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Salärsysteme: Weg von der 
Best Practice, hin zum Best Fit

Transparent, nachvollziehbar und auf die Unternehmensziele und -kultur massgeschneidert – so präsentiert sich gemäss verschiedenen Fachleuten ein möglichst ideales Salärsystem. Ob Boni ausbezahlt werden oder nicht, spielt darin nur noch eine untergeordnete Rolle.

Während feste Managergehälter bis weit in die neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Regel waren, hat sich «Pay for Performance» seit rund zehn Jahren sowohl in Grossbetrieben als auch in mittelständischen Unternehmen als Inbegriff fortschrittlicher Managementmethoden durchgesetzt. Die Begründung: Nur wenn man den Managern ein (monetäres) Rüebli vor die Nase hängt, laufen sie in die richtige Richtung.

Keine Lohnsysteme ab der Stange

Dass dies so einfach nicht ist, haben wissenschaftliche Untersuchungen zum Beispiel von Professor Margit Osterloh von der Universität Zürich schon vor bald zwei Jahren belegt. Und seit dem Zusammenbruch des Finanzsystems Ende des vergangenen Jahres dämmert es auch Politikern und Wirtschaftsführern, dass hohe Chefsaläre nicht zwingend zu hohen Unternehmensperformances führen. Im Gegenteil: Noch nie in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte hat es so viele Konkurse, Missmanagements, Betrügereien und Bereicherungen gegeben wie in den vergangenen Jahren.

Viele HR-Verantwortliche, aber auch Geschäftsleitungsmitglieder stellen sich 2009 die Frage: Wie weiter mit den Lohnsystemen? Fakt ist: Das ideale Vergütungssystem existiert nicht. Urs Suter, Senior Consultant beim auf Salärvergleiche spezialisierten Beratungsunternehmen Cepec und selber langjähriger HR-Verantwortlicher in internationalen Unternehmen, rät davon ab, das perfekte System zu suchen. «Wie bei jedem System gibt es auch bei den Salärsystemen nur Annäherungen, die höchstens zu 90 Prozent perfekt sein können. Eine sinnvolle Praktikabilität ist wichtiger als die theoretische Vollkommenheit.»

Auch Barbara Stoelker Reithaar, Dozentin an der School of Management and Law der ZHAW, glaubt nicht an das perfekte und vor allem gerechte Salärsystem. Sie rät den Firmen dazu, vom Best-Practice-Ansatz wegzukommen und sich dem Best-Fit-Ansatz zuzuwenden. «Wer ein Bonus- oder Lohnsystem ab der Stange sucht oder sich einfach einem Trend anhängt, wird kaum Erfolg haben», konstatiert sie. «Den Verantwortlichen für Salärsysteme ist zu empfehlen, ein Salärsystem zu entwickeln, das die Ziele der Unternehmensstrategie umzusetzen vermag und zur Firmenkultur passt.» Der eingeschlagene Weg sollte alle zwei, drei Jahre wieder überprüft und wenn nötig angepasst werden. Und ganz wichtig: «Variable Lohnbestandteile sollten auf diejenigen Mitarbeitenden beschränkt sein, die einen entscheidenden Einfluss auf die Unternehmensperformance haben, und nicht über alle Hierarchiestufen hinweg verteilt werden.»

Fallbeispiel Swisspor

Die Swisspor-Gruppe beherzigt diese Maxime schon seit langem. «Lediglich Kader- und Aussendienstmitarbeitende erhalten neben dem Lohnfixum zusätzlich einen variablen und von der Wertschöpfung abhängigen Lohnbestandteil», umreisst Kommunikationsverantwortliche Cornelia Schaub die Lohnpolitik des Dämmstoffherstellers. «Im Verhältnis zum Grundlohn bildet Letzterer aber nur eine kleine Komponente.» Ein Unikum stellen allerdings die «Superboni» dar. Geht es der Firma gut, so erhalten alle Mitarbeitenden von der Putzfrau bis hin zum CEO einen Extrabatzen – und zwar jeder und jede in derselben Höhe. Festgelegt wird diese Superbonus-Summe durch Bernhard Alpstäg, den Eigentümer, CEO und Patron des Unternehmens. «Mit diesem Geldgeschenk möchten wir allen Mitarbeitern danke sagen und sie am Erfolg teilhaben lassen.»

