Checkliste

Sinnstiftende Personal- und Unternehmensführung

Jede Führungskraft wünscht sich hochmotivierte Mitarbeitende, die einen Sinn in ihrer Arbeit sehen. Doch wie lässt sich dieses Ziel erreichen? Eine Herangehensweise.

Führungskräfte können Mitarbeitende anweisen, was und wie sie etwas zu tun haben. Doch welchen Sinn sie darin zu sehen haben, können sie nicht vorgeben. Den Sinn – oder neudeutsch «Purpose» – müssen die Menschen in ihrer Arbeit selbst finden. Für ihre Motivation ist das extrem wichtig, denn nur wer seinen Sinn gefunden hat, übernimmt Verantwortung.

Der Unternehmensberater und Bestseller-Autor Simon Sinek («Frag immer erst: warum») formulierte diesen Zusammenhang bereits 2009. Ihm zufolge müssen Unternehmen ihren Kunden und Mitarbeitenden einen übergeordneten Sinn aufzeigen, wenn sie langfristig Erfolg haben wollen. Der Ökonomiepsychologe Aaron Hurst griff Sineks Gedanken in seinem Buch «The Purpose Economy» auf und bezog sie auf den individuellen Purpose von Menschen – beruflich wie privat. Seine Kernthese lautet: Nur wenn ein Mensch wertschätzt, für wen und warum er arbeitet, und sich zudem damit identifiziert, wie er es tut, entsteht bei ihm ein Gefühl von Sinn und Zufriedenheit.

Hurst unterscheidet in Anlehnung an Sinek folgende drei Purpose-Dimensionen:

  1. Who: Für wen arbeite ich?
  2. Why: Warum arbeite ich?
  3. How: Wie arbeite ich?

Diese Who-Why-How-Trilogie hilft Unternehmen zu ermitteln, welche Angebote sie ihren Mitarbeitenden zur Sinnfindung machen können.

1) Who: Für wen arbeite ich?

Jeder Mensch investiert seine Arbeitsenergie unterschiedlich: Manche haben eher einzelne Personen oder Personengruppen im Blick, andere das Unternehmen und wieder andere eine bestimmte Gemeinschaft oder die Gesellschaft insgesamt.

  • Fokus Menschen: Viele Menschen arbeiten bevorzugt für Menschen, die sie persönlich kennen und wertschätzen. Das kann ihre Chefin, aber auch Kollegen sein, die sie nicht im Stich lassen wollen. Ebenso in Frage kommen Kunden, zu denen sie eine persönliche Beziehung entwickelt haben, oder Personengruppen, für die sie besondere Sympathien hegen.
  • Fokus Unternehmen: Bei anderen Menschen erwächst die Motivation primär daraus, dass sie sich als Teil eines grösseren Ganzen verstehen, zu dessen Wohlergehen oder Erfolg sie ihren Beitrag leisten möchten. Beispielsweise indem sie für ihr Unternehmen eine strategisch wichtige Software entwickeln. Dabei kann ihr Stolz unterschiedliche Gründe haben: das Unternehmen ist der Technologieführer, es ist sehr expansiv oder es hat flache Hierarchien, die den Mitarbeitenden grosse Gestaltungsspielräume lassen.
  • Fokus Gesellschaft/Gemeinschaft: Für andere ist es wichtig, dass sie aus ihrer Sicht mit ihrer Arbeit einen Beitrag zum Wohlergehen oder zur Weiterentwicklung der Gesellschaft leisten. Das kann die Gesellschaft als Ganzes sein – etwa wenn das Unternehmen im Umweltschutz aktiv ist. Das kann aber auch eine lokale oder regionale Gemeinschaft sein.

Unternehmen sollten auf die Frage «Für wen arbeiten wir?» eine Antwort haben, denn: Je stärker sich ihre Mitarbeitenden mit dem «Who» identifizieren, desto selbstverantwortlicher und engagierter arbeiten sie.

2) Why: Warum arbeite ich?

Laut Hurst gibt es zwei «Warum»-Arten: Entweder tun Menschen etwas, weil sie an das Prinzip «Karma» glauben, oder weil sie der Welt und den Menschen zu mehr «Gerechtigkeit» verhelfen möchten.

