Studie: Rolle des HRM bei der Lösung von Auseinandersetzungen
Wo Menschen aufeinandertreffen, entstehen fast zwangsläufig Konflikte. Wie Unternehmen damit umgehen, hat das Kompetenzzentrum Mediation und Konfliktmanagement der Berner Fachhochschule anhand von acht Beispielen untersucht. Dabei haben die Autoren vor allem die Rolle der HR-Abteilung im Konfliktlösungsprozess beleuchtet.
Aufgrund ihrer Grösse lässt die Studie keine statistischen Aussagen zu, sie zeigt jedoch exemplarisch, wie Unternehmen mit Streitfragen am Arbeitsplatz umgehen. So folgt der Konfliktlösungsprozess in den befragten Unternehmen einem Muster: Haben zwei Mitarbeiter einen Konflikt, ist es zunächst Aufgabe des unmittelbaren Vorgesetzten, diesen zu lösen. Sind dessen Bemühungen erfolglos, wird eine dritte Partei ausserhalb der Linie eingeschaltet: das HRM. In der Regel wendet sich der Vorgesetzte, nachdem er an seine Grenzen geraten ist, an die Personalabteilung. Und diese wird auch erst dann aktiv.
Im internen Konfliktmanagement kann das HRM als dritte Partei unterschiedliche Rollen annehmen. Bei den untersuchten Konflikten war das meist entweder eine sogenannt autokratische oder eine mediative Rolle. Bei ersterer übernimmt das HRM die Kontrolle über die inhaltlichen Entscheidungen und den gesamten Prozess. Dagegen verzichtet das HRM in der Mediatorenrolle ausdrücklich auf die Kontrolle von Lösungsinhalten, übt aber starken Einfluss auf die Art und -Weise der Konfliktlösung aus. In einem einzelnen Fall in den acht befragten Unternehmen, bei dem der Präsident und der Geschäftsführer einer Firma einen Konflikt austrugen, wählte das HRM die Rolle des Konfliktvermeiders und wartete, bis eine der beiden Parteien aus dem Unternehmen ausschied.
Autokratische Rolle bei Konflikten, die dem Unternehmen schaden
Die Rolle des HRM kann sich im Lauf eines Konflikts ändern, sie kann ebenso bei zwei verschiedenen Konflikten innerhalb derselben Organisation unterschiedlich sein. Zumeist behält die dritte Partei jedoch ihre einmal gewählte Rolle bei. Das gilt insbesondere für den autokratischen Weg: Dieser wird bevorzugt gewählt, wenn ein Konflikt das Potenzial hat, Unternehmen und Mitarbeitende nachhaltig zu schädigen, beispielsweise wenn Alkohol, Drogen, Drohungen oder physische Gewalt den Konflikt ausgelöst haben. In solchen Fällen, wenn das Verhalten nicht toleriert werden kann, wurden die Mitarbeitenden zu Beginn der Konfliktlösung mit einem HR-Mitarbeiter konfrontiert: In einem Beispiel ging es um einen Mitarbeiter, der alkoholisiert zur Arbeit kam. Das HRM schlug ihm eine von der Firma finanzierte Therapie vor. Als der Mitarbeiter das Angebot nicht annahm, wurde er entlassen. Auch eine Hostess, die für die Kontrolle von parkenden Autos zuständig war, wurde nach einer Verwarnung entlassen, nachdem sie selbst wiederholt während der Arbeitszeit gegen die Parkvorschriften verstossen hatte.
Wandern, Kegeln, Bergtour: gemeinsame Aktivitäten im Konfliktfall
Greift die dritte Partei mediativ in das Geschehen ein, kann sie die Ergebnisse der Konfliktlösung nicht kontrollieren. In diesem Fall nehmen alle am Konflikt beteiligten Parteien auch an der Lösungsfindung teil: Nach Einzelgesprächen mit allen Betroffenen werden Gruppengespräche geführt, die nach festen Regeln stattfinden und das Kommunikations- und Interaktionsverhalten kontrollieren sollen. Dabei wird vor allem Wert darauf gelegt, dass die Parteien die Perspektive der jeweils anderen einnehmen und ihre Positionen gegenseitig verstehen.
Als weiteren Aspekt erfasst die Untersuchung, welche vorbeugenden oder begleitenden Massnahmen HR-Abteilungen treffen, die nicht unbedingt im direkten Zusammenhang mit einem akuten Konflikt stehen: So berichtete der HR-Verantwortliche einer kleineren Firma mit weniger als 30 Mitarbeitenden, dass informelle Kontakte des HR dazu genutzt werden, um Spannungen frühzeitig zu erkennen. Ein anderer Interviewpartner erzählt, dass in Konfliktfällen gemeinsame Aktivitäten wie Kegeln, Bergtouren oder Theaterbesuche vorgesehen sind, um den Umgang miteinander zu stärken.
Auch institutionalisierte Team- oder Standortgespräche werden eingesetzt, um derartige Probleme zu identifizieren, bevor sie «überkochen». Vorbeugend verhält sich der Studie zufolge auch ein grosses Unternehmen mit mehr als 1500 Mitarbeitern, das sämtliche Führungskräfte vor Jobbeginn für den Umgang mit Konflikten schult. Zwei weitere Unternehmen berichteten von einer Art Krisentelefon und einer Untersuchungskommission, an die sich Mitarbeiter bei Mobbing oder sexueller Belästigung wenden können (siehe auch Artikel Seite 35 zum Thema Konfliktprävention).
Wirtschaftsmediation ist in den befragten Unternehmen kaum verbreitet. Lediglich eines der acht Unternehmen zieht sporadisch einen externen Mediator zu Rate, und das auch nur bei Konflikten im mittleren oder höheren Management. Lediglich zwei weiteren Unternehmen war der Begriff Mediation geläufig. Bei den Firmen, die das Verfahren kannten, gab es verschiedene Vorurteile, darunter mangelnde Akzeptanz im Unternehmen, hohe Kosten des Verfahrens und zweifelhafter Erfolg. Zudem wird Mediation primär als Alternative zu Gerichtsverfahren gesehen – was sie auch sein kann, aber eben nicht ausschliesslich. Das führt dazu, dass Mediation oft nur mit Streitfragen in Verbindung gebracht wird, die justiziabel sind, und die Möglichkeiten des Verfahrens für das interne Konfliktmanagement übersehen werden. Dabei werden in der Praxis längst mediative Vorgehensweisen mit Erfolg angewandt, die aber nicht zwingend unter dieser Bezeichnung laufen.
Die Erkenntnisse der Studie fliessen in den neuen CAS-Studiengang «Konfliktmanagement» des Kompetenzzentrums Mediation und Konfliktmanagement der Berner Fachhochschule ein. Das Angebot richtet sich vor allem an Führungskräfte, Personalverantwortliche und Projektleiter, also alle, die im Arbeitsalltag mit Konflikten konfrontiert werden. Kursteilnehmer können dabei einerseits die persönliche Konfliktkompetenz schulen, anderseits aber auch lernen, in einer Organisation Strukturen des Konfliktmanagements zu etablieren. Information: www.mediation.bfh.ch