Arbeit und Recht

Schadenersatzansprüche sollten spätestens mit 
der letzten Lohnzahlung verrechnet werden

Urteil des Bundesgerichts vom 5. September 2011 (4A_351/2011).

Das Urteil

Seit 1988 war der Kläger als Chauffeur für die Beklagte tätig. Nachdem er Anfang 2007 zum zweiten Mal alkoholisiert einen Unfall verursacht hat, schlossen die Parteien eine Vereinbarung, wonach er auf jeglichen Alkoholkonsum zu verzichten hatte, andernfalls sollte das Arbeitsverhältnis fristlos aufgelöst werden dürfen.

Tatsächlich löste die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis im August 2008 wegen Verletzung dieser Vereinbarung per 
sofort auf. Daraufhin klagte der ehemalige Angestellte den Lohn bis zum Ablauf der
ordentlichen Kündigungsfrist im Umfang von 21 458 Franken sowie eine Entschädigung für die ungerechtfertigte Entlassung ein. Die Arbeitgeberin verlangte Klageabweisung und machte im Verlaufe des Verfahrens die Verrechnung mit Schadenersatzforderungen im Umfang von 48 000 Franken geltend.

Das Arbeitsgericht hiess die Klage des Arbeitnehmers zwar grundsätzlich gut, anerkannte aber auch die Schadenersatzforderung der Arbeitgeberin. Das Obergericht des Kantons Luzern dagegen hiess die Klage im Berufungsverfahren gut. Die Arbeitgeberin habe konkludent auf ihre Schadenersatzforderung verzichtet. Dem Kläger wurden Lohnersatz sowie eine Entschädigung im Umfang von insgesamt 25 000 Franken zugesprochen.

Dagegen erhob die Arbeitgeberin Beschwerde beim Bundesgericht. Sie führte aus, dass sie sowohl in der 2007 geschlossenen Vereinbarung als auch in der fristlosen Kündigung und einem wenige Tage darauf verfassten Schreiben ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass sie sich die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen vorbehalte.

Weil die Arbeitgeberin im Zeitpunkt der Lohnabrechnung die Höhe des entstandenen Schadens bereits hätte quantifizieren können, diesen aber weder mit der letzten Lohnzahlung verrechnet, noch einen entsprechenden Vorbehalt auf der Lohnabrechnung angebracht hatte, ging das Bundesgericht wie schon zuvor das Obergericht davon aus, die Arbeitgeberin habe auf ihren Schadenersatzanspruch verzichtet. Es wurde kritisiert, dass der im Kündigungsschreiben angebrachte Vorbehalt zu allgemein formuliert gewesen sei und die letzte Lohnabrechnung keinen entsprechenden Vorbehalt enthielt.

Konsequenz für die Praxis

Schadenersatzansprüche sollten spätestens mit der letzten Lohnzahlung verrechnet werden. Andernfalls ist unbedingt ein ausdrücklicher Vorbehalt auf der letzten Lohnabrechnung anzubringen. Es ist auch denkbar, sich Schadenersatzansprüche explizit für den Fall einer nachvertraglichen Arbeitsstreitigkeit vorzubehalten. Gerade diejenigen Arbeitgeber, die nicht im Sinne haben, ihre Ansprüche tatsächlich einzufordern, sollten dies bei der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses im Hinterkopf behalten, damit sie nicht Gefahr laufen, dass ihr Verhalten später als Verzicht gewertet wird.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Yvonne Dharshing-Elser arbeitet als Anwältin in der Steuer- und Rechtsabteilung der OBT AG in Zürich. Sie berät vorwiegend KMU in Fragen des Arbeits-, Vertrags- und Gesellschaftsrechts.

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