Talent Management

«Talent Management ist das Buch – Mitarbeiterentwicklung eines seiner Kapitel»

Dave Ulrich, der wohl renommierteste amerikanische HRM-Spezialist, wird am 14. November für die ZfU in Zürich einen Tages-Workshop leiten. Es geht dabei ausschliesslich um «Excellence in Talent Management». HR Today Special hat ihn im Vorfeld exklusiv zu diesem Thema befragt.

Professor Ulrich, in Ihrem Buch «The HR Value Proposition» aus dem Jahr 2005 hatte der Begriff Talent Management noch nicht Einzug gehalten. Was hat sich in den USA im Bereich Management in den letzten drei Jahren verändert, dass Sie sich nun auf Talent Management konzentrieren?

Dave Ulrich: Talent ist kein neues Thema. Schon immer waren Unternehmen mit talentierterem Personal erfolgreicher als andere. Bereits zu Beginn des neuen Jahrtausends hat die Unternehmensberatung McKinsey mit ihrer Studie «War for Talent» das Thema in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Es ist also keineswegs neu. Was hingegen neu ist, ist die steigende Nachfrage nach spezialisiertem und wirklich begabtem Personal. Zwischen der Performance von leistungsstarken und durchschnittlichen Talenten klafft eine immer grösser werdende Lücke. Es ist also heute wichtiger denn je, hochbegabte Mitarbeiter zu finden.

Unternehmen sind daran gewöhnt, ihre Kunden nach guten und schlechten einzuteilen, nicht aber ihr Personal. Durch jüngste Entwicklungen im Bereich Talent ist dieser Faktor sogar noch wichtiger geworden. Gute Mitarbeiter sind heute mobiler denn je. Toptalente können ganze Unternehmen in Bewegung versetzen. Diese Toptalente arbeiten freiwillig, was nicht bedeutet, dass sie gratis arbeiten, sondern dass sie ihren Arbeitsplatz selbst auswählen können. Diese Kräfte sind immer schwieriger zu finden, insbesondere auf internationaler Ebene. Die Bedürfnisse der nächsten Generation unterscheiden sich von denen der Generation X. Man muss lernen, sich auf die Talente der Zukunft vorzubereiten.

Wo unterscheiden Sie die Bedürfnisse?

Früher interessierte uns beim Thema Talent vor allem der Kompetenzfaktor. Die richtigen Stellen mit den Personen zu besetzen, die über die richtigen Fähigkeiten verfügten – das waren Entscheidungen, die unter Berücksichtigung vorhandener Begabungen getroffen wurden. Dann erkannten wir, dass es auch um Engagement und Pflichtbewusstsein geht. Intelligenz (Kompetenz), die nicht auch mit der Bereitschaft einherging, hart zu arbeiten (Engagement), reichte nicht aus.

Inzwischen haben wir die Talent-Gleichung um den Faktor «persönliche Einsatzbereitschaft» erweitert, was aber gleichzeitig heisst, dass man die Menschen dabei unterstützen muss, Sinn und Erfüllung in ihrer Arbeit zu finden. Unser Arbeitsplatz wird mehr und mehr zu einem Bereich unseres Lebens, von dem wir uns persönliche Erfüllung erhoffen. An dieser Stelle müssen wir ansetzen und unseren Mitarbeitenden helfen, das Gefühl zu entwickeln, dass ihre Bedürfnisse erfüllt werden.

Wer leitet die Talent-Management-Programme?

Sämtliche Forschungsergebnisse zeigen, dass Führung von Führungskräften geschaffen wird. In einem Unternehmen liegen Talentförderung und die Vermittlung von Führungsqualitäten in der Hand der Toplinienmanager. Einige Unternehmen sind dazu übergegangen, Chief Talent Officers oder Chief Learning Officers zu engagieren, für die Talent- und Führungskräfteentwicklung ist jedoch schlussendlich der Senior-Linienmanager zuständig. Im Zuge einer gemeinsam mit Hewitt durchgeführten und von «Fortune» veröffentlichten Studie fanden wir heraus, dass Spitzenführungskräfte, die an der Talententwicklung arbeiten, 30 Prozent ihrer Zeit auf die Entwicklung künftiger Führungskräfte verwendeten. Norm Smallwood und ich bezeichneten dies als den Aufbau eines «Führungszeichens», das von den Toplinienmanagern verkörpert wird (1).

Inwieweit könnten Leadership-Development-Programme mit Talent-Management-Projekten verknüpft werden?

Talent Management umfasst eine ganze Reihe von Programmen, die sich an alle Mitarbeitenden richten, von den Führungskräften bis zum Kundenpersonal, von der Anwerbung bis zur Mitarbeiterbindung. Leadership Development konzentriert sich häufig auf eine bestimmte Gruppe von Mitarbeitenden: die Unternehmensspitze, die etwa 1 bis 4 Prozent des gesamten Unternehmens ausmacht. Diese sollen sich noch besser in ihre Rolle einfinden und diese so brillant wie möglich bewältigen.

Welche Managementsysteme empfehlen Sie für ein effizientes Talent Management?

