Social Learning: Vom Teilnehmer zum Teilgeber
Am 12. und 13. April 2016 findet wieder die Fachmesse Personal Swiss in Zürich statt. Jochen Robes hält eine Keynote zum Thema «Social Learning: Die Lernenden als Teilnehmer und Ideengeber». Für HR Today hat er einen Artikel zu seinem Vortragsthema verfasst.
Wenn aus Teilnehmern Teilgeber werden: Das war die Idee des Corporate Learning 2.0 MOOC. (Symbolbild: 123RF)
Wie wäre es, wenn Unternehmen ihre Bildungsprojekte vorstellen und anschliessend mit den Teilnehmern eines Kurses diskutieren, wie es weiter gehen könnte? Oder wenn Bildungsexperten eine Frage aufwerfen, die sie noch nicht gelöst haben und um Ideen und Lösungen bitten? Das mag vielleicht nicht ganz die Erwartungshaltung von Kursteilnehmern treffen, die es eher gewohnt sind, ein Thema «aufbereitet» präsentiert zu bekommen. Aber es ermöglicht, wo es funktioniert, auf beiden Seiten Lernkurven, die in traditionellen Kursen oft nur schwer zu erzielen sind.
Wenn wir jetzt dieses Konzept noch aus dem geschützten Raum einer Veranstaltung vor Ort ins offene Netz übertragen, dann sind wir mitten im Corporate Learning 2.0 (CL20) MOOC, einem «Massive Open Online Course», der vom 5. September bis 7. November 2015 stattfand. Seine Leitfrage lautete: «Wie gestalten wir zukünftig das Lernen in Organisationen?» Und um gleich auf eine weitere Besonderheit dieses Online-Kurses hinzuweisen: Jede der acht Wochen wurde von einem anderen Unternehmen gestaltet.
Auch hier hat der Veranstalter Corporate Learning Alliance, ein Zusammenschluss unabhängiger Bildungsexperten, versucht, neue Wege zu gehen. Denn bisher standen viele Bildungscommunities und Bildungsangebote im Netz oft vor der Herausforderung, die Corporate Learning-Experten in den Unternehmen und Organisationen zu erreichen. Deshalb entstand die Idee, verschiedene Unternehmen zu Gastgebern des CL20 zu machen und damit auch Interessierte anzusprechen, die sonst eher einen Bogen um Angebote im Netz machen.
Acht Unternehmen machten mit
Diese Ziele, das kann im Rückblick gesagt werden, wurden erreicht. Es gab keine Probleme, acht Unternehmen zu gewinnen, die bereit waren, ihre Weiterbildungsthemen, -projekte und -pläne im Rahmen eines Online-Kurses zu präsentieren:
- Die Deutsche Bahn Training lud ein, über ihr Projekt «Next Education» zu diskutieren.
- Die Swisscom wollte Erfahrungen sammeln, wie man das digitale Lernen attraktiver machen kann.
- Der ÖAMTC, der Österreichische Automobil-, Motorrad- und Touringclub, setzte die «Expedition Führung», also die Verbindung von Führungskräften und selbstgesteuertes Lernen, auf die Agenda.
- Festo steuerte die Frage bei, wie man formales Training mit informellen und sozialen Lernaktivitäten verbinden kann.
- Miele fragte sich und die Teilnehmer, ob es in Zeiten offener Kurse noch geschlossene Lernplattformen braucht.
- SICK Safety diskutierte, wie Trainingsabteilungen das informelle Lernen unterstützen können.
- SAP machte aus dem Thema «Gamification» gleich verschiedene Missions für die Teilnehmer.
- Und Adidas spannte den Bogen vom Start des Learning Campus im Sommer 2014 bis zur Gegenwart.
