Recruiting Convention 2024: aktuelle Strategien und Trends in der Talentsuche und Mitarbeiterbindung
Die Recruiting Convention 2024 im Lakeside Zürich bot praxisnahe Einblicke in die Zukunft des Recruitings: von datengetriebenem Job-Targeting über Social Media Trends bis zu empathischer Führung und den Chancen und Grenzen von KI im Bewerbungsprozess.
Bild: zVg
Am 3. Oktober 2024 versammelten sich Recruiterinnen und Recruitern aus dem ganzen DACH-Bereich in Zürich, um aus praxisnahen Vorträgen mit Best Practices zu lernen und sich mit ihren Fachkolleginnen und -kollegen auszutauschen. Doch als Matthias Mäder von Prospective Media die Recruiting Convention 2024 endlich eröffnete, blieben einige der Plätze im Lakeside Zürich ungewohnt leer.
Zugverspätungen hinderten Teilnehmerinnen und Teilnehmer daran, rechtzeitig zur Convention zu finden. Vielleicht seien da zu viele Interessierte auf einmal angereist, scherzte Live-Cartoonist Jonas Raeber – und kehrte so das anfängliches Pech zum Insider-Witz des Tages, welches er in seinem Comic-Zusammenfassungen immer wieder aufgriff.
Während sich der Saal allmählich mit den verspäteten Recruiterinnen und Recruitern füllte, begann Marcel Rütten von HR4Good mit seinem Input «Mit Recruiting Analytics zu Recruiting Excellence». Er zeigte auf, warum Analytics für Recruiting wichtig sind und wie sie die Candidate Journey verbessern können. Seine bildliche Darstellung der Kandidatenreise (vergleichbar mit einem Trichter) veranschaulichte, wie Tausende von Klicks auf die Karriereseite letztendlich nur zu einigen wenigen Bewerbungen führen. Mit Analytics lässt sich herauszufinden, an welcher Stelle potenzielle Bewerberinnen und Bewerber abspringen. Einmal identifiziert, kann man diese Hürden optimieren. «Wir müssen im Recruiting erwachsen werden», mahnte Rütten. Dazu gehöre auch den Reifegrad der eigenen Recruiting-Strategie mithilfe einer Scorecard ernsthaft zu bewerten, um Verbesserungen zu tracken und kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Wenn es um Talent Attraction geht, führt kein Weg an Social Media vorbei. Julia Böttcher von der Techniker Krankenkasse stellte in ihrem Input «Tiktok, SEO und KI: Social Media Trends im Personalmarketing» fünf grosse Social Media-Trends vor, die aktuell das Personalmarketing prägen:
- YouTube: In Deutschland und der Schweiz stark verbreitet, insbesondere bei Gen Y und Gen Z. Nebst Videos auf dem eigenen Kanal, empfiehlt sie Anzeigen zu schalten, wie auch Playlists zu relevanten Themen zu erstellen. Neu bietet das Format «Shorts» Möglichkeiten für authentische Arbeitgebereinblicke an.
- TikTok: Mit einem wachsenden Nutzerkreis, auch bei älteren Zielgruppen, ist TikTok eine Plattform, die viel Engagement mitbringt. Böttcher betonte, dass die Zusammenarbeit mit Content Creators besser sei, wenn man selbst noch keine Reichweite hätte. Da die Inhalte in ihrem eigenen Stil und Format seien, steigere sie die Authentizität der Botschaft.
- Reddit: Ein wachsendes, forenartiges Netzwerk, das sich speziell für IT-Recruiting eignet und zum Werben vergleichsweise günstig ist. Memes funktionieren gut – am besten fragt man die IT-Belegschaft nach Impulsen, damit die Witze auch ankommen, empfiehlt Böttcher.
- LinkedIn: Mehr User nutzen die Plattform auch privat, was das Vertrauen in das Netzwerkstool stärkt. Die Techniker Krankenkasse nutzt gezielt Unternehmensbotschafterinnen und -botschafter, die sie unterstützt und weiterbildet, um das Profil auf LinkedIn zu pflegen und die Markenbekanntheit zu steigern.
- Threads: Die textfokussierte Twitter/X-Alternative von Meta bietet Potenzial, sobald es sich etabliert hat. Aktuelle App-Trends zu beobachten, bevor man investiert, ist sinnvoll.
Sie stellte heraus, dass Social Media kein riesiger Aufwand sein muss, besonders da man sich von KI unterstützen lassen könne: «Das kann ein Sparringspartner bei der Text und Grafikerstellung sein.»
