Rechte und ungeschriebene Gesetze während der Lehrzeit
Für junge Menschen ist die Lehre der langersehnte Start ins Berufsleben – für Unternehmen stellt sie eine erstklassige Möglichkeit dar, die Zukunft der eigenen Firma und Branche durch Nachwuchskräfte zu sichern. Beide Seiten besitzen innerhalb dieses besonderen Arbeitsverhältnisses ihre jeweiligen Rechte und Pflichten.
Abendarbeit ist für 16- bis 17-Jährige bis 22 Uhr erlaubt, vor Schultagen bis 20 Uhr. (Illustration: iStockphoto)
Dürfen Lernende in der Nacht arbeiten? Wie weit kann der Lehrbetrieb Vorschriften bei den Kleidern machen? Hier die Antworten auf die meistgestellten rechtlichen Fragen rund um die Lehrzeit.
Der Lehrvertrag
Zu Beginn des Lehrverhältnisses steht der Lehrvertrag (Art. 344–346a OR). Als spezielle Form eines Arbeitsvertrags ist er für alle Berufe einheitlich (downloadbar zum Beispiel unter http://lv.dbk.ch) und steht unter Kontrolle des Berufsbildungsamts. Ein Lehrvertrag ist auf die voraussichtliche Dauer der Lehre befristet. Die zu vereinbarenden Punkte – wie Wochenarbeitszeit, Ferien oder Lohn – sind somit bis zum Ende der Lehre verbindlich geregelt. Es ist sinnvoll, auch weitere Fragen abschliessend zu klären, wie beispielsweise die finanzielle und zeitliche Beteiligung des Lehrbetriebs an Sprachaufenthalten.
Die Ausbildung – das Ziel der Lehre
Die wohl wichtigste Pflicht des Lehrbetriebs ist die Ausbildung der lernenden Person. Der Berufsbildner plant, organisiert und koordiniert die Ausbildung im Betrieb auf Basis des reglementierten Ausbildungsplans und ist die wichtigste Ansprechperson während der gesamten Lehre. Er ist verantwortlich dafür, dass die betriebliche Ausbildung möglichst gut mit dem Unterricht an der Berufsfachschule und den überbetrieblichen Kursen (üK) abgestimmt ist. Lernende haben ein Anrecht auf regelmässige Standortbestimmungen: Die Berufsbildnerin bespricht mit dem Lernenden die gegenseitigen Erfahrungen, die Fortschritte und die gesetzten Ziele.
Der Arbeitgeber kann auf der anderen Seite den nötigen Einsatz der Lernenden erwarten, sodass die gesetzten Ausbildungsziele erreicht werden können. Die Lernenden dürfen jedoch nur Arbeiten ausführen, die im Zusammenhang mit ihrem zu erlernenden Beruf stehen. Es ist statthaft, dass ein KV-Lernender kleinere sonstige Aufgaben übernimmt, wie beispielsweise die Pflanzen zu giessen. Hingegen kann nicht verlangt werden, dass er jeden Freitagnachmittag die Büroräumlichkeiten putzt.
Arbeitszeit und Ferien
Die festgelegte Wochenarbeitszeit gilt selbstverständlich auch für Lernende. Dabei ist ein Schultag wie ein voller Arbeitstag zu werten. Ansonsten bestehen aber einige gesetzliche Regelungen, die die jugendlichen Arbeitnehmenden speziell schützen.
Überstunden sollten die Ausnahme darstellen, denn sie sind nicht im Interesse der Lernenden, sondern im Interesse des Betriebs. Normalerweise werden sie mit gleich viel Freizeit kompensiert.
Nacht- und Sonntagsarbeit sind bewilligungspflichtig und haben einen Lohnzuschlag zur Folge. Bewilligt werden sie nur dann, wenn die Lehrziele nur dadurch umgesetzt werden können. Abendarbeit ist für 16- bis 17-Jährige bis 22 Uhr erlaubt, vor Schultagen bis 20 Uhr. Für unter 18-Jährige muss die tägliche Ruhezeit zudem mindestens 12 aufeinander folgende Stunden betragen. Die Höchstarbeitszeit für Lernende von 9 Stunden pro Tag darf in keinem Fall überschritten werden.
