HR Today 5/23: Worktech

Über die Chancen der Digitalisierung im BGM

Fehlende Fachkräfte, zunehmende Fehlzeiten sowie gestiegene Ansprüche der Mitarbeitenden führen zu erhöhten Aufwänden für Betriebe, HR und Management. Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) sorgt nachweislich für Entlastung, indem Fehlzeiten reduziert werden, die Arbeit besser gestaltet und somit die Bindung der Mitarbeitenden erhöht wird. Spezielle Chancen ergeben sich durch die Digitalisierung.

Der Aufbau und die Umsetzung eines bedarfsgerechten und wirksamen BGM bringen Herausforderungen mit sich: Fach- und Umsetzungswissen müssen vorhanden sein. Dazu verlangt die heutige Arbeitswelt, dass Massnahmen und Angebote des BGM zeitlich und örtlich flexibel, individualisiert und aktuell sind. Chancen birgt die Digitalisierung: Seit einiger Zeit gibt es Lösungen für die Kommunikation und die individuelle Gesundheitsförderung, die auch die Nutzung analysieren und Optimierungen vorschlagen. Die systematische Umsetzung von BGM und die Optimierung der Arbeitsbedingungen hingegen werden nur punktuell von Lösungen berücksichtigt. Gerade darin liegen aber die grössten Hebel und Potenziale von BGM.

Definition von BGM

Die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz beschreibt BGM als «die systematische Optimierung relevanter Faktoren für die Gesundheit im Betrieb. BGM schafft mittels Anpassung von Strukturen und Prozessen im Unternehmen günstige Bedingungen für die Gesundheit der Mitarbeitenden und trägt so zum Erfolg des Unternehmens bei. BGM erfordert die Beteiligung aller Personengruppen im Unternehmen, ist in dessen Management integriert und kommt in seiner Kultur zum Ausdruck».

 

Herausforderungen im BGM

Der Fachkräftemangel, die zunehmende Digitalisierung und der gesellschaftliche Wandel mit neuen Arbeitnehmerbedürfnissen (Teilzeitpensen, örtlich und zeitlich flexibles Arbeiten, Partizipationsmöglichkeiten) haben einen starken Einfluss auf die Umsetzung von BGM. Die Zielgruppen müssen zeitlich und örtlich flexibel erreicht werden, was mit Inhouse-Angeboten häufig nicht möglich ist. Und wer liest noch Informationsposter, die an schwarzen Brettern hängen?

BGM wird oft «nebenbei» oder in einem kleinen Pensum durch einzelne oder mehrere (HR-)Personen betrieben. Je nach Betriebsgrösse sind das manchmal gerade mal 5 bis 30 Stellenprozente.

Eine weitere Herausforderung ist, dass Analysen, Massnahmenumsetzung und Wirkungsprüfung in Listen, in Excel und im ERP dokumentiert und in Präsentationen dargestellt werden. So entstehen Medienbrüche mit Mehraufwand.

Weiter erfordern der Aufbau und die Umsetzung eines systematischen BGM viel Fachwissen und Erfahrung. Zum Beispiel bei der Ermittlung der Schlüsselpersonen, bei der Ableitung und der Auswahl von wirksamen Massnahmen und bei der Kommunikation.

Grafik Digitalisierung BGM

Verbreitung von Schwierigkeiten bei der betrieblichen Umsetzung von BGM in Prozent Quelle: L. Kaiser, D. Matusiewicz, 2018

Möglichkeiten des digitalen BGM

Digitales BGM bezieht sich auf den Einsatz digitaler Technologien und Lösungen zur Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Mitarbeitenden im Unternehmen. Der Einsatz von medizinisch-therapeutischen Tools ist nicht Teil dieses Ansatzes.

