation einschätzen. Deshalb bringt er oft kreative und konstruktive Ideen ein, mit denen der Abbau sozialverträglich gestaltet und das Unternehmen wieder in ruhigeres Fahrwasser geführt werden kann.
Zudem hat die Arbeitnehmervertretung meist engere persönliche Kontakte mit den Kolleg*innen als die Geschäftsleistung. Daher kann er Stimmungen früh erkennen und so lenken, dass überflüssige Konflikte vermieden werden.
Konflikte entstehen oft dadurch, dass Mitarbeitende nicht ausreichend informiert und in den Prozess einbezogen werden. Hinzu kommt gerade bei Fusionen und Übernahmen, dass kulturelle Differenzen zwischen den Unternehmen vernachlässigt werden und fundierte Integrationskonzepte fehlen.
Um solche Pannen zu vermeiden, holen Unternehmen zuweilen Outplacementberater an Bord, die
- mit ihnen eine Art Drehbuch für den Personalabbauprozess und die anschliessende Neuorientierung des Unternehmens entwerfen,
- die Führungskräfte auf die anstehenden, ungewohnten und unangenehmen Aufgaben vorbereiten und
- den gekündigten Mitarbeitern helfen, für sich eine neue berufliche Perspektive zu entwickeln,
so dass der Betriebsfrieden gewahrt bleibt und das Unternehmen nicht langfristig unter dem Personalabbau leidet.