Schweizer Arbeitsgesetz gilt nicht für im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer
Urteil des Bundesgerichts vom 11. September 2013 (4A_103/2013).
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Das Urteil
Ein Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, das darauf spezialisiert ist, in Krisengebieten die Verpflegung von militärischen und anderen Organisationen sicherzustellen, betreibt seit 2005 in Kabul in Afghanistan eine Bäckerei und beliefert Truppen mit Brot- und Konditoreiwaren. Mit einem deutschen Bäcker schloss das Unternehmen im April 2005 einen Arbeitsvertrag. Der Arbeitnehmer verpflichtete sich darin für einen monatlichen Nettolohn von 3000 Euro mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 54 Stunden bei einer Sechstagewoche und zehn Wochen Ferien pro Jahr in der Bäckerei der Arbeitgeberin in Kabul zu arbeiten. Die Parteien vereinbarten, dass Überstunden mit dem Lohn abgegolten seien. Der Vertrag wurde schweizerischem Recht unterstellt und als Gerichtsstand vereinbarten die Parteien Glarus.
Im Januar 2009 reichte der Arbeitnehmer Klage gegen seine Arbeitgeberin ein. Er verlangte gestützt auf das Schweizer Arbeitsgesetz rund 120 000 Euro für Mehr-, Nacht- und Sonntagsarbeit.Das Glarner Kantonsgericht verneinte die Anwendbarkeit des Schweizer Arbeitsgesetzes und wies entsprechend die Klage ab. Dagegen erhob der Arbeitnehmer Berufung beim Obergericht des Kantons Glarus. Das Obergericht ging grundsätzlich davon aus, dass das Schweizer Arbeitsgesetz durchaus anwendbar sei. Es wies deshalb die Klage zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurück. Gegen diesen Zwischenentscheid erhob die Arbeitgeberin Beschwerde an das Bundesgericht und das Bundesgericht trat – um ein weitläufiges internationales Beweisverfahren zu vermeiden – darauf ausnahmsweise ein. Gemäss Arbeitsgesetz ist nicht vorgesehen, dass dieses auf im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer direkt Anwendung findet.
In Art. 342 Abs. 2 OR wird aber statuiert, dass, soweit der Arbeitgeber eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung hat, daraus ein zivilrechtlicher Anspruch resultiert. Es stellte sich nun die Frage, ob daraus indirekt abgeleitet werden könne, der Arbeitnehmer könne sich nun eben doch auf das Arbeitsgesetz berufen. Das Bundesgericht entschied, dass es nicht Sinn und Zweck dieser Bestimmung sei, dass das Arbeitsgesetz auch auf ausländische Arbeitsverhältnisse erweitert werde. Die Arbeit im Ausland werde teils unter Bedingungen geleistet, die nicht mit den schweizerischen verglichen werden könnten. So seien etwa die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung in Kabul stark eingeschränkt. Dafür habe der Arbeitnehmer vorliegend zehn Wochen Ferien erhalten, um in die Heimat zurückkehren zu können. Dies wäre nach dem Arbeitsgesetz so nicht möglich. Der Arbeitnehmer hatte auch nicht geltend gemacht, dass die Entschädigung sich auf ausländisches Recht abstützen könne, und so wurde die Klage des Arbeitnehmers vollumfänglich abgewiesen.
Konsequenz für die Praxis
Die Abklärungen der anwendbaren Normen bei internationalen Arbeitsverhältnissen sind aufwendig. Es ist zu begrüssen, dass nun das Bundesgericht nicht auch noch das Arbeitsgesetz für (dauerhaft) im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer für anwendbar erklärt. Zu überlegen gilt aber, ob man bei der Anstellung eines solchen Mitarbeiters die Anwendung des Arbeitsgesetzes nicht gleich explizit im Vertrag ausschliessen sollte.