  • Karma: Ans Karma glauben, heisst für Hurst der Überzeugung sein, dass wenn ich Gutes tue, fällt dies irgendwie positiv auf mich zurück. Dasselbe gilt für schlechte Taten. Menschen, die ans Karma glauben, sind davon überzeugt, dass sich Systeme immer wieder selbst ins Gleichgewicht bringen. Deshalb haben sie in der Regel ein liberales Wirtschaftsverständnis. Sie vertrauen auf das freie Spiel der Kräfte und sind überzeugt, dass sich die Märkte stets von selbst ausbalancieren. Bezogen auf das Individuum neigen sie zur Auffassung, dass jeder unabhängig von seiner Herkunft seines Glückes Schmied ist.
  • Gerechtigkeit: Dieses Denken unterscheidet sich diametral vom Karma-Denken. Sie sind überzeugt, dass es Regeln und einer Steuerung bedarf, um Gerechtigkeit sicherzustellen. Diese Überzeugung motiviert sie, einen aktiven Beitrag zum Schutz der (potenziell) Schwachen oder Bedrohten zu leisten – das können einzelne Menschen, die Umwelt sowie Freiheit sein.

Unternehmen sollten auf die «Why»-Frage eine Antwort haben, weil diese mitunter darüber entscheidet, für welche Personen sie attraktive Arbeitgeber sind. Angenommen ein Unternehmen bietet seinen Mitarbeitenden die ideale Plattform, um technische Innovationen zu entwickeln. Diese Tatsache allein zieht Ingenieure mit Karma-Glauben an. Anders sieht es bei Personen aus, die das Thema Gerechtigkeit beseelt. Sie interessiert eher, was das Unternehmen produziert: Rüstungsgüter oder Medizintechnik? Wie sieht die Ökobilanz aus? Etc.

3) How: Wie arbeite ich?

Das «How» beschreibt die Art und Weise, respektive die Strategie, mit der Menschen und Unternehmen ihre Ziele erreichen möchten.

  • community-orientiert: Nicht wenige Organisationen sind vor allem deshalb so erfolgreich, weil es ihnen gelingt, ein Netzwerk von Förderern und Unterstützern aufzubauen. Das gilt zum Beispiel für Alumni-Netzwerke vieler Hochschulen oder die Fan-Gemeinde von Apple. Auch viele Start-ups haben eine Community, die an eine Vision glaubt und diese auch finanziell unterstützt.
  • menschenzentriert: Diese Organisationen glauben zum Beispiel, dass eine Unternehmenskultur, die den Mitarbeitenden als Mensch in den Mittelpunkt stellt, zu den besten Ergebnissen führt. Oder dass Unternehmen, die den Kunden als Mensch in den Fokus nehmen, nachhaltig Erfolg haben.
  • strukturgetrieben: Strukturgetriebene Unternehmen glauben an den Markterfolg durch standardisierte Prozesse, Vorgaben und Regelungen. Sie legen zum Beispiel Wert auf das Erfüllen von Normen und Qualitätsstandards sowie das Erlangen bestimmter Zertifikate.
  • wissensbasiert: Organisationen, die über Wissen am Markt erfolgreich sein wollen, sammeln und analysieren Daten und investieren viel Zeit und Geld in Forschung und Entwicklung sowie in die Weitergabe von Wissen.

Jeder dieser Wege kann zum Erfolg führen. Dessen ungeachtet sollten Unternehmen eine Antwort auf die «How»-Frage haben, weil diese darüber entscheidet, welchen Menschen das Unternehmen eine Andockstelle bietet, um ihren persönlichen Sinn daraus abzuleiten. Je stärker sich Mitarbeitende nebst dem «Für wen» und dem «Warum» einer Firma auch mit deren «Wie» identifizieren können, umso bereitwilliger übernehmen sie eigeninitiativ Verantwortung.

Sinn-Empfinden fördert die intrinsische Motivation

Insbesondere bei Schlüsselpositionen sollte darauf geachtet werden, dass die Kandidaten zum Unternehmens-Purpose passen. Das beugt Fehlbesetzungen vor. Denn Menschen, die beim «Warum» primär der Faktor Gerechtigkeit interessiert, können vermutlich in einer Non-Profit-Organisation leichter einen Sinn finden als im Investmentbanking.

Unternehmen sollten daher klar kommunizieren, wofür sie stehen – auch in puncto Personal- und Unternehmensführung, denn: Je klarer die Kommunikation ist, umso besser können potenzielle Mitarbeitende für sich entscheiden, inwiefern sie persönlich in diesem Unternehmen vermutlich einen Sinn in ihrer Arbeit finden. Und umso weniger Zeit und Energie müssen später die Führungskräfte investieren, um ihren Mitarbeitenden den Sinnzusammenhang aufzuzeigen. Denn diese sind von sich aus überzeugt am richtigen Ort zu sein und entsprechend stark intrinsisch motiviert.

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Joachim Simon, Braunschweig, ist als Führungskräftetrainer und Vortragsredner auf das Thema (Self-)Leadership spezialisiert (www.joachimsimon.info). Er ist Autor des Buchs „Selbstverantwortung im Unternehmen“ und Co-Founder der (Self-)Leadership-Coaching-App Mindshine (www.mindshine.app).

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