So nimmt «New Work» Gestalt an
Unter dem Stichwort «New Work» experimentieren aktuell viele Unternehmen mit neuen Formen der (Zusammen-)Arbeit. Diese erfordern oft auch einen veränderten Mindset der Mitarbeitenden. Ein geplanter Umzug oder eine Neugestaltung des Arbeitsumfelds ist deshalb der ideale Aufhänger für dieses kulturelle Change-Projekt.
Jede Veränderung ist auch eine Chance. (Bild: iStock)
Als Folge der digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, verändern sich auch die Anforderungen an die Mitarbeitenden – unter anderem, weil die moderne Informations- und Kommunikationstechnik neue Formen der Arbeitsorganisation und neue Problemlösungen möglich macht. Deshalb drängen auch häufiger neue Mitbewerbende auf den Markt, die die Geschäftsmodelle der etablierten Unternehmen in Frage stellen, wenn nicht gar obsolet machen.
Viele Unternehmen hinterfragen zurzeit ihre tradierten Formen der Arbeitsorganisation und Zusammenarbeit: Wie können wir neben den technischen Möglichkeiten der Digitalisierung auch die «modernen» Formen der Zusammenarbeit, die zum Beispiel viele Start-ups und innovationsstarke Nischenanbietern praktizieren, für unseren Erfolg nutzen? In der Regel handelt es sich hierbei um Arbeitsformen, die darauf abzielen,
- die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden und Teams auf der operativen Ebene zu erhöhen,
- die bereichsübergreifende und crossfunktionale Zusammenarbeit zu verbessern und
- die Kreativität und Reaktionsgeschwindigkeit beim Entwickeln und Umsetzen neuer Problemlösungen zu erhöhen.
Zusammengefasst werden all diese Initiativen oft unter den Schlagworten «Agilität» und «New Work».
Flexibel und kreativ
Technische Innovationen sind beim Erreichen dieser Ziele Schlüssel und Treiber zugleich. So steigern zum Beispiel Digitale Kollaborations-Tools sowie Virtual und Augmented Reality-Anwendungen die Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Teams, deren Mitglieder über mehrere Standorte oder gar die ganze Welt verstreut sind. Zudem eröffnen sie neue Möglichkeiten, externe Dienstleister, Geschäftspartner oder Kunden in Projekte und Vorhaben einzubinden.
Dieses Potenzial wollen und müssen insbesondere die Unternehmen nutzen, die für ihre Kunden komplexe Dienstleistungen erbringen bzw. Problemlösungen entwerfen. Denn ohne eine effektive Nutzung der modernen Informations- und Kommunikationstechnik ist konkurrenzfähiges Arbeiten heute kaum noch möglich.
Die dafür erforderlichen Workforces fallen indes nicht einfach vom Himmel: Sie entwickeln sich allmählich. Zwar stehen technik-affine Mitarbeitende den neuen Möglichkeiten, Arbeitsprozesse zu gestalten, meist offener gegenüber als solche, die sich von ihnen tendenziell überfordert fühlen. Doch wie bei jeder Veränderung gilt auch beim Etablieren neuer Formen der Arbeitsorganisation und Zusammenarbeit: Neben Befürwortern gibt es Gegner sowie eine unentschlossene Masse. Also stellt sich die Frage: Wie kann die für den Erfolg des Projekts erforderliche Zahl von Mitstreitern gewonnen werden? Ein wirkungsvoller Transmissionsriemen kann hierbei das Um- oder Neugestalten der physischen Arbeitsumgebung sein – in mehrfacher Hinsicht.
Neue Formen der (Zusammen-)Arbeit, die zum Beispiel
- einen hohen Grad an Technisierung und Automatisierung,
- eine bereichs- und hierarchieübergreifende sowie crossfunktionale Teamarbeit und
- kurze Entscheidungswege
anstreben, erfordern meist auch andere Arbeitsumgebungen. Also gilt es Arbeitsräume zu schaffen, die diese Ziele unterstützen. Ein Grossraumbüro mit einer Entspannungsoase und einem Kicker in der Ecke kann hier eine einfache Lösung sein; oft ist sie jedoch nicht die Beste. Denn letztlich gilt es, eine Arbeitsumgebung zu kreieren, die den (künftigen) Arbeitsprozessen und -anforderungen entspricht und die Teams kreativ und produktiv macht.
Deshalb empfiehlt es sich vor dem Umgestalten bestehender Arbeitsstätten entscheidende Faktoren zu analysieren wie:
- Wieviel Arbeitszeit wenden die Teammitglieder künftig für gemeinsame Aufgaben auf?
- Wie oft ist konzentrierte Einzelarbeit nötig?
- Welche technischen Prozesse und Tools müssen wie integriert werden?
- Wie oft wird – mit Kolleginnen, externen Dienstleistern, Kunden usw. – konferiert oder telefoniert?
