Interne Kommunikation

Schreiben ist Silber, Reden ist Gold

Sie ist die Basis von allem und doch immer wieder ein 
Problem: die interne Kommunikation. Während neue Kanäle 
die Möglichkeiten sprengen, fehlt es oft am Naheliegendsten. Vier Experten über das Reden und Schreiben im Unternehmen.

Wer etwas zu sagen hat, muss zuerst denken. Spontanes Losplappern ist im Geschäftsalltag nicht angebracht. Zu viel steht auf dem Spiel: Die Botschaft kann falsch verstanden werden, schlechte Emotionen hervorrufen, Vertrauen zerstören.

Gerade das HR hat diesbezüglich eine grosse Verantwortung. Oft im Kontakt mit Mitarbeitern ist die Frage nach dem korrekten Ton, der passenden Sprache, der richtigen Menge an Information allgegenwärtig. Das sollte sie zumindest sein, denn wer sich seiner Kommunikation zu sicher ist, hat schon verloren. «Den absoluten Machbarkeitsglauben muss man aufgeben», sagt Professorin Jacqueline Holzer, Sprach- und Wirtschaftswissenschaftlerin an der Hochschule Luzern. «Die Sicherheit, dass eine Botschaft bei allen so verstanden wird, wie ich sie gemeint habe, gibt es nicht. Denn Kommunikation ist ein laufender Prozess, ein Element knüpft an ein anderes an.» Dieser Prozess lässt sich nicht kontrollieren. Es ist ein dynamischer Vorgang, bei dem der Sender auch darauf vertrauen muss, dass er richtig verstanden wird.

Nonverbale Kommunikation als Dolmetscher

Vertrauen ist für Jacqueline Holzer der Schlüsselbegriff, die Basis jeder Kommunikation. «Wenn Mitarbeiter kein Vertrauen haben, kann jede noch so deutlich formulierte Mitteilung falsch verstanden werden.» Kommunikation brauche einen Vertrauensvorschuss, gleichzeitig schaffe sie Vertrauen.  Ausschlaggebend dafür ist unter anderem die Unternehmenskultur. Sie bestimmt, wie in einem Unternehmen miteinander umgegangen wird, wie man sich begegnet, wie an Sitzungen miteinander gesprochen wird. Wie diese Kultur aussieht, ist laut Holzer weniger wichtig, als dass sie authentisch ist und wirklich gelebt wird. Fast nichts ist vertrauensvernichtender, als wenn zwischen dem realen Alltag und der nach aussen kommunizierten Firmenkultur eine Lücke klafft.

Eine Unternehmenskultur zu konstruieren ist wiederum nicht möglich ohne Kommunikation. Denn der Sinn eines Wortes ist nie eindeutig und hängt immer vom Kontext ab. Damit man sich richtig versteht, müssen die Bedeutungen ausgehandelt werden, muss eine gemeinsame Basis vorhanden sein. «Darum ist es für Führungskräfte sehr wichtig, die Firmengeschichte zu kennen. Nur so können sie die Unternehmenskultur verstehen und nachvollziehen, wie kommuniziert und verstanden wird», sagt Holzer. Ein zweiter Punkt, um Missverständnisse zu minimieren, ist laut Holzer die Face-to-Face-Kommunikation. «Sie ist in der internen Kommunikation ausserordentlich wichtig. Wenn immer möglich, sollten Mitteilungen persönlich überbracht werden, sollten Chefs und Personalleiter den direkten Kontakt mit Mitarbeitern suchen.» Der Grund ist einfach: Nur so wird auch die nonverbale Kommunikation wahrgenommen, die wie ein Dolmetscher wirken kann und Orientierungshilfe ist. Vorausgesetzt, sie ist natürlich und nicht durch gezielte Trainings verfälscht.

