Stelldichein der Recruiting-Szene
An der dritten «Recruiting Convention» haben sich rund 150 HR-Profis anhand von sechs Fachreferaten über aktuelle Trends und Themen in der Personalgewinnung ausgetauscht.
An der 3. Recruiting Convention traf sich die Rekrutierungs-Branche zum Stelldichein. Dabei kam auch der Spass nicht zu kurz. (Bild: Live-Illustrator Jonas Raeber)
Die dritte Auflage der Recruiting Convention war schon Wochen im Vorfeld ausgebucht und erfreute sich entsprechend regem Interesse. Rund 150 Personalfachleute von Unternehmen und öffentlichen Institutionen, die sich in ihren Organisationen mit der Rekrutierung und Personalmarketing beschäftigen, füllten vergangenen Dienstag die Konferenzräume des Lake Side Zürich. Acht Experten aus Theorie und Praxis reflektierten in sechs Referaten die aktuellsten Strömungen im Bereich der Personalgewinnung. Der Themenbogen reichte von Employer Branding, über E-Recruiting mit einem Schwerpunkt auf Social Media-Aktivitäten bis hin zum Thema Generationenmarketing. Dank grosszügig bemessenen Pausen kam auch der professionelle Austausch nicht zu kurz.
Employer Branding richtig machen - wie man zur Arbeitgebermarke wird
Nach der Begrüssung durch Prospective-Geschäftsführer Matthias Mäder, der als Gastgeber und Moderator durch die Tagung führte, eröffnete Employer Branding-Pionier Reiner Kriegler die Veranstaltung. Der Gründer der Deutschen Employer Branding Akademie und Autor des «Praxishandbuch Employer Branding» erläuterte in seinem dialogisch gehaltenen Vortrag zunächst die Grundlagen der Markenbildung, ermunterte zur Profilierung einer ureigenen und emotional geprägten Identität fernab von Allgemeinplätzen und verwies auf die Notwendigkeit einer «intern identitätsstiftenden und extern differenzierenden Positionierung» als Voraussetzung für erfolgreiches Employer Branding.
Von Superfrauen, Traumstellen und Erfolgsrezepten – wieso ein Versicherer auf Social Media setzt
Im Anschluss gab Michèle Richner, erste «HR Social Media Managerin» bei der Baloise Group, einen Praxis-Einblick in ihre Tätigkeit für den Online-Arbeitgeberauftritt baloise.com/karriere, den sie als «Early Mover» aufgebaut und geprägt hat. Als Content-Produzentin aller Social Media-Kanäle (namentlich Facebook, Youtube, Twitter, LinkedIn, Xing sowie neuerdings auch Pinterest und Google+) sowie Autorin eines Karriereblogs konzipiert, realisiert und koordiniert sie hausintern stark personalisierte Erfahrungsberichte, Mitarbeiterinterviews, Fotostrecken, Karrieretipps und auch Videos. All diese Inhalte auf dem passenden Kanal distribuiert, sollen dazu beitragen, dass potentielle Arbeitnehmer die Baloise als attraktive Arbeitgebermarke wahrnehmen, die Reichweite und Bekanntheit erhöht wird und die Unternehmenskultur im Sinne eines Blicks hinter die Kulissen ein authentisches Gesicht erhält, um so letztlich die richtigen Kandidaten anzuziehen.
In ihrem Referat, welches auch Stolpersteine und Schwierigkeiten bei der Etablierung und Messbarkeit der Erfolge des Social Media Managements nicht ausklammerte, betonte sie insbesondere die zentrale Bedeutung einer guten Abstimmungsarbeit mit Unternehmenskommunikation, Marketing, Business Partnern, Linie und Rechtsdienst sowie die Herausforderung, generell für interne Akzeptanz der neuen Disziplin zu sorgen.
Mitarbeitende aus der «Generation Erfahrung» - hat das Zukunft?