Aus den Ergebnissen können Unternehmen dann das passende Raumkonzept ableiten und eine wirklich unterstützende Arbeitsumgebung für ihre Mitarbeitenden schaffen. Zudem bietet eine solche Analyse die Chance, Arbeitsprozesse zu identifizieren und zu beseitigen, die Ressourcen verschwenden.
Erfolgsfaktor: Beteiligung der Betroffenen
Nutzen Unternehmen das Planen der neuen Arbeitsumgebung zum Überdenken und Weiterentwickeln der Arbeitsweisen und -routinen mit den Mitarbeitenden, dann können überkommene Strukturen sowie Denk- und Verhaltensmuster aufgebrochen und verändert sowie zielführendere Prozesse implementiert werden.
Ermöglichen Unternehmen beispielsweise schon in der Planungsphase eine Beteiligung der Mitarbeitenden, können sie bereits hier eine grössere Mitverantwortung und mehr (Mit-)Gestaltungsmöglichkeiten anstelle des gewohnten Top-down-bestimmens etablieren. Zudem können so viele Mitarbeitenden, die dem Change noch abwartend bzw. kritisch-distanziert gegenüberstehen, bereits in einer frühen Phase als Mitstreiter gewonnen werden.
Das ist wichtig, denn: Bei Projekten, die auf das Schaffen einer neuen Kultur der (Zusammen-)Arbeit abzielen, lautet eine zentrale Herausforderung wie bei jedem Change-Projekt,
- die Treiber – also die Mitarbeitenden, die sich mit den Projektzielen identifizieren – zu stärken,
- die Unentschlossenen, soweit möglich, zu mobilisieren und
- an den Widerständen zu arbeiten.
Gelingt dies, wird die neue Arbeitsumgebung ein räumlich sichtbarer Beleg für den neuen Mindset – auch für die nicht unmittelbar betroffenen Kollegen und Partner.
Auch mental umziehen
Generell sollte sich mehr als die räumliche Umgebung ändern, denn: Jeder Umzug beinhaltet die Chance, nicht nur mit dem Körper, sondern auch mit dem Kopf umzuziehen – also die Weichen auch mental neu zu stellen. Jedem Umzug geht ein längerer Planungsprozess voraus und meistens werden währenddessen auch die Karten neu gemischt. Das wissen die Mitarbeitenden. Entsprechend neugierig, gespannt und (teilweise) verunsichert blicken sie der Veränderung entgegen.
Deshalb sollte aus Change-Management-Perspektive ein Umzug als ein organisationaler «unfreeze»-Moment im Sinne Kurt Lewins genutzt werden: Die Mitarbeitenden werden aus ihrer Komfortzone geholt und in Bewegung versetzt.
Dabei geht es weniger um das Einführen neuer Tools als um das Entwickeln eines veränderten Mindsets, denn: Organisationen werden nur schneller und flexibler, lernbereiter und kundenorientierter, wenn die Mitarbeitenden ihre Rolle anders verstehen – und ihre Führungskräfte ein eigenständigeres und selbstbestimmteres Handeln real zulassen.
Hinzu kommt, dass der Mensch vielerorts immer unwichtiger wird; an anderen Stellen hingegen steigt seine Bedeutung – und zwar überall dort, wo er bei der Mensch-Maschine-Interaktion für die nötige Kopplung sorgt. Für den Mensch-Mitarbeitenden bleiben also die besonders herausfordernden Aufgaben übrig,
- die schwer zu entscheiden sind,
- bei denen es noch keine belastbaren Erfahrungen gibt und
- bei denen man sich auch auf seine aus der Expertise resultierende Intuition verlassen muss.
Hierfür brauchen die Unternehmen Mitarbeitende, die dazu bereit und fähig sind, solche risikobehafteten Entscheidungen zu treffen, weil sie dies können, wollen und dürfen.
Sinnvolle Arbeit, höhere Wirksamkeit
Das «Können» und «Dürfen» erfordert neue strukturellen Rahmenbedingungen. Um diese effektiv zu nutzen, müssen die Mitarbeitenden in der Regel geschult werden. Dasselbe gilt für ihre Führungskräfte, die in dem neuen Arbeitsumfeld ein (teils) verändertes Führungsverhalten zeigen müssen.
Das «Wollen» hingegen ist bei vielen Mitarbeitenden, wenn es um das Etablieren neuer Formen der Zusammenarbeit geht, oft schon gegeben. Die grosse Resonanz auf Schlagworte wie «Agilität», «New Work» und «Mindful Leadership» zeigt: Die Menschen sehnen sich nach einer sinnerfüllten (Zusammen-)Arbeit, die sich auch an anderen Parametern als den top-down definierten Prozessen und einem starren, vorgegebenen Organisationsgefüge orientieren. Genau solche Mitarbeitende brauchen Unternehmen künftig: «Happy working people» sind kein Selbstzweck, sondern im digitalen Zeitalter oft von zentraler Bedingung für unternehmerischen Erfolg.