Jugendliche stehen unter grossem Druck
Warum Jugendliche überdurchschnittlich häufig verunfallen und was Betriebe dagegen tun können: ein Gespräch mit Edith Müller Loretz, Leiterin Gesundheitsschutz bei der Suva.
Weshalb beschäftigt die Suva die psychische Gesundheit von Jugendlichen?
Edith Müller Loretz: Jugendliche und vor allem Lernende verunfallen überdurchschnittlich häufig im Beruf und in der Freizeit. Gründe dafür orten wir bei der Unerfahrenheit im Beruf und beim teils riskanten Sport- und Freizeitverhalten.
Die psychische Gesundheit spielt dabei ebenfalls eine zentrale Rolle. So verunfallen und verletzen sich Jugendliche häufiger, die gestresst sind, schlecht und zu wenig schlafen oder vermehrt zu Genuss- und Suchtmitteln greifen.
Gibt es hierzu Statistiken?
Leider existieren hierzu keine Statistiken, da psychische Erkrankungen von der Unfallstatistik nicht erfasst werden. Eine Zunahme der psychosozialen Risiken ist jedoch vor allem im Gesundheits- und Sozialbereich zu verzeichnen¹. Generell haben die Hospitalisierungen infolge psychischer Erkrankungen in allen Altersgruppen in den letzten Jahren zugenommen².
Inwiefern ist das für die Suva als Arbeitgeber relevant?
Das Thema psychische Gesundheit ist Teil unseres betrieblichen Gesundheitsmanagements. Im nächsten Jahr wollen wir das Ressourcen-Stressmanagement ausbauen, um so für die Herausforderungen durch Veränderungsdruck und Digitalisierung gerüstet zu sein.
… und als Unfallversicherer?
Unfälle und Verletzungen sind immer ein Zusammentreffen von verschiedenen Risikofaktoren. Stress spielt dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Studien zeigen, dass das Gefühl von Hektik und Zeitdruck das Unfallrisiko vor allem in risikoreichen Branchen massiv erhöht. Eine schlechte psychische Verfassung kann ausserdem zu Schlafproblemen oder vermehrtem Suchtmittelkonsum führen. Beide Faktoren beeinflussen wiederum das Unfallrisiko. So erleiden Personen mit Schlafproblemen und mit zu wenig Schlaf fünfmal so häufig Stolper- und Sturzunfälle bei der Arbeit.
Mit der Kampagne «Sichere Lehrzeit» unterstützen wir Lehrbetriebe bei der Unfallprävention. Wir beraten Betriebe, wie sie mit ihren Lernenden Themen wie Stresssituationen, Ressourcen, höhere Arbeitsbelastungen, genügend Schlaf oder Fitness angehen können. In Kursen und Schulungen thematisieren Arbeitssicherheit-Spezialisten zudem die erhöhte Unfallgefährdung von Lernenden und die besonderen Präventionsanforderungen dieser Zielgruppe.
Wodurch unterscheiden sich die Bedürfnisse der Jugendlichen von jenen der Erwachsenen?
Der Start in der neuen Arbeitsumgebung und in der Berufsschule kann bei Jugendlichen einen hohen Erwartungsdruck auslösen. Gleichzeitig ist es die Zeit der Abnabelung von zu Hause mit zunehmender Bedeutung von Freundschaften. Jugendliche sind somit einem sehr grossen Anpassungs- und Veränderungsdruck unterworfen. Grundsätzlich unterscheiden sich ihre Bedürfnisse aber nicht massiv von jenen der Erwachsenen: Jugendliche wollen ernst genommen werden, fordern einen wertschätzenden Umgang und benötigen ein gewisses Verständnis für die Entwicklungsphase, in der sie sich befinden. Dabei sind klare Vorgaben und Leitplanken wichtig, ebenso verlässliche Vorbilder, an denen sie sich orientieren können.
Welche Instrumente stellen Sie Ihren Versicherten zur Verfügung?
Wir unterstützen Betriebe und deren Mitarbeitende mittels Kampagnenelementen und mit unseren Angeboten und Präventionsmodulen zum Ressourcen- und Stressmanagement. Dabei weisen wir die versicherten Firmen auch auf Analyseinstrumente wie FWS Job-Stress-Analysis oder den StressNoStress-Check³ hin. In den Sicherheitslehrgängen der Suva und im Lehrgang Betriebliches Gesundheitsmanagement, den wir in Kooperation mit Gesundheitsförderung Schweiz anbieten, zeigen wir Unternehmen Wege und Instrumente auf, welche die psychische Gesundheit aller Mitarbeitenden erhalten und fördern sowie Unfälle und Verletzungen verhindern.
Quellen:
- ¹ Schweizerische Gesundheitsbefragung 2017 – Arbeit und Gesundheit: bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitszustand/allgemeiner.assetdetail.9366231.html
- ² Hospitalisierungsrate bei psychischen Erkrankungen: obsan.admin.ch/de/indikatoren/hospitalisierungsrate-bei-psychischen-erkrankungen
- ³ StressNoStress-Check: stressnostress.ch