Leadership

Spezialprogramme für Managerinnen?

Die Frage, ob Frauen eine spezielle Karriereförderung erhalten sollen, wird äusserst kontrovers diskutiert: Die Leistung, nicht das Geschlecht soll zählen. Und doch bestehen geschlechtsspezifische Lohn- und Funktionsunterschiede, die nicht mit unterschiedlicher Leistungsbereitschaft oder –fähigkeit erklärt werden können. Die folgenden Überlegungen konzentrieren sich auf Lösungsansätze zum Wohl des Gesamtunternehmens und nicht auf mögliche Ursachen.

Oftmals geht es in Diskussionen darum, welche Geschlechterverteilung «fair» sei oder ob geschlechtergemischte Teams bessere Lösungen erzielen. Im Zentrum stehen sollte aber die Frage: Was kann ein Unternehmen tun, um für einen Job die beste Person – unabhängig des Geschlechts – zu gewinnen, zu entwickeln und zu erhalten? Wenn Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert sind, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass dem Unternehmen (noch) nicht der ganze Arbeitskräftepool zur Verfügung steht, um die beste Person daraus auszuwählen. Dies geschieht oft aufgrund von Restriktionen im Unternehmen, die es so weit als möglich zu beseitigen gilt.

Gezielte Förderung von Kadermitarbeiterinnen

Es gibt bereits verschiedene Massnahmen, die den Frauenanteil im Kader erhöhen sollen. In einigen Unternehmen sind Mentoring-Programme seit Jahren etabliert und erfreuen sich grosser Beliebtheit. Beispielsweise haben sich auf Initiative von ambitionierten Kadermitarbeiterinnen bereits 27 Grossunternehmen mit dem Ziel zusammengeschlossen, dass bis 2020 in jedem Unternehmen 20 Prozent aller Führungspositionen von Frauen besetzt sind. Die Teilnehmenden des Programms Advance Women werden dabei mit entsprechenden Programmen wie Events, Workshops, Mentoring und Beratung gezielt gefördert. Auch kleine und mittelgrosse Unternehmen stellen sich die Frage, wie sie qualifizierten Angestellten unter Berücksichtigung ihrer Lebenssituation eine berufliche Perspektive bieten können.

In diesem Zusammenhang wird das IAP Institut für Angewandte Psychologie in Zürich regelmässig für massgeschneiderte Führungstrainings für amtierende oder angehende Chefinnen angefragt. Am Anfang steht in den Schulungen meist eine Standortbestimmung und die Fragen: Wer bin ich, woher komme ich und wo möchte ich hin? Weitere wichtige Themen sind wirksame Konflikt- und Verhandlungsstrategien, ein konstruktiver Umgang mit Emotionen oder belastende Dilemmasituationen im Führungsalltag. In strukturierten kollegialen Fallbearbeitungen tauschen sich die Managerinnen in den Führungstrainings über ihre ganz persönlichen Anliegen aus und profitieren von den Erfahrungen, Einschätzungen und Ideen ihrer Kolleginnen.

Die Erfahrungen der Teilnehmenden mit diesen Schulungen sind ausgesprochen positiv. Viele von ihnen sind neben dem Beruf zusätzlich mit Haushalt, Kinderbetreuung oder der Pflege eines betagten Elternteils engagiert. Diese Rollenvielfalt gibt ihnen einen gemeinsamen Hintergrund, der ihren Erfahrungsaustausch enorm bereichert. Die interne Schulung ist ein Anfang und ein Anstoss. Oft führen die Teilnehmenden die angeleitete Fallbearbeitung weiter, sie treffen sich zum Austausch, oder auch informell zum halbjährlichen Ausflug, zum monatlichen Kegeln oder zu einem wöchentlichen Mittagessen. In all diesen Fällen werden über die eigentliche Schulung hinaus die beruflichen Netzwerke gestärkt, welche der gegenseitigen Unterstützung und Beratung dienen.

Die gezielte Förderung von Kadermitarbeiterinnen scheint sinnvoll. Auf der anderen Seite zeigt sich: Wenn anteilsmässig mehr Frauen eine Kaderposition erreichen, sinkt als statistische Binsenwahrheit der Männeranteil. Es wird noch wenig thematisiert, dass Männer ebenso in (komplementären) Rollenbildern gefangen sind und Lebenstüchtigkeit häufig mit beruflichem Erfolg gleichsetzen. Die Frage nach Teilzeitarbeit und Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird für sie zunehmend wichtiger. Beide Stossrichtungen – berufsbezogene Fragen für Frauen und familienbezogene Fragen für Männer – ergänzen sich gegenseitig. 

Nachhaltige Massnahmen

Die folgenden Massnahmen sollten über «Insellösungen» hinaus im gesamten Unternehmen verankert werden und Teil einer Gesamtstrategie sein. So können nachhaltige Veränderungen erzielt werden.

  1. Commitment des CEO und der obersten Führungsebene
    Eine Massnahme ist dann nachhaltig, wenn sie aus Überzeugung top down unterstützt wird und als strategischer Erfolgsfaktor identifiziert und im Leitbild eingebunden wird.
  2. Verankerung in den Personalprozessen
    Solange die Massnahmen isoliert und situativ angestossen werden, können sie ihre Wirkung nicht optimal entfalten. Die systematische Verankerung in den Prozessen der Personalgewinnung und –entwicklung steigert die Glaubwürdigkeit und den Ruf als moderner Arbeitgeber.
  3. Einbezug der Mitarbeitenden
    Angestrebte Veränderungen stossen nicht nur auf Begeisterung. Der Einbezug der Mitarbeitenden und die Unterstützung der Vorgesetzten helfen bei der Vorbeugung und Bearbeitung von allfälligen Konflikten.

Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen gilt in diesem Sinne: Spezialprogramme für Managerinnen sind besonders dann sinnvoll und nachhaltig, wenn sie als eine von mehreren aufeinander abgestimmten Massnahmen im Unternehmen verankert, auf Langfristigkeit ausgerichtet und von der obersten Führungsebene unterstützt und eingefordert werden.

Weiterführende Literatur:

  • Müller, C., Sander, G. (2011). Innovativ führen mit Diversitykompetenz. Bern: Haupt.
  • Streuli, E. (2007). Mit Biss und Bravour – Lebenswege von Topmanagerinnen. Zürich: Orell Füssli.
  • Advance-Programm: Empowering Women in Swiss Business, www.advance-women.ch
     
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Dr. Elisa Streuli ist Soziologin und arbeitet am IAP Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in der Führungskräfteentwicklung. Zudem leitet sie die Weiterbildungskurse in Konfliktmanagement, Verhandlungstraining und Einstieg in die neue Führungsrolle.

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