Bei allen Managementsystemen spielt Leadership eine Rolle, denn wenn die Führungskraft diese Systeme nicht beherrscht, funktionieren sie nicht. Wir haben festgestellt, dass es drei Kriterien für den Aufbau von Managementsystemen gibt:

  1. Abgestimmt: Passt das Managementsystem zur Unternehmensstrategie? Lässt sich allein anhand des Managementsystems (Anwerbung, Schulung, BSC, Six Sigma) die Strategie des Unternehmens erkennen?
  2. Integriert: Lassen sich die Managementsysteme miteinander verbinden? Verändern sich die anderen Systeme mit, wenn sich eines verändert?
  3. Innovativ: Bieten die Managementsysteme neue Methoden zur Bewältigung traditioneller Aufgaben, beispielsweise neue Anwerbe-, Schulungs-, Zahlungsmethoden usw.? BSC und Six Sigma versuchen, innovative Lösungen für Performance-Management-Prozesse anzubieten.

Inwieweit unterscheidet sich das Talent Management von anderen Ansätzen, wie beispielsweise von Personalentwicklungsprogrammen?

Ich glaube, dass sie sich in vielerlei Hinsicht gar nicht unterscheiden. Wir 
mögen es, bekannten Verfahren neue 
Namen zu geben. Talent Management ist häufig das Buch und die Mitarbeiterentwicklung ist eines seiner Kapitel. Auf der sprachlichen Ebene gibt es da allerdings Ungenauigkeiten.

Zu den Stichworten «Diversity» und «Minority Leadership» in den Vereinigten Staaten: 
Halten Sie es für sinnvoll, bei der Auswahl und Förderung von Talent Kriterien wie 
Ethnie, Geschlecht oder sich auf Minderheiten beziehende Charakteristika anzuwenden?

Wir Menschen sind verschieden. Wir bringen unterschiedliche Orientierungen, Werdegänge und Erwartungen mit an unseren Arbeitsplatz. Man hat herausgefunden, dass diese Unterschiede Innovation fördern. Wir müssen jedoch auch Wege zur Zusammenarbeit finden und miteinander kooperieren, um dem Unternehmen zum Erfolg zu verhelfen. Die erfolgreichsten unter jenen Unternehmen, die auf «Diversity» aufbauen, sind diejenigen, die gleichzeitig ein Einvernehmen hinsichtlich der Kernfaktoren ihres Erfolgs einfordern. Alle Mitarbeitenden müssen kundenorientiert und profitabel arbeiten und sich an bestimmten Wertmassstäben orientieren. Einige Unternehmen haben sich unter dem Leitsatz «Unterschiede als Bereicherung erfahren» dazu hinreissen lassen, buchstäblich jedes Verhalten, selbst unangebrachte Verhaltensweisen, zu tolerieren.

Stichwort Generation Y: Junge Talente 
haben andere Erwartungen an die Führung eines Unternehmens. Sie erwarten einen schnelleren Entscheidungsfindungs
prozess, einfachere Verfahrenswege und eine transparentere Kommunikation auf verschiedenen Wegen. Bedeutet das, dass junge Talente eine andere Art der Führung brauchen?

Ich bin hier nicht ganz Ihrer Meinung. Ich glaube nicht, dass nur die Generation Y sich Führungskräfte wünscht, die schnell Entscheidungen treffen, offen handeln und sich mitteilen. Gute betriebliche Führung wird von jeder Generation als solche wahrgenommen. Viele Dinge, die wir als typisch für die Generation Y betrachten, sind in Wirklichkeit wichtig für die Menschen jeder Generation, beispielsweise das Bedürfnis, Teil eines Ganzen zu sein. Die Generation Y zeichnet sich jedoch tatsächlich durch einige Besonderheiten aus: durch ihren Umgang mit Computern, andere Erwartungen hinsichtlich einer lebenslangen Beschäftigung, das Spannungsfeld Engagement im Beruf und Privatleben usw. Führungskräfte, die mit der Generation Y zusammenarbeiten, müssen die Fähigkeit besitzen, sich auf die speziellen Bedürfnisse dieser Generation einzustellen, gut zuhören können und sich mit ihren Belangen auseinandersetzen.

Manche glauben, Talent Management sei das Herzstück der HR-Arbeit. Andere sind der Meinung, es sei Sache der Führungskräfte, Talent Management erfolgreich zu gestalten. Was ist die Aufgabe des Linienmanagements?

Linienmanager sind die «Eigentümer», die HR-Mitarbeitenden die «Architekten». Ein Architekt bietet dem Eigentümer Ideen, Optionen, ein Gerüst und Möglichkeiten, die Bedürfnisse des Eigentümers zu erfüllen. Die HR-Mitarbeitenden stellen Talent Management und Ressourcen des Unternehmens, die den Linienmanagern helfen können, ihre Ziele zu verwirklichen. Schlussendlich liegt jedoch die Verantwortung für das Personal in der Hand der Linienmanager.

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Norm Smallwood ist zusammen mit Dave Ulrich Gründer der RBL Group. In 2005 and 2006 lag die Gruppe auf Rang 1 als die weltbeste Leadership-Development Firm, ein Label von Leadership Excellence.


Das nächste Buch von Dave Ulrich, Norm Smallwood (und Kate Sweetman), «Leadership Code: The Five Things Great Leaders Do», erscheint im Januar 2009 bei Harvard Business School Press.

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Connie Voigt ist 
Executive Coach bei der Firma «Inside Out» sowie Gründerin der Netzwerkorganisation «Interculturalcenter.com GmbH». Zudem ist sie Dozentin für Organizational Behavior an der Edinburgh Business School, FHNW Basel und FU Berlin.

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