Talent Management im Web 2.0: Unternehmen stehen erst am Anfang
Längst ist das Web keine schnurgerade Einbahnstrasse mehr, bei der Unternehmen sich damit begnügen konnten, ihre Homepage auf dem aktuellen Stand zu halten und wichtige Verlautbarungen im Intranet aufzuschalten. Im Web 2.0 bilden sich unzählige verschlungene Pfade, die HR auch fürs Talent Management nutzen sollte.
Firmen und Personalverantwortliche können es sich gar nicht mehr leisten, sich nicht mit dem Thema Web 2.0 auseinanderzusetzen. Andreas Meile, Projektleiter HR von Siemens Schweiz, fasst die Entwicklung in Worte: «Die Zukunft liegt im Web 2.0. Man kann nicht mehr nur vom Unternehmen aus kommunizieren. Interessierte nutzen zahlreiche Kanäle, um sich zu informieren und auszutauschen.»
Es beginnt beim ersten Job für Berufseinsteiger und zieht sich durch die gesamte Laufbahn. Bewerber schauen zwar auf die Firmenhomepage, nutzen aber auch Webseiten wie kununu.ch, jobvoting.de oder kelzen.com. Diese geben Einblick ins Betriebsklima, denn hier kann jedermann seinen Arbeitgeber bewerten – von der Arbeitsatmosphäre über Karrieremöglichkeiten bis zu den Fähigkeiten der Chefs. Potenzielle Bewerber verschaffen sich so ein erstes Bild, das nicht durch offizielle Firmenkanäle gefärbt ist.
Mit Videos kann der Arbeitsalltag fassbarer gemacht werden
Daher müssen Arbeitgeber fit fürs Web 2.0 werden, wenn sie am Ball bleiben wollen. Kununu beispielsweise, bei dem derzeit 2600 Schweizer und 13500 Deutsche Unternehmen bewertet sind, bietet für zahlende Unternehmen die Möglichkeit, sich über Bewertungen informieren zu lassen und diese im Web zu kommentieren. Und Grossfirmen wie die SBB oder KPMG haben beispielsweise ein Karrierevideo aufgeschaltet, um ihren Arbeitsalltag fassbarer zu machen.
KPMG nutzt das Web 2.0 als Ergänzung, wobei die eigene Karriere-Website für die Unternehmensberater und Wirtschaftsprüfer der zentrale Kommunikationskanal bleibt. Mit zusätzlichen HR-Marketing-Aktivitäten wie dem «KPMG Wissensquiz» auf dem Web-2.0-Portal students.ch sollen vor allem Besuche auf der Karriere-Website generiert werden. «Die Investition hat sich mehr als gelohnt. Die Besucherzahl auf unserer Karrieresite hat sich im letzten Jahr verdreifacht», sagt Alexander Senn, Head HR Marketing. Das Quiz mündete in einen grossen, realen Live Event zur Endausscheidung im Zürcher «Kaufleuten». «Wir wollen so unsere Kultur bei den Zielgruppen erlebbar machen, denn erst im persönlichen Kontakt wird die Unternehmenskultur greifbar.»
Talente nicht nur finden, sondern auch ans Unternehmen binden
Um Talente nicht nur zu finden, sondern auch zu binden, muss sich HR einiges einfallen lassen. Immer mehr Firmen lassen vielversprechende Kandidaten nach einem Praktikum nicht mehr einfach zurück an die Uni ziehen, sondern erhalten über Alumninetzwerke im Web den Kontakt aufrecht. Dort geben sie den Ehemaligen Tipps zur Karriereplanung, bieten die Möglichkeit, sich mit anderen Nachwuchskräften auszutauschen und Fachdiskussionen zu führen, und versuchen so, die Ka ndidaten so nah wie möglich am Unternehmen zu halten.
Talent Management muss Talente auch weiterentwickeln und vernetzen. IBM tut hier eine Menge. Mediensprecherin Susan Orozco verweist auf das interne Facebook, in dem alle Mitarbeitenden ihr Profil anlegen und sich vernetzen können. Dazu kommt, passend zur Firmenfarbe, ein «Bluepedia», in dem zu verschiedenen Themen Artikel hinterlegt und diskutiert werden können. Zudem existiert eine Community of Experts, die virtuelle Räume zu Treffen mit erfahrenen Kollegen bietet. Daneben können sich die Talente mit den angebotenen Web-2.0-Strukturen organisieren, was, so Orozco, sehr selbständig genutzt wird.
Ähnlich auch bei Siemens Schweiz. Andreas Meile, Projektleiter HR, kommentiert nicht nur kununu-Einträge und informiert via RSS-Feed über passende Stellen zu hinterlegten Profilen, sondern bloggt auch fleissig. Der siemensinterne Blog «Forum Novum» wird genutzt für Mitteilungen von «Autonummer ZH … hat das Licht angelassen» bis zu Themen, bei denen wirklich der Schuh drückt. Dazu kommt eine interne YouTube-Plattform «2B Siemens», die die Mitarbeitenden näher zusammenbringen soll. So werden Talente gefördert, und diese wissen, ob andere an einem ähnlichen Thema arbeiten und wie sie es angehen.
Was beim Talent Management über Web 2.0 zu beachten ist
- Mitarbeitende sind nur bereit, Daten und Inhalte zu pflegen, wenn sie das Gefühl haben, dass der Aufwand auch Nutzen bringt.
- Personalentwicklung und Wissensmanagement fliessen mit Web-2.0--Werkzeugen zunehmend ineinander.
- Soziale Netze im Web 2.0 entwickeln sich zu einer Art Nervensystem, über das sich Wissen verbreitet und Kontakte gepflegt werden.
- Technische Lösungen müssen gleichzeitig Lernen, Wissenstransfer und Talententwicklung unterstützen und dürfen keinesfalls als Werkzeug von HR missverstanden werden.