Temporärarbeit als Lösungsansatz
Rund 1,3 Millionen Menschen in der Schweiz arbeiten in einem Arbeitsverhältnis, das sich ausserhalb der klassischen Festanstellung bewegt. Doch in der Gesetzgebung wird ihr Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Leistung verkannt und ihre flexiblen Arbeitsmodelle bergen soziale Risiken. Eine neue Studie von swissstaffing zeigt, wie Temporärarbeit das berichtigen könnte.
Temporärarbeit: Ist das die Lösung für eine bessere soziale Absicherung bei flexiblen Arbeitsmodellen? (Bild:123rf)
Flexible Arbeitsmodelle sind aus der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Sie erfüllen gleichermassen ein Bedürfnis nach Flexibilität von Arbeitnehmenden und Unternehmen nach Flexibilität. Flexworker leisten somit einen entscheidenden Beitrag zur Wertschöpfung in unserem Land und verringern den Fach- und Arbeitskräftemangel. Gleichzeitig stehen flexibel arbeitende Menschen gewissen Herausforderungen bezüglich sozialer Absicherung gegenüber. Die neue Swissstaffing-Studie vergleicht fünf flexible Arbeitsmodelle jenseits einer Vollzeitanstellung bei einem einzigen Arbeitgeber.
Das sind:
- Selbstständigkeit ohne eigene Angestellte
- Mehrfachbeschäftigung
- Teilzeitarbeit unter 50 Prozent
- Arbeit auf Abruf
- Temporärarbeit
Die Studie beleuchtet ihre Verbreitung in der Schweiz sowie die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen und porträtiert die Menschen hinter den Arbeitsmodellen.
26 Prozent arbeiten ausserhalb einer hochprozentigen Festanstellung
Nimmt man die Beschäftigten, die unter die oben genannten Kategorien fallen, so arbeitete im Jahr 2020 schon jede oder jeder Vierte als Flexworker. Bei gewissen Arbeitsmodellen sind klare Trends feststellbar: Während der Anteil «Selbstständigkeit ohne Angestellte» langfristig zurückgeht (2020: 5,4 Prozent, 2015: 6 Prozent), steigt er bei der «Mehrfachbeschäftigung» seit Jahren kontinuierlich an (2020: 8,2 Prozent, 2015: 7,7 Prozent).
Die Studie stützt sich auf Daten der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) und zeigt weiter, wie sich die verschiedenen Gruppen von flexibel Erwerbstätigen zusammensetzen. Überraschend: Menschen in flexiblen Arbeitsmodellen sind mehrheitlich Frauen, tendenziell älter, Schweizer Staatsangehörige, hochgebildet und im Dienstleistungssektor tätig.
Dieses Bild trifft besonders stark auf Mehrfachbeschäftigte und Selbstständige ohne Angestellte zu. Unter den Arbeitenden auf Abruf befinden sich viele Schüler und Studenten, während ein Niedrigpensum von 20 bis 49 Prozent ein bevorzugtes Arbeitsmodell von Müttern ist. Temporärarbeitende unterscheiden sich in ihrem Profil von Menschen in anderen flexiblen Arbeitsformen: Sie sind überwiegend männlich, jünger und im Bau, in der Industrie, Logistik und Technik beschäftigt.
Herausforderung soziale Absicherung
Die Studie vergleicht auch die Herausforderungen der flexiblen Arbeitsmodelle, wenn es um die berufliche Vorsorge oder die Absicherung elementarer Lebensrisiken geht.
Für Selbstständigerwerbende sind bestimmte Versicherungen nicht obligatorisch (Vorsorge/BVG), nicht abschliessbar (Arbeitslosenversicherung) oder kaum zu finanzieren (Krankentaggeldversicherung). Für Mehrfachbeschäftigte besteht aufgrund der BVG-Eintrittsschwelle von 21 510 Franken und des Koordinationsabzugs die Gefahr grosser Lücken in der beruflichen Vorsorge (Pensionskasse). Diese sichert im Alter den Lebensstandard sowie Risiken wie Tod und Invalidität ab. Etwas, womit auch Personen mit tiefen Arbeitspensen und Arbeitende auf Abruf konfrontiert sind. Letztere sind zudem oftmals nicht gegen Krankheit versichert.
Von den analysierten flexiblen Arbeitsmodellen sind Menschen in der Temporärarbeit sozial am besten abgesichert. Dank dem GAV Personalverleih sind Temporärarbeitende kollektiv Krankentaggeld-versichert. Im Bereich Vorsorge besteht das Problem der Eintrittsschwelle bei der Pensionskasse nicht. Die Eintrittsschwelle und der Koordinationsabzug werden auf den Stundenlohn heruntergebrochen. Dank dem paritätischen Weiterbildungsfonds temptraining haben Temporärarbeitende zudem Anspruch auf Weiterbildungsleistungen.
Vorteile der Temporärarbeit
Unter dem Dach der Temporärarbeit lassen sich für flexibel arbeitende Menschen Lücken in der sozialen Absicherung schliessen: Immer mehr Freelancer und (vormals) Selbstständige entscheiden sich deshalb für ein «Payrolling» über einen Personaldienstleister. Der Erwerbstätige sucht sich dabei seine Arbeitsaufträge selbst und wird von einem Personalverleiher angestellt. Dieser tritt dabei wesentliche Weisungsbefugnisse dem Kunden ab. Lücken bei der sozialen Absicherung werden so automatisch geschlossen – beispielsweise mit Blick auf die Pensionskasse, Unfall- und Krankentaggeldversicherung. Bisherige Arbeitende auf Abruf, Mehrfachbeschäftigte und Erwerbstätige mit Niedrigpensen sind beim aktiven Verleih durch Personaldienstleister in einem temporären Arbeitsverhältnis gegen Krankheit und Lücken in der Altersvorsorge abgesichert.
Flexible Arbeitsmodelle sind kein abstraktes Phänomen der Zukunft, sondern seit Jahren gesellschaftliche Realität. Gerade unter Schweizerinnen und Schweizern sind Selbstständigkeit, Mehrfachbeschäftigung oder niedrige Arbeitspensen weit verbreitet. Einerseits gelingt es der Schweiz auf diesem Weg, wertvolle Fachkräfte für die Wirtschaft zu gewinnen und mit dem Produktionsfaktor Flexibilität den Wirtschaftsstandort Schweiz zu sichern. Andererseits sind Lücken in der sozialen Absicherung und eine unsichere Beschäftigungssituation die Konsequenzen für Flexworker.
Temporärarbeit als Arbeitsform bietet ihnen die Möglichkeit, viele dieser sozialen Risiken zu reduzieren und gleichzeitig ihre Flexibilität zu erhalten. Durch eine weitere Erschliessung der Flexworklandschaft wird sich auch das Gesicht der Temporärarbeit wandeln. Es wird weiblicher, älter, hochqualifizierter und stärker im Dienstleistungssektor verankert sein. Diese Entwicklung ist bei hochqualifizierten Flexworkern bereits in vollem Gang (vgl. swissstaffing 2021).
Die vollständige Studie «Temporärarbeitende sind am besten gestellt – Flexible Arbeitsmodelle im Vergleich» steht zum Download zur Verfügung unter: swissstaffing.ch/whitepaper