Technologiestress statt persönliches Gespräch

Auch Daniel Ambühl, Präsident des Schweizerischen Verbands für interne Kommunikation (SVIK), erachtet es als 
äusserst wichtige Aufgabe der internen Kommunikation, das persönliche Gespräch zu pflegen und zu suchen. Leider aber fehle heute vermeintlich oft die Zeit für die nicht-schriftliche Kommunikation. Ein Grundproblem, vor allem in den HR-Abteilungen. Zu viele andere Aufgaben würden anstehen, zu sehr würde von oben an Ressourcen gespart. «Kommunikation ist wie Quecksilber – beweglich, flüssig, nicht konstant. Viele sind dem nicht mehr gewachsen», sagt Ambühl.

Diese Entwicklung wird durch die neuen Kommunikationskanäle verstärkt, wir kommen in einen «Technologiestress», wie Ambühl sagt. «Mit der Auswahl wird es immer schwieriger zu wissen, welcher Kanal der passende ist.» Durch die technische Kommunikation werden zahlreiche Inhalte verteilt, oft ohne dass auf der anderen Seite ein Empfänger ist. «Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass eine Nachricht alle erreicht, wenn ich sie wahllos versende.»

Alte Kommunikationszöpfe abschneiden

Andreas Jäggi sieht noch ein anderes Problem in den modernen Kurznachrichten begründet: Vielen fehlt es beim Schreiben längerer Texte an Übung. «Schreiben lernt man durch Schreiben», sagt Jäggi, Studienleiter CAS Interne/HR-Kommunikation an der Hochschule für Wirtschaft Zürich. Wer sich unsicher fühlt, soll seine Texte zwischendurch von einem Profi analysieren lassen. «Oft hilft es schon, wenn ein Kollege den Text noch durchliest. So wird klar, ob der Leser versteht, was ich sagen will.» Das Gegenlesen eignet sich auch, um alte Kommunikationszöpfe abzuschneiden. «Viele Firmen haben eine Corporate Language im negativen Sinn: Wiederkehrende Floskeln und Formulierungen, die nicht mehr zeitgemäss sind», sagt Jäggi. Gerade HR sei nicht immer vorbildlich, was gute, klar verständliche Texte angeht. Zu oft werden Fachbegriffe oder eine Amtssprache gebraucht oder es werde schöngeredet, statt die Dinge beim Namen zu nennen. Zu oft werden Verneblungsaktionen durchgeführt, statt klar zu kommunizieren. Laut Jäggi ein Fehler: «Die interne Kommunikation wird so nicht mehr ernst genommen.» Er empfiehlt, sich immer von Anfang an transparent und unmissverständlich zu äussern. Worst Case sei, wenn im Nachhinein nach unten nachkorrigiert werden müsse.

Dafür darf bei positiven Nachrichten aufgetrumpft werden. «Kommunikation beschränkt sich nicht darauf, Infos auszutauschen. Sie kann etwas bewegen, Verhaltensänderungen auslösen. Dafür müssen Emotionen angesprochen werden.» Eine Chance, die viele Firmen verspielen, indem sie nur noch auf Englisch kommunizieren. «Herzen gewinnen Sie, wenn sie Mitarbeiter in ihrer Muttersprache ansprechen.»   

Interview mit Seraina Mohr, 
Leiterin Competence 
Center Online-
Kommunikation an der Hochschule Luzern.

Frau Mohr, vereinfachen Social Media die interne Kommunikation oder machen sie sie noch komplexer?

Seraina Mohr: Zurzeit wird sie komplexer, weil so viele Kommunikationskanäle zur Verfügung stehen. Neue kommen dazu, alte werden aber nicht abgeschafft. Oft fehlt der Mut, sich klar für oder gegen neue Tools zu entscheiden. Das führt zu Doppelspurigkeiten.

Welche Kanäle sind Auslaufmodelle?

Das kommt auf das Unternehmen an. Aber Intranet beispielsweise, das von ausserhalb des Büros nicht zugänglich ist, ist veraltet. Viele wissen das und verschicken dann Meldungen vom Intranet zur Sicherheit auch noch per Mail. Das schwächt die Relevanz des Intranets und führt zu einer unnötigen «Schattenbuchhaltung».

... und Mitarbeiter werden mit Infos überhäuft ...

