HR Today Nr. 9/2021: Fokus Forschung

Skaliertes Basteln

Basteln ist in der Arbeitswelt verpönt. Wer es tut, hat seine Arbeit und seine Ressourcen nicht geplant und ist nicht professionell. Eine aktuelle Studie aus Südafrika zeigt, dass die sogenannte «Bricolage» bei gekonnter Umsetzung in Nischensegmenten dennoch ein erfolgs­versprechendes und sogar skalierbares Konzept ist.

Der Begriff «Bricolage» (Basteln) bezeichnet das Finden von Lösungen, die sich aus der kreativen Nutzung der zur Verfügung stehenden Ressourcen entwickeln. Damit unterscheidet sich Bricolage von konventioneller Lösungsfindung, bei der ein optimaler Weg geplant, anschliessend die dafür notwendigen Ressourcen beschafft und genutzt werden. Unternehmen mit wenig Ressourcen brauchen entsprechend oft Bricolage-Lösungen. Diese werden häufig als temporäre Notlösungen weit weg von den Idealen betrachtet – als Basteln eben.

Die beiden Forscher Busch und Barkema der New York University beziehungsweise der London School of Economics entdeckten jedoch eine Organisation, die Ausbildungsdienstleistungen im IT-Bereich anbietet und Wachstum durch Bricolage schafft – also skaliertes Basteln. Zumindest gemäss dieser Fallstudie, basierend auf über sechs Jahre gesammelter Daten, scheint das zu funktionieren. Grund genug, die Studie und ihre Erkenntnisse genauer anzuschauen:

  • Bricolage ist nicht nur eine Notlösung, sondern in Kontexten mit wenig verfügbaren Ressourcen eine erfolgsversprechende Methode.
  • Durch die Verbreitung von einfachen Faustregeln kann Bricolage skaliert werden, wenn in den entsprechend neuen Märkten eine lokale Adaption stattfindet.
  • Nicht jede Arbeitsstelle muss mit der bestmöglichen Kandidatur besetzt werden. Weniger ideale, aber unmittelbar verfügbare Personen können teilweise eine schnellere, kosteneffizientere und innovativere Lösung sein – eine Art Fähigkeits-Bricolage.

Zusammenfassend lassen sich aber nicht alle Beobachtungen und Erkenntnisse ohne Weiteres von Südafrika auf Westeuropa übertragen. Trotzdem gibt es Eckwerte von erfolgreicher Bricolage, die auch bei uns berücksichtigt werden können:

  • Interne Richtlinien, die unseren Ressourcen nur einen Zweck zuweisen, verhindern Bricolage. «Der Schulungsraum darf nur für Schulungen genutzt werden», gibt uns keinen Mehrwert, aber schränkt die kreative Nutzung ein. Weg damit.
  • Bricolage ist Basteln, nicht Wursteln. Es eignet sich skaliert zur Überwindung von temporären Flaschenhälsen, jedoch nicht zur langfristigen und stabilen Entwicklung. Somit lösen wir unmittelbare Probleme mit Bricolage, aber wir entwerfen nicht eine Produktpalette damit.
  • Man muss seine Ressourcen kennen, um sie in neuen Funktionen einsetzen zu können. Dazu muss man sich häufiger, vertiefter und vielseitiger mit seinem Material und der Infrastruktur, aber vor allem mit den Menschen auseinandersetzen.

Quelle:

Busch, C., & Barkema, H. (2021). From necessity to opportunity: Scaling bricolage across resource-constrained environments. Strategic Management Journal, 42(4), 741–773.

TED Talk zur Lohntransparenz

Alexandra Arnold hielt im Juli 2021 eine Keynote Speech bei TEDxZurich zu Lohntransparenz. Sie sprach darüber, dass dabei das «Wie» und nicht das «Wie viel» entscheidend sei.
tedxzurich.com/talks

 

Schneller als Covid-19 – Performance von temporären Organisationen

Wenige Wochen nach Ausbruch der ersten Welle in Europa sammelten Reto Wegmann und Laura Schärrer (Universität Luzern) empirische Daten, wie Task Forces während Covid-19 funktionierten. Die Studienresultate wurden im «Journal of Organizational Effectiveness» publiziert:
bit.ly/Performance_von_temporären_Organisationen

 

KMU während Covid-19

KMU haben besondere Herausforderungen zu bewältigen, wenn sie auf Krisen reagieren. Die Ressourcen sind knapp und Arbeitsgruppen sind meist mit Personen in Doppelfunktionen besetzt. Die Fallstudie der Mittelland Transport AG aus dem Kanton Aarau hierzu in einem englischsprachigen Sammelband:
bit.ly/Task_Forces_as_Silver_Bullets

 

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Reto Wegman ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Rektors an der Universität Luzern

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