Den Kostenvorteil der geschickten Datennutzung griff Matthias Mäder von Prospective in «Wie Programmatic Job Advertising die Rekrutierung verändern wird» auf. Wolle man den Fachkräftemangel effektiv überwinden, müsse Recruiting mehr denn je ihre Entscheidungen aufgrund von messbaren Fakten fällen, und weniger auf Bauchgefühl. «Das Ziel wäre, weniger zu investieren, aber dafür richtig.» Hier helfe Programmatic Job Advertising, ein datenbasiertes System zur Optimierung von Jobanzeigen. Regelmässige Performance-Meetings, helfen dabei, den Bedarf der jeweiligen Position zu bestimmen.
Am Nachmittag ging es mit Ali Mahlodji von whatchado und futoreOne weiter. Die Leidenschaft für sein Thema «Generation Next – Führung neuer Generationen» war geradezu ansteckend. In einem kleinem Publikumsexperiment zeigte der Österreicher auf, welche unbewussten Vorurteile sich in unserer Gesellschaft hartnäckig halten. Wolle man die Welt verändern, müsse man mit der Bildung beginnen, denn «sie macht Menschen handlungsfähig». Viele Ängste seien erlernt – als Vater wolle er ermöglichen, dass seine Kinder in der zukünftigen Gesellschaft aufblühen können. Deshalb strich er die Bedeutung von Empathie in der Führungskultur und einer gesunden Fehlerkultur hervor, denn sie fördere Selbstverantwortung, Neugierde und damit auch Innovation. Anhand seiner eigenen Geschichte zeigte Mahlodji dann, wie Purpose die Resilienz stärkt: «Wer ein Warum hat, erträgt fast jedes Wie.»
Danach ging es weiter mit der kritischen Fragestellung «KI im Bewerbungsprozess: Was ist, wenn sich Unternehmen und Bewerbende am Ende ein «Rattenrennen» liefern?». Der Einsatz von KI könne die Effizienz in der Stellenanzeigengestaltung, im Video-Interview und im Jobmatching erhöhen, erklärte Jo Diercks von Cyquest. Doch auch Bewerberinnen und Bewerber können sich mit KI Vorteile auf dem Stellenmarkt erschaffen – bis hin zu Deepfakes, die in Video-Interviews überzeugend echt wirken. Einer versucht, den nächsten zu übertrumpfen: «Führen wir das ganze Spiel ab absurdum?», fragte Diercks das Publikum. Zusätzlich müsse beachtet werden, dass KI nicht mit Analogien, sondern mit Wahrscheinlichkeiten arbeite – und dabei öfters mal falsch interpretiert. Zum Beispiel würden Vorurteile ganz einfach reproduziert werden. «KI ist unglaublich smart, aber auch ziemlich doof», warnt Diercks vor den ethischen Fragen hinsichtlich Transparenz und Fairness beim Einsatz von KI.
Auch David Luyet von Swisscom lieferte ein Wettrennen – gegen die Zeit. In Windeseile erklärte er in «Don’t chase – Attract!» wie das Telekommunikationsunternehmen Fluktuation mindert, indem es wechselbereite Mitarbeitende zunächst mit einem internen Mobilitätspool abholt. Als «Talent of the Week» wird jede Woche ein anderes Profil überprüft und mit offenen Stellen verglichen um die hohe Internal Staffing Rate von 60 Prozent zu erhalten. Wenn neue Fachkräfte rekrutiert werden müssen, setzt das Team nicht auf externe Agenturen, sondern auf kreative Eigeninitiative: «Wir sind davon überzeugt, dass die Mitarbeitenden die besten Ideen haben.» Deshalb pflegen die Lernende den TikTok-Kanal autonom, Kampagnen-Videos werden von internen Mediamatikern erstellt, und die Vorteile von Swisscom als Arbeitgeberin von einem Ambassadoren-Netzwerk aus 500 Mitarbeitenden nach aussen getragen.
Den Zeitverlust durch die Zugverspätungen holte Luyet mit seinem Schnelldurchlauf auf – pünktlich und mit frischen Ideen inspiriert konnten Teilnehmende und Speakers den Tag am Netzwerk-Apéro abklingen lassen. Das Fazit der Recruiting Convention 2024: Ein datengetriebener Recruiting-Prozess und ein authentisches Employer Branding sind die Schlüssel zur Anziehung und Bindung qualifizierter Talente.