Schulungsraum oder Internet?
Lieber Präsenzunterricht oder virtuelles Klassenzimmer? Die beste Lösung ist kein Entweder-oder, sondern der kluge Mix. Etablierte Präsenzmethoden werden durch Online- und Web-basiertes Training angereichert – und umgekehrt.

(Bild: Tanja da Silva)
In ein paar Jahren werde es keine Klassenzimmer mehr brauchen – so wurde in der Anfangszeit des E-Learnings der Tod des Klassenzimmers ebenso euphorisch prophezeit wie die Geburt des papierlosen Büros. Und heute? Genau wie Papier im Büro gibt es heute noch Klassenzimmer und Präsenzunterricht, allerdings wurden und werden sie auch in Zukunft stark beeinflusst von neuen Technologien und Methoden.
Personalverantwortliche können ein Lied davon singen, wie schwierig es ist, mehrere Mitarbeitende für eine Präsenzschulung zu koordinieren. Stecken die einen gerade bis zum Hals in aktuellen Projekten, sind die anderen im Ausland, krank oder im Urlaub. Gemeinsame, in einer Lernveranstaltung verbrachte Zeit ist rar. Und kostspielig – schliesslich arbeitet nicht, wer lernt. Die Ansprüche an einen Workshop oder ein Seminar sind daher sehr hoch: Niemand darf unvorbereitet erscheinen, die Schulung darf nicht unstrukturiert ablaufen, Referenten und Lehrer müssen in kürzester Zeit das Maximum an Wissen vermitteln. Vor diesem Hintergrund wirkt das virtuelle Klassenzimmer sehr attraktiv, kann es doch zeitunabhängig besucht werden, verursacht keine Reisekosten und erlaubt dennoch den Austausch mit Tutoren, Kollegen und Kolleginnen. Ebenso respektable Gründe werden für den Präsenzunterricht genannt: Wer einem Dozenten oder Trainer gegenübersteht, kann jederzeit Zwischenfragen stellen oder sich mit Kollegen besprechen – alles in allem eine sehr viel sinnlichere und damit den Lernprozess eher förderliche Angelegenheit als die Kommunikation mit einem «Knowledge Avatar».
Schulungsraum oder Internet?
Wahrscheinlich stellt sich die Frage ganz anders, nämlich: Was ist das Ziel der Lernveranstaltung? Der Einsatz der verschiedenen Methoden ist abhängig vom Thema und der Zielgruppe, bestätigt Roger Oberholzer, Chief Learning Officer der ZfU International Business School, wo jährlich über 1000 Referenten in über 400 Management-Weiterbildungen im Einsatz sind. «Während es sinnvoll und praktisch ist, standardisiertes Grundwissen online oder mittels Fernunterricht zu vermitteln, lassen sich komplexere Zusammenhänge kaum so lehren.» Oberholzer nennt als Beispiel Führungsseminare für erfahrene Manager, in denen vornehmlich die Handlungskompetenz gestärkt und reflektiert wird. «Wenn eine Gruppe von Teilnehmern selbst insgesamt über 200 Jahre Führungspraxis mitbringt, sind keine standardisierten Inhalte gefragt, sondern ein Referent, der es versteht, die individuellen Erfahrungen in den Lernprozess einzubeziehen und darauf aufzubauen!»
Virtuell oder real? Möglicherweise wird das Klassenzimmer der Zukunft ganz anders aussehen, als sich der heutige Lernwillige vorstellen kann. Nicht nur die Lernziele und Bildungsbudgets, sondern auch persönliche Vorlieben, Lerngewohnheiten und der Zeitgeist dürften in die zukünftige Inneneinrichtung von Schulungsräumen einfliessen, wie eine Umfrage eines amerikanischen E-Learning-Anbieters zeigte. Auf die Frage, worüber das ideale Klassenzimmer verfügen müsse, antwortete ein User: «Videokonferenz-System, Breitbandanschluss, hochauflösende Bildschirme, Zonen für Gruppenarbeit und: eine exzellente Kaffeemaschine!» Die Chancen stehen gut, dass Lernen in Zukunft müheloser und unterhaltender sein wird als bisher.