Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – vorbeugen und richtig handeln
Sowohl das Gleichstellungsgesetz als auch das Arbeitsgesetz verlangen vom Arbeitgeber präventive Massnahmen gegen sexuelle Belästigung. Doch wo fängt sexuelle Belästigung an, wann muss wer eingreifen, und wie geht man bei einem konkreten Fall vor? Die folgende Checkliste fasst die wichtigsten Punkte zusammen. Als Basis dient Informationsmaterial vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann.
Sexuelle Belästigung kann in Worten Gesten oder Taten ausgeübt werden. Ausschlaggebend, ob es um Belästigung geht, ist ob das Verhalten von der betroffenen Person erwünscht ist oder nicht. (Bild: Keystone)
Gemäss einer Untersuchung, die das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau und das Staatssekretariat für Wirtschaft in Auftrag gegeben haben, wurden im Jahr 2007 28 Prozent der befragten Frauen und 10 Prozent der befragten Männer im Verlauf ihres bisherigen Arbeitslebens sexuell belästigt oder haben sich durch entsprechendes Verhalten gestört gefühlt. Das hat nicht nur für die Betroffenen sehr negative Auswirkungen, sondern kann das Betriebsklima vergiften und dem Unternehmen Imageschaden zufügen, da Gerichtsfälle zu sexueller Belästigung gerne von den Medien aufgenommen werden.
Rechtlich gesehen tragen Arbeitgeber die Verantwortung dafür, dass die Würde von Arbeitnehmenden gewahrt wird und sie vor Diskriminierungen am Arbeitsplatz geschützt sind. Es gibt Massnahmen, die Firmen ergreifen können, damit sexuelle Belästigung nicht auftritt. Zuerst gilt es aber zu definieren, was sexuelle Belästigung überhaupt ist.
1. Definition
Unter den Begriff fällt laut dem Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau jedes Verhalten mit sexuellem Bezug oder auf Grund der Geschlechtszugehörigkeit, das von einer Seite unerwünscht ist und das eine Person in ihrer Würde verletzt. Die Belästigung kann mit Worten, Gesten oder Taten ausgeübt werden. Das heisst beispielsweise:
- Anzügliche und zweideutige Bemerkungen über das Äussere von Mitarbeitenden
- Sexistische Bemerkungen und Witze über sexuelle Merkmale, sexuelles Verhalten und die sexuelle Orientierung
- Das Vorzeigen, Aufhängen oder Auflegen von pornographischem Material
- Unerwünschte Einladungen mit eindeutiger Absicht
- Unerwünschter Körperkontakt
- Mitarbeitende werden ausserhalb des Betriebes verfolgt
- Annäherungsversuche mit dem Versprechen von Vorteilen oder Androhungen von Nachteilen
- Sexuelle Übergriffe, Nötigung oder Vergewaltigung
Ausschlaggebend ist nicht die Absicht der belästigenden Person, sondern wie ihr Verhalten bei der betroffenen Person ankommt, ob es erwünscht ist oder nicht.
2. Prävention
1. Am wichtigsten ist, dass sich der Arbeitgeber stark macht für ein belästigungsfreies Klima. Intervenieren Sie, wenn Sie zum Beispiel feststellen, dass sexistisches Material im Betrieb zirkuliert oder wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter Zielscheibe von abwertenden Sprüchen und Witzen ist.
2. Erstellung eines Grundsatzdokumentes mit mindestens den folgenden Punkten:
- Grundsatzerklärung: Der Arbeitgeber bezieht klar Position und informiert, dass sexuelle Belästigung in diesem Betrieb nicht geduldet wird
- Definition: Abstrakte Begriffe mit Beispielen konkretisieren
- Unterstützung für Betroffene anbieten: Arbeitgeber sollten den Mitarbeitenden aufzeigen, an wen sie sich in einem konkreten Fall wenden können und dass sie weder Repressalien noch einen Arbeitsplatzverlust zu befürchten haben
- Sanktionen: Es sollte festgehalten werden, dass belästigende Personen mit Sanktionen zu rechnen haben
3. Das Grundsatzdokument sollte in schriftlicher Form vorliegen und kann mit weiteren Materialien wie beispielsweise Anlaufstellen ergänzt werden. Es muss sichergestellt werden, dass das Dokument allen Mitarbeitern bekannt ist. Arbeitgeber sollten regelmässig über das Grundsatzpapier informieren. Schriftlich oder mündlich. Wenn Sie sich für einen Infoanlass entscheiden, können externe Fachleute zur Unterstützung beigezogen werden.