Und auf der anderen Seite waren über 1600 Teilnehmer, die sich für den CL20 angemeldet hatten. Sie diskutierten nicht nur in den Foren der Kursplattform und beteiligten sich an den Ideenwettbewerben, zu denen in einzelnen Wochen aufgerufen wurde. Alle Teilnehmer waren eingeladen, die Diskussion weiterzutragen und «nach aussen» zu öffnen. So hat sichzum Beispiel auf Facebook eine Lerncommunity zusammengefunden, die schnell über 300 Mitglieder zählte. Einzelne Teilnehmer haben ihre Blogs genutzt, um Eindrücke und Erfahrungen zu reflektieren. Daneben sind Mind-Maps, Sketchnotes und Infografiken entstanden. Die Teilnehmer haben kollaborativ geschrieben (TitanPads), Listen in Wikis gepflegt und Video-Chats organisiert (Blab). Begleitend zu den Aktivitäten im Netz haben sich auch mehrere Lerngruppen «vor Ort» gebildet und zu regelmässigen Treffen verabredet, etwa in Stuttgart und Nürnberg.
Gelungenes Lernexperiment
Der Corporate Learning 2.0 MOOC war ein Lernexperiment. Denn im Mittelpunkt vieler Bildungs- und Lernprojekte steht nach wie vor die Übermittlung eines strukturierten Lehrplans. Social Learning dagegen steht für Lernumgebungen, in denen Lernende sich aktiv, selbstorganisiert und in Communities austauschen. Das bedeutet für Bildungsveranstalter und Lehrende häufig, sehr gezielt bestehende Bildungsformate aufzubrechen und das Potenzial der netzbasierten Plattformen und Tools zu nutzen, um eine andere Lehr- und Lernpraxis zu fördern. Oder mit anderen Worten: Um aus Teilnehmern Teilgeber werden zu lassen.
Dieser Übergang ist keineswegs selbstverständlich oder einfach. Er verlangt auf Seiten der Veranstalter ein grosses Mass an Medienkompetenz und Offenheit. Vor allem, wenn das Voneinander-Lernen über die Grenzen der eigenen Organisation gelingen soll. Lernumgebungen, die auf den Austausch der Teilnehmer setzen, stellen zudem neue Anforderungen an die «Macher» eines Kurses: Sie müssen aktivieren und motivieren, immer wieder anstossen, kommunizieren, kurz: Aufgaben übernehmen, die heute mit der Rolle des Community Managers verbunden werden.
Auch für viele Teilnehmer bzw. Teilgeber ist Social Learning Neuland. Sie sind hier selbst in der Pflicht, sich Lernziele zu setzen, Lernzeiten freizuschaufeln und den Austausch mit anderen aufzunehmen. Das spiegelt sich in der Wortmeldung eines Teilnehmers sehr treffend wider: «Es geht mit viel Geschwindigkeit weiter im Corporate Learning 2.0 MOOC. Da fällt es immer mehr Beteiligen … schwer, Schritt zu halten, die vielen Beiträge zu lesen und auf Stand zu bleiben. Es ist zum einen die Vielzahl an Beiträgen, aber auch Anzahl von beteiligten Plattformen und eben die gewünschte Freiheit, dass jeder lernen kann, wie er/sie möchte. Das führt zu einer grossen Diversität, in der Chancen aber auch Risiken liegen, und damit genau die Herausforderung beschreibt, die wir im «Social Learning» haben …». (Harald Schirmer)
Kurz: Social Learning ist anders, ist offen und bietet Einsichten, die zu Beginn eines Lernprozesses oft nicht absehbar sind. Der Corporate Learning 2.0 ist zwar beendet, doch die meisten Informationen sind offen und können auf der Kursplattform eingesehen werden.
Jochen Robes an der Personal Swiss
Dr. Jochen Robes: «Social Learning: Die Lernenden als Teilnehmer und Ideengeber», 12. April, 16.10-16.40 Uhr, Praxisforum 5, Halle 6
Am Beispiel eines MOOCS zeigt der Bildungsberater und e-Learning-Spezialist Jochen Robes, wie Lernprozesse sich den Erfahrungen und Ideen der Teilnehmer öffnen können und was sich daraus für Lehrende und Lernende ändert.