Fallbeispiel Siemens Building 
Technologies

Solche Ermessensboni seien für inhabergeführte Unternehmen richtig, betont Urs Suter. «Denn ein Patron kennt meistens alles seine Mitarbeitenden.» In managergeführten Unternehmen seien sie aber unbrauchbar. «Denn hier kennen die Chefs im besten Fall gerade mal die zwei obersten Führungsstufen.» Wenn hier Boni eingesetzt werden, so Suter, dann nur in messbarer Form. «Diese und das Salärsystem allgemein sollten eng an ein messbares System wie zum Beispiel die Balanced Scorecard gekoppelt sein.» Zudem sollten die Vergütungssysteme so gestaltet sein, dass eine innerbetriebliche Lohngerechtigkeit herrscht. «Wenn ich nämlich nicht verstehen kann, warum mein Büronachbar 50000 Franken mehr verdient als ich, dann bin ich auch mit allem Geld der Welt und anderen Retention-Massnahmen nicht mehr motivierbar».

Transparenz und Nachvollziehbarkeit stehen im Zusammenhang mit den Löhnen seit bald zehn Jahren auch im internationalen Headquarter der Division Building Technologies (BT) des Siemens-Konzerns an oberster Stelle. «Wir sind eine Ingenieur-Firma, das spiegelt sich auch in unserem Vergütungssystem. Das Bonussystem ist komplex, aber nachvollziehbar und direkt mit dem Unternehmenserfolg verknüpft», erklärt Sabine Schibli, Head Compensation Benefits BT-Hauptsitz in Zug.

In diesem System seien zwar von der Produktion bis zum Management alle Mitarbeitenden mit einem Zielwert am Unternehmenserfolg beteiligt. «Doch während diese Zielwerte bei Mitarbeitenden in der Produktion lediglich bei 2 bis 5 Prozent des Fixgehalts liegen, kann der variable Lohnbestandteil bei Kaderleuten nochmals bis zur Hälfte des Fixlohnes ausmachen». Letztere haben denn auch keine Garantie für einen Bonus. «Die Höhe des Betrages hängt aber vom Erfüllungsgrad der zu Beginn des Jahres definierten Ziele ab», so Schibli.

Finanzielle Anreize und 
Firmenkultur: Beides ist wichtig

Und diese Ziele sind stark diversifiziert. Sie hängen einerseits an den globalen BT-Finanzzielen sowie an verschiedenen anderen Unternehmenszielen. Daneben erhält jeder Mitarbeitende auch individuelle Ziele. «Eine solche Diversifikation ist nötig, damit niemand einfach nur seine persönlichen Ziele und damit seinen persönlichen Bonus maximieren kann, sondern alle am selben Strick ziehen müssen», erklärt die Compensation-&-Benefits-Verantwortliche. Zudem legt sie Wert darauf, zu betonen, dass BT die Wertschätzung gegenüber ihren Angestellten nicht allein durch die Höhe der Vergütung ausdrücke. «Innerhalb unserer Industrie haben wir sehr gute Anstellungsbedingungen, die für die Mitarbeitenden mehr zählen als ein hoher Bonus.»

Dass exorbitante Löhne nichts bringen ausser Neid, Missgunst und Gier, da sind sich alle Fachleute einig. «Monetäre Anreize völlig zu verteufeln, ist aber auch falsch», sagt Cepec-Berater Urs Suter. «Wir alle sprechen auf Geld an. Aber erst wenn daneben auch noch die Firmenkultur und die persönliche Balance stimmen und die Übereinstimmung der Bonusziele mit den langfristigen Unternehmenszielen gegeben ist, schaut sowohl für das Unternehmen als auch für den Mitarbeitenden das Optimum dabei heraus.»

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Sandra Escher Clauss ist freie Journalistin.

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