Philosophin mit italienischem Blut, die schon immer ein Leader war
Wenn Firmen zu abhängig würden von fossiler Energie, würden sie wirtschaftlich in einigen Jahren Probleme haben, sagt Ghillani. Die fossile Energie werde knapp und teuer. Da sei es doch besser, jetzt in erneuerbare Energien zu investieren, die dann zu guten Preisen zur Verfügung stünden. «Um so zu denken, muss man kein Einstein sein.» Wer die Thesen von Gottfried Duttweiler lese und nicht genau wisse, was er gemacht hat, könne glauben, er sei ein Philosoph. Und auch Rudolf Steiner mit all seinen Idealen für eine bessere Welt, habe den Mut gehabt, Unternehmer zu sein.
Auf Ghillani scheint das Sprichwort massgeschneidert zu sein: In der Ruhe liegt die Kraft. Besonnen, aber hartnäckig sei sie ihren Weg ganz alleine gegangen. Schon als kleines Kind war sie immer der «Leader», erinnert sich Ghillani. Nicht im Sinne von Autorität, sondern in dem Sinne, andere für eine Sache zu gewinnen und in eine bestimmte Richtung zu gehen. Sie hat immer viel Sport getrieben und es oft geschafft, andere anzutreiben und schliesslich den Sieg nach Hause zu bringen. «Ich hatte immer extrem viele Interessen, aber wo meine wirklichen Talente liegen, wusste ich lange nicht.»
Ghillani hat einen Schweizer und einen italienischen Pass. «Aber ich habe ganz und gar italienisches Blut», gibt sie zu. Die Philosophie begleitet sie durch ihr Leben, auch der Natur war sie stets verbunden. «Aber nicht so, dass ich in Wäldern hätte leben wollen», lacht sie. Sie liebe die Wälder, gehe gerne in die Natur zum Wandern, aber sie fühle sich auch wohl in der Gesellschaft. «Ich bin eine ganz normale Person.»
Der Wunsch von der Schweiz als Tal der Nachhaltigkeit
Ein Schlüsselerlebnis war für Ghillani, als sie von einer Viper gebissen wurde. Das passierte ihr übrigens nicht in irgendeinem entlegenen Teil der Welt, sondern in der Schweiz, im Greyerzerland. Sie erlebte sich selbst an der Schwelle des Todes, war in einem wunderschönen Licht, wo Vollkommenheit und Glückseligkeit herrschten. Plötzlich beginnt ihr Herz wieder normal zu schlagen. «Es war wie eine Wiedergeburt mit mehr Vertrauen und Zuversicht in mich selbst. Es hat mir gezeigt: Man ist eigentlich fast unzerstörbar. Ich bin dieser Schlange sehr dankbar …»
Ghillanis Wunsch: Die Schweiz möge das Tal der Nachhaltigkeit werden. Denn es sei ein privilegiertes Land, das über das nötige Wissen und Können verfüge, um in den Bereichen Energie, Wasser, Luft, Boden und Abfall zukunftsträchtige Lösungen anzubieten. Sie könne die ganze Welt besuchen, aber leben wolle sie nur in der Schweiz, gesteht Ghillani. Es ist eine perfekte Kombination von Gesellschaft und Natur.
Jeder Mensch solle mit seinen Talenten einen Beitrag leisten, andere Menschen zu sensibilisieren, im Dienste der Menschheit zu arbeiten, sagt sie. «Man kann sich auf diesem Planeten weiterentwickeln, so lange wie möglich – mindestens bis die Sonne stirbt, in fünf Milliarden Jahren. Einfach zu warten, ohne einen Beitrag zu leisten, fände ich schade. Jeder Mensch hat eine Aufgabe auf dieser Erde. Einige erkennen es ganz früh, andere später.» Die Finanzkrise sieht Ghillani nur als Spitze des Eisbergs eines Systems, das nicht nachhaltig ist. «Solche und andere Katastrophen fördern ein neues Erwachen.»
Paola Ghillani
ist Jahrgang 1963. Sie ist Tochter italienischer Eltern und wuchs mit drei Geschwistern im Wallis auf. Ghillani studierte Pharmazie an der Universität Lausanne, anschliessend arbeitete sie zehn Jahre lang in verschiedenen Positionen in der Pharmaindustrie. Ihre Kenntnisse im Management erwarb sie an der IMD in Lausanne. Von 1999 bis 2005 war sie Geschäftsführerin der Max Havelaar Stiftung. Mit ihrem Beratungsunternehmen Paola Ghillani & Friends verfolgt sie ihre Vision «Nachhaltiges Wirtschaften für eine bessere Welt». Sie sitzt in Verwaltungsräten namhafter Firmen und Organisationen. Unter anderem des Migros-GenossenschaftsBunds, des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, von Helvetia und Weleda. Bei der Pensionskasse Swisscanto ist sie Mitglied des Nachhaltigkeitsausschusses. Ghillani wurde für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt erhielt sie im November 2009 den mit 50 000 Franken dotierten grossen Binding-Preis für Natur und Umweltschutz für ihr Lebenswerk. www.paolaghillanifriends.com