Unter dieser Fragestellung sensibilisierte Benno Frick, Gründer der Agentur für Generationenmarketing «BoomGeneration» das Publikum in einem rhetorisch brilliant, fakten- und anekdotenreich dargebotenen Referat für den gemeinhin unterschätzten Wert der sogenannten Generation 50+, die trotz demografischem Wandel und sich längst abzeichnendem Fachkräftemangel noch immer verkannt ist und unter Vorurteilen zu leiden hat, zu langsam, zu teuer und zu wenig flexibel zu sein. Diese und weitere Vorurteile sezierte er Schritt für Schritt und stellte ihnen signifikante Vorteile gegenüber, die sich durch den Einsatz von erfahrenen Mitarbeitenden für ein Unternehmen ergeben können. Auch wenn Frick eindringlich warnte, dass das Thema trotz tickender «Demografiezeitbombe» in der Praxis von Schweizer Unternehmen immer noch sträflich vernachlässigt wird, erntete der Beitrag vor versammelter Recruiting-Gemeinde viel Applaus.
Wie verkaufe ich meine Personalmarketingidee intern?
Nach dem Mittgessen mischte ein launiges Trio (fast) powerpointfrei, aber umso pointenreicher die Runde auf: Der einschlägig bekannte Querdenker und Blogger Jörg Buckmann (Leiter Personalmanagement der Verkehrsbetriebe Zürich) warb zusammen mit seinen deutschen Mitreferenten Florian Sorg (Referent Personalmarketing der Deutschen Flugsicherung GmbH und preisgekrönter «Social Media Personalmarketing Innovator») sowie Jürgen Sorg (Social Media Manager HR bei der Techniker Krankenkasse und freier Berater) für mehr «Frechmut» im Personalmarketing. Anhand konkreter Praxisbeispiele ermutigten sie das Publikum, in der Personalgewinnung auch mal unkonventionelle Wege einzuschlagen und zeigten Ansätze auf, wie sich diese unternehmensintern durchsetzen lassen, sofern man sich nicht zu schade ist, einen entsprechenden Effort zu leisten und auch mal mit einer Idee zu scheitern.
Was kann Personalmarketing von E-Commerce lernen?
Der Inhaber der E-Commerce-Beratungsfirma «Ideamix» Davide Villa versuchte anhand seiner langjährigen Expertise (u.a. als Verwaltungsratspräsident von jobs.ch, CEO von Monster Central/Eastern Europe und Chief Revenues Officer und Verwaltungsrat von Xing) aufzuzeigen, was das Personalmarketing von schnell wachsenden Online-Unternehmen lernen kann. Durch die «Vorarbeit» im E-Commerce-Bereich stünden heute nicht nur punkto Technologie der Endgeräte und Betriebssysteme, sondern auch betreffend User Interfaces bis hin zur Auswertung der Kundenzufriedenheit mittels Dashboards zahlreiche kostengünstige Tools zur Verfügung, um das Recruiting in eine nächste Generation zu führen. Dabei machte er aus seinem Eindruck keinen Hehl, dass die Recruiting-Branche in der DACH-Region gegenüber den Möglichkeiten des E-Recruitings noch immer sehr konservativ eingestellt ist. Entsprechend warnte er das Publikum davor, Trends wie etwa die stark steigende mobile Internetnutzung via Smartphone und Tablet zu unterschätzen.
Recruiter 2.0 - Recruitment als Community-Management
Zum Abschluss der Tagung gab Jost Gloor, Head Global Sourcing & Recruitment bei Vifor Pharma, einen Einblick in das In-House-Konzept seiner Organisation. Zwar wurde seine Aussage, wonach das Recruiting «wohl die einzig wahre strategische Funktion des HR» darstellt, vom Fachpublikum weitgehend wohlwollend aufgenommen, doch sein Plädoyer für ein integriertes Recruiting-Konzept und ein Rollenverständnis, wonach HR-Mitarbeitende die Stellen im Unternehmen hierarchieübergreifend von A bis Z inklusive Administration betreuen sollten und nicht mehr trennscharf zwischen strategischen und operativen Tätigkeiten unterscheiden, provozierte im Publikum auch Widerspruch.
Für genügend Gesprächstoff war nach dem reichhaltigen Programm jedenfalls gesorgt und dürfte auch nächstes Jahr wieder gesorgt sein: Die 4. Recruiting Convention ist auf den 30. September 2014 angesetzt.
Ein weiterer höchst lesenswerter Rückblick in Text und Bild von Blogger Henner Knabenreich finden Sie hier.