Bis zum vollendeten 20. Altersjahr haben Jugendliche Anspruch auf mindestens fünf Wochen Ferien. Arbeitnehmerverbände, wie der KV Schweiz, fordern sechs bis sieben Wochen Ferien – nicht zuletzt aufgrund der Doppelbelastung durch Arbeit und Schule. Unter 30-jährige Arbeitnehmende, die sich in ausserschulischer Jugendarbeit engagieren, können zudem eine Woche unbezahlten Jugendurlaub pro Jahr für die Betreuung oder Leitung von Lagern, Kursen oder Veranstaltungen beziehen.
Knigge für die Lehre
Die Arbeitsbedingungen sind zumeist gesetzlich klar geregelt – für andere Bereiche des Arbeitsalltags trifft dies weit weniger zu. Es lohnt sich deshalb, die ungeschriebenen Gesetze zu formulieren und den Lernenden weiterzugeben. Dabei sollen diese als voll- und gleichwertige Mitarbeitende behandelt werden.
Immer wieder zu Fragen Anlass bietet die Kleidung oder das allgemeine Erscheinungsbild (Piercings, Frisur etc.). Im direkten Kundenkontakt – beispielsweise in einer Bank oder im Detailhandel – darf der Betrieb recht weit reichende Vorschriften machen. Ansonsten sei zu Augenmass geraten: Jugendliche kleiden und stylen sich nun mal anders als Erwachsene. Dies ist mit Blick auf die Persönlichkeitsrechte zu respektieren. Gibt es im Betrieb gewisse Tabus, so sollen diese frühzeitig angesprochen werden.
Konflikte und deren Lösung
Eine Lernende, die sich von einem Mitarbeiter schikaniert fühlt, sollte frühzeitig das Gespräch suchen – ebenso wie ein Berufsbildner, der sich über die wiederholte Unpünktlichkeit des Lernenden aufregt. Tritt keine Besserung ein, können weitere Mittel (zum Beispiel eine Vereinbarung mit klaren Zielen) oder Ebenen (zum Beispiel Personalabteilung, Eltern, letztlich das Berufsbildungsamt) einbezogen werden. Durch frühzeitige Konfrontation und eine schrittweise Eskalation können Schwierigkeiten oft erfolgreich gemeistert werden.
Eine Lehrvertragsauflösung ist nur unter bestimmten Umständen möglich, beispielsweise wenn die Fähigkeiten der Lernenden oder des Berufsbildners zur Beendigung der Lehre nicht ausreichen. Das Berufsbildungsamt kann einen Lehrvertrag zudem von sich aus auflösen (zum Beispiel wenn gesetzliche Regelungen missachtet wurden), ebenso ist eine Auflösung im gegenseitigen Einverständnis möglich.
Erfolgreicher Abschluss
Nach zwei, drei oder vier Jahren kommt die Lehre zum hoffentlich erfolgreichen Ende. Für die LAP-Vorbereitung kann es sinnvoll sein, den Lernenden in der heissen Phase etwas Zeit zur Verfügung zu stellen. Danach ist eine Weiterbeschäftigung im Lehrbetrieb oft für beide Seiten gewinnbringend. Ist dies nicht möglich, muss den Lernenden die erforderliche Zeit für Vorstellungsgespräche gewährt werden. Das Lehrzeugnis bildet schliesslich den formalen Abschluss der Ausbildung und ist eine wichtige Grundlage für die weitere Laufbahn der ehemaligen Lernenden. Es gelten die gleichen Grundsätze wie für ein normales Arbeitszeugnis, darüber hinaus sollte man auf die spezifische Lehrsituation und die Entwicklung der Person vertieft eingehen.