Digitales BGM hat viele Vorteile:

  • Routinearbeiten, wie zum Beispiel Listen aktualisieren oder den Umsetzungsstand von Massnahmen dokumentieren, können automatisiert werden. Dies ist bei den meist knappen zeitlichen Ressourcen der Verantwortlichen von hoher Wichtigkeit.
  • Die Erreichbarkeit und die Flexibilität der Gesundheitsangebote werden verbessert. Es können Gruppen von Mitarbeitenden erreicht werden, die sich von einem klassischen BGM nur schwer erfassen lassen (z. B. Schichtarbeitende, Vertrieb, Aussendienst, kleinere Filialen und Standorte).
  • Die Interaktion und die Partizipation der Mitarbeitenden werden mit der Nutzung digitaler Plattformen verbessert. Es wird einfacher, Feedbacks zu erhalten, Erfolge zu teilen und gemeinsame Ziele zu verfolgen.
  • Die Bedürfnisse und die Vorlieben der Mitarbeitenden können individueller bedient werden.
  • Spielerische Anreize wie virtuelle Wettbewerbe und Vergleiche mit anderen Nutzerinnen und Nutzern zur Motivationsanregung werden ermöglicht.
  • Daten können einfacher gesammelt, analysiert und verwaltet werden. Insgesamt spart digitales BGM Kosten durch Aufwandreduktion und erhöht die Reichweite bei den Mitarbeitenden.

Hilfsmittel und Lösungen im BGM

Es stehen unterschiedliche Arten von Hilfsmitteln und Lösungen für BGM zur Verfügung.

  • Wearables wie Smartwatches oder Fitnessarmbänder: Sie sammeln Vital- und Gesundheitsdaten und unterstützen auf diese Art das Training. Sie sind weitverbreitet, sammeln aber im Hintergrund oft Daten zur Drittnutzung. Messwerte können verzerrt oder nicht vertrauenswürdig sein (z. B. Erkennen von Schlafphasen).
  • Gesundheits- und Fitness-Apps: Diese decken die Bereiche Lifestyle, Ernährung, Psyche und Fitness ab und können etwa Übungen anleiten, Erinnerungen senden oder Feedback geben wie auch Gesundheitstipps und Challenges (Gamification) anbieten. Vorbehalte bezüglich Datenschutz gelten auch hier.
  • E-Learnings und Webinare: Diese zeit- und ortsunabhängigen Alternativen zu Präsenzveranstaltungen sind mittlerweile weitverbreitet. Über den Nutzen und die Wirksamkeit gibt es unterschiedliche Erkenntnisse. Die beste Wirksamkeit zeigt Blended Learning, das heisst die Kombination digitaler Formen mit Präsenzveranstaltungen.
  • Gesundheitsplattformen: Damit können Informationen, Videos und Online-Trainings, Möglichkeiten zum interaktiven Austausch oder Online-Coachings zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich werden durch Trackingfunktionen Datensammlung sowie -auswertung ermöglicht für eine zielorientierte Gesundheitsförderung mit individuellen Angeboten.
  • BGM-Komplettsysteme: Diese vereinfachen die systematische Umsetzung über alle Bereiche des BGM (Gesundheitsförderung, Arbeitssicherheit/Gesundheitsschutz, Fehlzeitenmanagement). Die aktuell auf dem Markt verfügbaren Produkte unterstützen die Umsetzung eines systematischen BGM jedoch nicht oder nur punktuell entsprechend den anerkannten Qualitätskriterien des Friendly Work Space von Gesundheitsförderung Schweiz.

Herausforderungen im digitalen BGM Die Vorteile eines digitalen BGM können gleichzeitig dessen Nachteile sein:

Mitarbeitende müssen einen Zugang zu einem kompatiblen Endgerät haben. Geklärt werden sollte die Frage, wer die Kosten für notwendige Anschaffungen trägt. Üblich sind zum Beispiel jährliche Beiträge an Abonnemente.

