Konfliktmanagement

Proaktives Konfliktmanagement steht und fällt mit den Führungskräften

Der Umgang mit Konflikten wird in vielen Unternehmen noch dem Zufall unterlassen. Diese versäumen es jedoch, 
Auseinandersetzungen in positive Ressourcen umzuwandeln. Hier lohnt es sich, in die Schulung von Führungskräften zu investieren, denn sie sind die Schlüsselpersonen, wenn es darum geht, Konflikte früh zu erkennen und zu beheben.

Der Mensch ist ein Fluchttier: Wenn er irgendwo Gefahr wittert, läuft er am liebsten davon. Dieses ursprüngliche Instinktverhalten macht sich auch heute noch bemerkbar, insbesondere in Konfliktsituationen. Die versuchen wir wenn möglich zu ignorieren oder ihnen irgendwie auszuweichen. Die beste und bequemste Lösung, so scheint es nach Argumenten der Logik, wäre es, Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen. Doch Konfliktprävention im Sinne von Konfliktvermeidung ist meist nicht möglich. Und eine Vermeidung sollte auch nicht das Ziel von Unternehmen sein, denn Auseinandersetzungen sind wichtig und bringen Veränderungen voran.

Es gibt einiges, was Unternehmen tun können, um Mitarbeiter und vor allem Führungskräfte für das Thema zu sensibilisieren und den Umgang mit Konflikten – besonders solchen, die erst am Entstehen sind – zu verbessern. Dabei geht es vor allem darum, eine gute Konfliktkultur entstehen zu lassen. Laut dem Schweizerischen Institut für Konfliktforschung entsteht diese aus dem Zusammenspiel von Selbstverständnis, Wertvorstellungen und Verhaltensmustern der Mitarbeitenden in Bezug auf Konfliktsituationen und Konfliktbewältigung.

Eigenes Konfliktverhalten ergründen

Unternehmen gehen bislang eher stiefmütterlich mit Konfliktprävention um, findet jedenfalls Mediator und Unternehmensberater Walter Leibundgut, der Firmen wie Emmi oder Swisscom in Fragen des Konfliktmanagements berät und Seminare durchführt. «Das proaktive Angehen von Konflikten hat mit einer Grundhaltung zu tun, die noch nicht so breit gelebt wird, wie ich mir das als Experte für Konfliktmanagement vorstelle. Dort gibt es noch ein enormes Potenzial, weil die Anzahl der Konflikte in den vergangenen Jahren stark gestiegen ist und noch immer steigt.» Ein möglicher Ansatz sei, in Führungsschulungen oder Managementtrainings das Thema Konfliktmanagement zu vermitteln, so Leibundgut. Auch Projektteams sollten besonderes Augenmerk auf das Konfliktmanagement legen, denn diese Teams auf Zeit sind besonders anfällig für Auseinandersetzungen: «Dazu gehört, dass allgemeine Regeln definiert und potenzielle Konflikte simuliert werden, die im Verlauf des Projekts entstehen können. Jedes Projekt, das lanciert wird, braucht ein Kommunikationskonzept, und darin sollte auch ein Konfliktkonzept beinhaltet sein», so Leibundgut.

Dass besonders bei Projekten oft unterschiedliche Sichtweisen kollidieren können, weiss auch Reto Tremp, Arbeitspsychologe bei Siemens Learning Campus. Und auch, dass Konfliktprävention mit den Führungskräften steht und fällt: «Jemand, der führt, sollte wissen, wie Konflikte entstehen, um entsprechend zu handeln.» Siemens bietet aus diesem Grund freiwillige Kurse an, die sich vor allem an Mitarbeitende in leitenden Positionen und Projektleiter richten. «Dabei geht es nicht primär darum, dass sie lernen, bereits eskalierte Konflikte zu schlichten. Vielmehr sollen die Teilnehmenden ein Bewusstsein dafür entwickeln, wann und mit welchen Vorboten sich Konflikte anbahnen, und ihr persönliches Konfliktverhalten kennen lernen», erklärt Tremp.

Sowohl bei dem Milchverarbeiter Emmi als auch bei der Versicherungsgesellschaft Zurich werden Seminare und Coachings angeboten, um Mitarbeitende in Leitungsfunktionen und solche, die es werden wollen, auf ihre Rollen als Konfliktmanager vorzubereiten. Denn die Führungskräfte sind die Schlüsselpersonen bei der Konfliktprävention, sind sich die Experten einig.

«Hinschauen und frühzeitig agieren ist Führungsaufgabe», findet Susanne Wicki van Gils, Personalentwicklerin der Emmi Gruppe. Und nur wenn das Verhalten in Konfliktsituationen immer wieder geübt würde, könne eine Kulturveränderung stattfinden, hin zu einer Kultur, in der Konflikte bejaht und nicht als etwas Negatives angesehen würden. Bei Emmi werden beispielsweise konkrete Probleme mit Hilfe der so genannten kollegialen Intervision innerhalb einer Kursgruppe durchgesprochen. «Der Betroffene stellt dabei seinen Fall vor, anschliessend besprechen die anderen Kursteilnehmer diesen unter sich, der Fallgeber hört still zu. Schliesslich diskutiert die Gruppe Lösungen für den Sachverhalt. Am Ende hat die betroffene Person die Möglichkeit zu sagen, was sie aus diesem Gespräch mitnimmt», erklärt Wicki van Gils. Zudem habe die Mehrzahl der HR-Leute bei Emmi eine Coaching-Ausbildung und sind so fester Ansprechpartner für Mitarbeitende und Vorgesetzte, die in Konfliktsituationen geraten sind. «Dabei kennen wir auch genau unsere Grenzen und wissen, wann es Zeit ist, externe Hilfe zu holen», so Wicki van Gils.

Change-Prozesse sind sehr sensibel

Bei Zurich gibt es zusätzlich eine Whistleblowing-Hotline, bei der Mitarbeitende Ungereimtheiten anonym melden können, und den so genannten Care Point, der allen Mitarbeitenden offensteht, die ein Anliegen haben und dieses mit einer neutralen Person diskutieren möchten. «Das Angebot reicht von Coaching und Supervision über Sozialberatung bis hin zu Mediation und wird von drei ausgebildeten Coaches geführt, die alle Informationen vertraulich behandeln», erklärt Chris Dunkel, Leiter HR Zurich Schweiz. Der Care Point unterstützt auch ganze Teams in Veränderungsprozessen.

Für Walter Leibundgut sind es gerade solche Change-Prozesse, die im Hinblick auf Art und Inhalt der Kommunikation besonders sensibel sind und in denen es regelmässig -Widerstände und Ängste zu überwinden gilt: «Wenn ein Unternehmen sich dessen bewusst ist und entsprechend seine Kommunikationsprozesse transparenter, schneller und konkreter gestaltet, dann hat man Konflikten vorgebeugt – auch ohne das konkret als Konfliktprävention zu bezeichnen.»

So nimmt Leibundgut in den Unternehmen auch ein schrittweises Umdenken in Bezug auf den Umgang mit Konflikten wahr: «Heute sagen mehr Unternehmen, dass es zum Rucksack einer Führungskraft gehört, sich mit Konflikten auseinandersetzen zu können, und integrieren Konfliktmanagement in die Ausbildung.»

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