Schadenersatzanspruch gegen Arbeitnehmer – ohne substantiierte Behauptung kein Beweisverfahren
Urteil des Bundesgerichts vom 16. Juli 2012 (4A_125/2012).
Das Urteil
Der Kläger arbeitete vom Oktober 2008 bis Januar 2009 als Betriebsmechaniker bei der Beklagten. Wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung, Überstunden und nicht bezogener Ferien belangte der Kläger die Beklagte vor dem Arbeitsgericht Rheintal auf Bezahlung von 30 000 Franken brutto. Die beklagte Arbeitgeberin verlangte die Abweisung der Klage und erhob gleichzeitig eine Widerklage gegen den ehemaligen Arbeitnehmer. Sie verlangte, er sei zur Bezahlung von Schadenersatz in durch ein Beweisverfahren zu ermittelnder Höhe von maximal 30 000 Franken zu verpflichten. Als Begründung gab die Beklagte an, der Kläger habe diverse Arbeiten aus seinem Aufgabenbereich schlecht oder gar nicht verrichtet, und durch Fehlmanipula-tionen habe er ihr einen erheblichen Schaden zugefügt. Das Gericht entschied schliesslich zugunsten des Klägers und wies die Widerklage der Arbeitgeberin mit der Begründung ab, der Anspruch sei unsubstantiiert. Die Arbeitgeberin legte daraufhin erfolglos Berufung ein und gelangte an das Bundesgericht.
Die Arbeitgeberin hat als Begründung für ihre Schadenersatzforderung über maximal 30 000 Franken eine Zusammenstellung eingereicht, auf der die dem Arbeitnehmer angelasteten Schäden beziehungsweise 15 Mängel, die angeblich zu Schäden geführt hätten, dokumentiert waren. Eine Bezifferung der Schäden fehlte, weil die Beklagte sich auf den Standpunkt stellte, dass die Höhe der Schäden erst durch eine gerichtlich angeordnete Expertise festgestellt werden müsse. Die Gerichte allerdings sahen dies anders und entschieden, dass keine Expertise angeordnet werden müsse, da über ungenügend substantiierte Tatsachen kein Beweis abzunehmen ist. Die Beklagte hätte im Vorfeld des Prozesses eine Offerte für die Reparatur einholen können und so ohne grossen Aufwand die Höhe ihrer Ansprüche beziffern können. Dann hätte der Kläger sich dazu auch substantiiert äussern und Gegenbeweise anbieten können. Ausserdem hat die Beklagte auch nicht dargetan, inwiefern der ehemalige Arbeitnehmer überhaupt für die geltend gemachten Schäden verantwortlich sei. Deshalb wies auch das Bundesgericht die Beschwerde der Arbeit- geberin ab.
Konsequenz für die Praxis
In der Praxis geschieht es sehr oft, dass sich eine Partei, die sich mit einer Klage konfrontiert sieht, dagegen am liebsten mit einer eigenen Klage zur Wehr setzen möchte. Das ist verständlich, empfiehlt sich aber nur dann, wenn eine solche Klage tatsächlich begründet ist. Ein weiteres praktisches Problem zeigt sich in Prozessen vielfach darin, dass unterschätzt wird, dass geltend gemachte Ansprüche und Behauptungen auch bewiesen werden müssen, soweit das möglich und zumutbar ist. Um Zeit und Geld zu sparen, sollten deshalb Klagen oder Widerklagen nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn sie begründet und beweisbar sind.