  • In der Menge an Apps und Logins gehen einzelne Anwendungen unter.
  • Die Barrierefreiheit muss sichergestellt werden.
  • Es kann der Eindruck entstehen, dass das Thema Gesundheit auf die Lösung ausgelagert wird und diese sich nun um die Mitarbeitenden «kümmert».
  • Die Grenzen zwischen betrieblicher Gesundheitsförderung und individuellem Gesundheitsverhalten, auch in der Freizeit, verwischen. Die Nutzung digitaler Tools erlaubt den Zugriff auf betriebliche Inhalte. Es muss daher darauf geachtet werden, dass BGM den Fokus auf die betrieblichen Aspekte der Gesundheit legt.
  • Da im digitalen BGM Daten gesammelt werden, sind die Themen Datenschutz und -sicherheit sehr wichtig. Gesundheitsdaten sind ­sensible und besonders schützenswerte Informationen. Dementsprechend muss ein Missbrauch durch entsprechende Vorkehrungen und Richtlinien verhindert werden.
  • Die Skepsis gegenüber «Big Brother» kann dazu führen, dass sich Mitarbeitende nicht am BGM beteiligen. Daher muss regelmässig eine Kommunikation zur Nutzung und Sicherung der erhobenen Gesundheitsdaten erfolgen.

BGM-Komplettsystem in der Cloud – worauf zu achten ist

Zu beachten ist bei der Wahl einer digitalen Lösung zur Unterstützung des BGM, dass es sich dabei nicht nur um eine Übertragung von Daten oder Massnahmen in ein digitales Format handelt. Eine strategische Planung, eine zielgerichtete, bedarfsorientierte und systematische Umsetzung, regelmässige Kommunikation und eine kontinuierliche Evaluation sind notwendig, um mit BGM erfolgreich zu sein.

Daher sollte man idealerweise ein BGM-Komplettsystem wählen, das die folgenden Features beinhaltet:

  • Einen digitalen Assistenten, der BGM-Verantwortliche unterstützt, BGM entsprechend dem PDCA-Zyklus (Plan – Do – Check – Act) umzusetzen. Von der Festlegung strategischer Ziele über die Durchführung von Analysen bis hin zur Festlegung von Zielen und Massnahmen sollte der gesamte Prozess des BGM auf der Plattform gesteuert werden können. Gleichzeitig sollte sich über ein Cockpit der Umsetzungsstand in Echtzeit verfolgen lassen. Die Beurteilung der Wirksamkeit von BGM sollte über ein Dashboard erfolgen.
  • Ein BGM-Portal, das den Mitarbeitenden den persönlichen Zugang sowie eine einfache, individualisierte Kommunikation ermöglicht. Idealerweise können dort Befragungen lanciert, Informationen zu betrieblichen Aktivitäten bereitgestellt sowie Wissen und Schulungsinhalte zur Förderung der Ressourcen und des Wohlbefindens vermittelt werden. Führungspersonen erhalten im Idealfall Informationen zu ihrem Bereich in Echtzeit.
  • Ein Learning-Management-System, das die gezielte Verbreitung und Bewirtschaftung von E-Learnings wie auch Präsenzschulungen erlaubt.
  • Die bereitgestellten Inhalte der Lösung, wie E-Learnings und Unterlagen, sollen aktuell, entsprechen dem neusten Forschungsstand und von Fachpersonen geprüft sein.
  • Die Benutzeroberfläche sollte eine intuitive Bedienung auf unterschiedlichen Endgeräten (z. B. PC, Tablet, Smartphone) ermöglichen.
  • Eine Cloudlösung vereinfacht die Nutzung, da kein interner Installationsaufwand auf Servern, Endgeräten etc. entsteht.
  • Um den Datenschutz zu gewährleisten, sollten keine persönlichen Daten abgespeichert werden und das Hosting sollte in der Schweiz erfolgen.

Wenn diese Kriterien erfüllt sind, sollte dem Ausschöpfen der Chancen der Digitalisierung im betrieblichen Gesundheitsmanagement nichts mehr im Weg stehen.

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Hansjörg Huwiler

Hansjörg Huwiler ist Teamleiter Corporate Health bei AEH (www.aeh.ch). Nebst seiner Arbeit als BGM-Berater ist er als Assessor Friendly Work Space für Gesundheitsförderung Schweiz tätig. Basierend auf langjähriger Erfahrung bei Beratung und Umsetzung zum BGM hat die AEH ein BGM-Komplettsystem entwickelt, das die im Beitrag genannten Kriterien abdeckt, und bietet sie als Cloud­lösung unter dem Namen smart-bgm an.

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