Stellenbewerber «durchleuchten» – rechtlich nur beschränkt zulässig
Eigene Abklärungen über Stellenbewerber zu treffen, scheint für Arbeitgeber heute leichter denn je. Dies nicht zuletzt dank Internet und Social Media - wobei noch wenig geklärt ist, inwieweit solche Nachforschungen erlaubt sind. Im Allgemeinen gebietet das Recht den Arbeitgebern Zurückhaltung.
Illustration: Jonas Räber
Seien es Fragen an den Stellenbewerber im Vorstellungsgespräch, sei es das Einholen von Referenzauskünften: Beschafft sich der Arbeitgeber Informationen über einen Stellenbewerber, handelt es sich stets um eine Bearbeitung von Personendaten im Sinne des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG). Entsprechend sind solche Abklärungen nur eingeschränkt zulässig.
Beschafft werden dürfen einzig Informationen, die im konkreten Fall arbeitsrelevant sind. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Eignung des Arbeitnehmers für die zu besetzende Stelle betreffen oder für die Durchführung des avisierten Arbeitsvertrags erforderlich sind (vgl. Art. 328b Abs. 1 OR). Massgebend ist dabei eine objektive Betrachtungsweise; ein bloss subjektives Informationsbedürfnis des konkreten Arbeitgebers genügt nicht. Sodann sind auch die allgemeinen Grundsätze und Regelungen des DSG zu berücksichtigen. So darf die Informationsbeschaffung zum Beispiel nicht heimlich erfolgen (Grundsatz von Treu und Glauben in der Datenbearbeitung), und die Beschaffung sowie der Zweck der Beschaffung müssen für den Bewerber erkennbar sein (Grundsatz der Erkennbarkeit).
Bei Fragen an den Bewerber im Vorstellungsgespräch und in Frageformularen ist vor allem die Beschränkung auf arbeitsrelevante Informationen zu beachten. Unproblematisch sind Fragen zu Aus- und Weiterbildung, beruflichem Werdegang und beruflichen Zielen. Normalerweise nicht arbeitsrelevant und damit unzulässig sind dagegen Fragen, welche die Privatsphäre des Bewerbers berühren, wie etwa zur Freizeitgestaltung, zu Vereinsmitgliedschaften, zu Religion und zur politischen Einstellung.
Notwehrrecht der Lüge
Ob eine Frage arbeitsrelevant und damit zulässig ist, hängt freilich stets von den konkreten Umständen ab. So wird der Kreis der arbeitsrelevanten Informationen bei einer Kaderstelle oft weiter sein. Ebenso, wenn die Position eine besondere Vertrauensstellung oder ein erhebliches Gefährdungspoten zial beinhaltet.
Die Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft ist aufgrund des Verbots der Geschlechterdiskriminierung unzulässig – es sei denn, die konkrete Tätigkeit könne bei einer normal verlaufenden Schwangerschaft nicht ordnungsgemäss ausgeübt werden. Dies kann etwa bei einer Tänzerin der Fall sein. Bei Männern untersagt das Verbot der Geschlechterdiskriminierung Fragen betreffend künftigen Militärdienstleistungen.
Nach Vorstrafen darf nur gefragt werden, soweit die Frage auf solche Vorstrafen beschränkt wird, die im konkreten Fall arbeitsrelevant sind (Beispiel: Strassenverkehrsdelikte bei einem Chauffeur). Dabei muss der Bewerber dem Grundsatz nach nur diejenigen Vorstrafen offenbaren, die im Zentralstrafregister noch nicht gelöscht sind. Beim Vorliegen besonderer Umstände kann der Bewerber allerdings dennoch verpflichtet sein, auch über bereits gelöschte Vorstrafen Auskunft zu geben. Dies ist zum Beispiel bei einer Führungsposition denkbar.
Generell gilt, dass der Bewerber gehalten ist, Fragen wahrheitsgemäss zu beantworten. Stellt der Arbeitgeber allerdings eine unzulässige Frage, darf der Bewerber unter Umständen nicht nur die Antwort verweigern, sondern sogar eine unwahre Antwort geben («Notwehrrecht der Lüge»). Stets bei der Wahrheit zu bleiben hat der Bewerber hingegen, soweit er Informationen ungefragt preisgibt – also auch, wenn eine diesbezügliche Frage des Arbeitgebers unzulässig gewesen wäre.
Screening via Google unzulässig
Immer mehr zu einem Thema wird das «Screening» von Stellenbewerbern mittels Recherchen im Internet, namentlich in Social Media. Inwieweit solche Recherchen durch den Arbeitgeber zulässig sind, ist noch weitgehend ungeklärt. Als zulässig erachtet wird die Abfrage des Bewerberprofils in beruflichen Netzwerken wie Linkedin und Xing. Demgegenüber ist umstritten, ob auch der private Auftritt des Bewerbers konsultiert werden darf, der sich zum Beispiel auf Plattformen wie Facebook, Twitter oder Instagram finden mag. Immerhin: Verweisen die Bewerbungsunterlagen auf ein privates Profil, wird mehrheitlich von einer diesbezüglichen Offenlegung seitens des Bewerbers und der Zulässigkeit einer Abfrage ausgegangen.
Als unzulässig eingestuft wird das Bewerber-Screening mittels Suchmaschinen wie Google. Begründet wird dies in der Rechtslehre mit der fraglichen Arbeitsrelevanz der Suchresultate. Zudem wird argumentiert, dass die so gewonnenen Informationen möglicherweise ohne Zustimmung des Bewerbers online gestellt wurden, von ihm kaum kontrolliert und zudem auch falsch sein können.
Auch in Bezug auf die Zulässigkeit eines Bewerber-Screenings kommt es aber stets auf die konkreten Umstände an. So wird es in der Lehre zum Beispiel als zulässig erachtet, im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung bei der Besetzung einer zentralen Stelle in der Informatikabteilung nach einer allfälligen Vergangenheit des Bewerbers als Hacker zu recherchieren. Dabei wird verlangt, dass die Überprüfung angekündigt und dokumentiert wird, und dass der Bewerber zu deren Ergebnis Stellung nehmen kann.
Will der Arbeitgeber ein psychologisches oder grafologisches Gutachten erstellen lassen, hat er den Bewerber vorgängig darüber zu informieren, was der Gegenstand des Gutachtens ist und inwiefern ein hinreichender Zusammenhang mit der zu besetzenden Stelle besteht. Gestützt darauf ist ferner die Zustimmung des Bewerbers einzuholen. Zudem wird verlangt, dass der Bewerber die Ergebnisse der Begutachtung einsehen kann. In Bezug auf grafologische Gutachten ist zu beachten, dass die blosse Einreichung einer Schriftprobe üblicherweise noch nicht als hinreichende Zustimmung zur grafologischen Begutachtung angesehen wird.
Referenzauskünfte
Das Einholen einer umfassenden Referenzauskunft vom Ex- bzw. Noch-Arbeitgeber ist nach einer verbreiteten Rechtsaufassung nur zulässig, soweit der Bewerber seine Einwilligung erteilt hat. Diese Einwilligung kann auch dadurch zum Ausdruck kommen, dass in den Bewerbungsunterlagen konkrete Personen bzw. Unternehmen klar als Ansprechpartner für eine Referenzauskunft offeriert werden, insbesondere durch eine entsprechende Auflistung unter der Überschrift «Referenzen». Die blosse Nennung bisheriger Arbeitgeber in einem Lebenslauf wird hingegen in der Regel noch nicht als Einwilligung zum Einholen einer umfassenden Referenzauskunft zu verstehen sein.