4. Anlaufstelle: Den Mitarbeitern muss klar sein, an wen (interne oder externe Person oder Stelle) sie sich bei einem konkreten Fall richten können. Eine solche Ansprechperson zu sein ist keine einfache Aufgabe. Falls ihr Betrieb sich für eine interne Ansprechperson entscheidet, muss diese gut auf ihre Aufgabe vorbereitet werden.
3. Vorgehen im konkreten Fall
Unternehmen sind zur Intervention verpflichtet. In der Praxis haben sich verschiedene Verfahren bewährt:
- Informelle Lösung: Mit der Bezeichnung einer Ansprechperson ist ein wichtiger Schritt getan, um Konflikte betriebsintern zu regeln. Auf diese Weise können Konflikte in Gesprächen manchmal einvernehmlich gelöst werden, ohne dass der Arbeitgeber oder eine Führungsperson etwas davon erfährt.
- Betriebsinternes formelles Verfahren: Wird eine Untersuchung des Falls notwendig, muss die belästigte Person eine Beschwerde hinterlegen. Das kann schriftlich oder mündlich erfolgen. Damit gibt die belästigte Person ihr Einverständnis, dass ein formelles Verfahren eröffnet wird. Mit der Untersuchung kann der Arbeitgeber eine Person aus dem Unternehmen beauftragen. Vor allem für kleinere Firmen ist es jedoch empfehlenswert, wenn externe Fachpersonen die Untersuchung vornehmen. Vier Schritte sind in einer internen Abklärung zwingend:
- Die Anhörung der beschwerdeführenden Person
- die Anhörung der beschuldigten Person
- die Suche und Befragung von allfälligen Zeugen
- die Verfassung eines Untersuchungsberichtes
Das ganze Verfahren muss schriftlich festgehalten werden und beide Parteien haben ein Recht auf Aktieneinsicht.
- Betriebexternes formelles Verfahren: Kann betriebsintern keine Lösung gefunden werden, kann die kantonale Schlichtungsstelle angerufen werden. Sie versuchen, zwischen den Parteien eine Einigung herbeizuführen. Ihre Aufgabe beschränkt sich darauf, zu vermitteln. Gelingt dies nicht, muss die klagende Partei innert drei Monaten vor Gericht einklagen. In einigen Kantonen ist der Weg über das Schlichtungsverfahren vor dem Gang zum Gericht obligatorisch, in anderen fakultativ. Das Schlichtungsverfahren ist kostenlos.
- Gerichtliches Verfahren: Belästigte Personen können vor Gericht beantragen, dass eine Diskriminierung wie die sexuelle Belästigung festgestellt und beseitigt beziehungsweise in Zukunft unterlassen wird. Als Arbeitgeber können Sie zu Entschädigungszahlungen und zur Leistung von Schadenersatz sowie Genugtuung verpflichtet werden.
Weiterführende Informationen und Beispiele für Merkblätter und Reglemente sowie nützliche Adressen finden Sie auf der Website des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Mann und Frau EBG: www.sexuellebelaestigung.ch
Adressen der kantonalen Arbeitsinspektorate finden Sie unter www.arbeitsinspektorat.ch
Buchtipp
Véronique Ducret: Sexuelle Belästigung - was tun? Ein Leitfaden für Betriebe. vdf Hochschulverlag, 2004.
- Quelle: Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann und Staatssekretariat für Wirtschaft: «Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Informationen für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber».
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