Richtig. Die Informationsflut ist auch innerhalb von Unternehmen ein Thema und zählt zu den grossen Herausforderungen.

Wie kann sie eingedämmt werden?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Meiner Meinung nach sind Bevormundungsmodelle, wie beispielsweise das Abschalten des Mailservers nach 22 Uhr, ein zu grosser Eingriff in die persönliche Freiheit. Besser würde ich finden, wenn von den Verantwortlichen selektiert wird, was aus dem Informationsmeer wirklich wichtig für die Mitarbeiter ist. Für die Transparenz würden dann zwar allen Mitarbeitern Infos zur Verfügung stehen, doch als eine Art Servicedienstleistung würden die Vorgesetzen die Informationen selektieren und über die aus ihrer Sicht wirklich relevanten Themen informieren.

Wofür eigenen sich Social Media?

Social Media eigenen sich sehr gut für das Wissensmanagement und die Organisation von Zusammenarbeit. Sie sind aber kein Ersatz für eine saubere interne Kommunikation.

Wie meinen Sie das?

Sie ersetzen nie den persönlichen Kontakt, den ich für sehr wichtig halte. Zurzeit wird in vielen Unternehmen viel zu stark auf die schriftliche und die digitale Kommunikation gesetzt. Das ist ein Fehler. Sie wird zu wenig gezielt eingesetzt, es entstehen schnell Missverständnisse, weil die Aussagen gerade bei der Kommunikation per Mail oder via Social Media oft aus dem Kontext gerissen werden.

Wie ist es mit CEO-Blogs?

An sich ein schönes Tool, um die Kommunikation offener und weniger hierarchisch zu gestalten. Es funktioniert aber nur, wenn der CEO motiviert ist, einen Blog zu betreiben. Das erfordert viel Zeit und Aufwand. Mancherorts werden die Beiträge darum von der Kommunikationsabteilung geschrieben, der CEO partizipiert selber nicht. Das ist nicht der Sinn der Sache.

Vielerorts sind bloggende Chefs enttäuscht, weil kein Dialog stattfindet.

Ich denke, das gehört zu einer unterschätzten Herausforderung in der Online-Kommunikation: Es braucht viel Zeit, bis sie sich in einem Unternehmen etabliert. Vor allem aber braucht es eine gute Einführung, nur schon wegen dem Generationen-Gap.

Durch Kurse?

Es braucht eine Analyse, welche Kommunikationsinstrumente zur Unternehmenskultur passen, eine Strategie, was man mit der Kommunikation erreichen will. Dann ist ganz wichtig, dass Schlüsselfiguren die gewählten Kanäle aktiv nutzen. Auch Schulungen sind notwendig. Oft wissen die Mitarbeiter nicht, was sie dürfen und was nicht. Sie sind unsicher, ob Kritik tatsächlich erwünscht ist. Es ist ein typischer Change-Prozess, der einen langen Atem erfordert.

Dürfen Firmen vorschreiben, was Mitarbeiter «liken» oder kommentieren sollen?

Das finde ich äusserst heikel. Aber viele Unternehmen fürchten, wenn sie durch Social-
Media-Plattformen die Kommunikation öffnen, dass die Seiten zu öffentlichen Klagemauern verkommen. Unsere Erfahrung zeigt ein anderes Bild. Personen, die im Rahmen des Intranets kritisieren, exponieren sich stark und gehen das grössere Risiko ein als die Firma, die den Dialog eröffnet. Als Unternehmen hätte ich eher Angst, dass gar nichts passiert auf meinen Plattformen.

Wie lässt sich das verhindern?

Durch eine gute Einführung, Vorbilder und ein Management, das wirklich hinter Social Media steht. Zudem muss auf Kommentare, Kritik, und Inputs von Mitarbeitern eingegangen werden. Chefs sollten sich dafür bedanken und bestätigen, dass sie die Rückmeldung gerne prüfen. Eine gewisse Verbindlichkeitsstufe wird wieder wichtiger. Eigentlich ist das eine Rückkehr zu den Basics der Kommunikation.

 

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