Arbeit und Recht

Überstunden und Überzeit: 
Die Dauerbrenner im Arbeitsrecht

Die aktuelle wirtschaftliche Situation zieht vielerorts einen Stellenabbau nach sich. Doch das bedeutet nicht zwangsläufig, dass auch weniger Arbeit erledigt werden muss. Für die Verbleibenden steht also oft Mehrarbeit auf der Tagesordnung – sie leisten Überstunden oder gar Überzeit. Ein Thema, dass die Anwälte immer wieder beschäftigt.

Grundsätzlich muss der Arbeitgeber den Betrieb so organisieren, dass die anfallende Arbeit innerhalb der mit dem Mitarbeiter vereinbarten Arbeitszeit erledigt werden kann. Nicht immer ist das jedoch möglich. Dabei sind drei Begriffe voneinander zu unterscheiden: die vertraglich vereinbarte (Normal-)Arbeitszeit, die darüber hinaus geleisteten Überstunden und, sofern Letztere eine bestimmte Grenze überschreiten, die gesetzlich geregelte Überzeit.

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die in seinem Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitszeit zu leisten. Darüber hinaus sind Arbeitnehmer gemäss Art. 321c OR zur Leistung von Überstunden verpflichtet, sofern dies betriebsnotwendig und zumutbar ist. Notwendig sind Überstunden aber nur dann, wenn sie nicht einfach durch eine bessere Organisation oder die Einstellung von mehr Personal vermieden werden können. Die Grenze der Zumutbarkeit bilden die öffentlich-rechtlichen Arbeitszeit- und Gesundheitsvorschriften, aber auch die persönlichen Verhältnisse des einzelnen Arbeitnehmers.

Entschädigung oder Wegbedingung

Als Überstunden gilt jene Arbeitszeit, die über das vertraglich vereinbarte Pensum hinaus geleistet wird, jedoch noch unter der in Art. 9 des Arbeitsgesetzes geregelten Höchstarbeitszeit von 45 bzw. 50 Stunden liegt. Die Stunden, die über diese Höchstarbeitszeit hinaus geleistet werden, fallen unter den Begriff Überzeit. Ist im Vertrag eines kaufmännischen Angestellten zum Beispiel eine 40-Stunden-Woche vorgesehen und arbeitet er schliesslich einige Wochen lang 47 Stunden, um eine wichtige Arbeit abzuschliessen, so gelten fünf Stunden als Überstunden und zwei Stunden als Überzeit.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Entschädigung für die geleistete Mehrzeit. In Bezug auf die Überstunden kann der Arbeitgeber mit dem Einverständnis des Arbeitnehmers die geleistete Mehrzeit innert eines angemessenen Zeitraums durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer ausgleichen. Werden die Überstunden nicht durch Freizeit ausgeglichen und ist nichts anderes vereinbart worden, so hat der Arbeitgeber die Stunden mit einem Zuschlag von 25 Prozent finanziell abzugelten.

Das OR lässt den Parteien in Bezug auf Überstunden die Möglichkeit offen, vorab durch schriftliche Vereinbarung auf die Bezahlung der Überstunden und des Zuschlags zu verzichten. Es empfiehlt sich, eine solche Vereinbarung im Arbeitsvertrag explizit aufzunehmen und nicht nur in einem Reglement zu regeln, da ein blosser Hinweis auf ein zum Vertrag gehörendes Reglement, ohne besondere Erwähnung dieser Klausel, üblicherweise nicht genügt.

Nicht vertraglich wegbedungen werden kann die Entschädigung für geleistete Überzeit. Diese ist wie die Überstunden mit Einverständnis des Arbeitnehmers durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer auszugleichen oder finanziell zu entschädigen. Bei der finanziellen Abgeltung ist für Arbeitnehmer, für die gemäss Arbeitsgesetz eine Höchstarbeitszeit von 45 Stunden gilt, erst ab der 61. Stunde ein Zuschlag von 25 Prozent geschuldet. Arbeitnehmer mit einer Höchstarbeitszeit von 50 Stunden erhalten den Zuschlag bereits ab der ersten geleisteten Stunde Überzeit.

Weit verbreitet ist die Meinung, für Kadermitarbeiter würden die Bestimmungen in Bezug auf Überstunden und Überzeit nicht gelten. Das Arbeitsgesetz schliesst zwar in Art. 3 lit. d so genannte «leitende Angestellte» vom Geltungsbereich aus, in Art. 9 der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz wird jedoch genauer definiert, was unter einer leitenden Tätigkeit zu verstehen ist: Nicht die Funktionsbezeichnung ist massgebend, sondern die eigentliche Tätigkeit eines Mitarbeiters bzw. seine Entscheidungsbefugnis in wesentlichen Angelegenheiten und seine Möglichkeit, die Unternehmenspolitik direkt mitzubestimmen.

Zu beachten ist, dass bei Kadermitarbeitern auch die Überstundenentschädigung nicht automatisch wegfällt. Wurde der Umfang der zu leistenden Arbeitszeit vertraglich vereinbart, besteht aber auch hier die Möglichkeit, eine Entschädigung oder Kompensation von vornherein wegzubedingen.

Beweislast liegt beim Arbeitnehmer

Heute sind viele Arbeitnehmer in einem flexiblen Arbeitszeitmodell angestellt, was die Abgrenzung von (Normal-)Arbeitszeit, Überstundenarbeit und Überzeit erschwert. Dadurch, dass der Mitarbeiter seine Arbeit mehr oder weniger frei einteilen kann, muss eine allfällige Mehrarbeitszeit nicht zwingend auch Überstunden oder Überzeit bedeuten. Oft handelt es sich nur um einen Gleitzeit-überhang, der durch den Arbeitnehmer bei nächster Gelegenheit wieder abgebaut werden kann. Ist der Mitarbeiter jedoch in der Einteilung der Zeit nicht mehr frei, entstehen Überstunden oder Überzeit. Auch hier gilt, dass die Überstunden betrieblich notwendig und zumutbar sein müssen. Für Überzeit gelten die noch strengeren Bestimmungen von Art. 12 Abs. 1 ArG.

Eine direkte Anordnung von Überstunden oder Überzeit muss indessen nicht zwingend erfolgen. Auch eine indirekte Anordnung, beispielsweise durch permanente 
Überlastung des Arbeitnehmers wegen Unterbesetzung, führt zu Überstunden oder Überzeit und kann nicht als Gleitzeit gelten.

Sind sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber uneinig, ob und wie viel Mehrzeit geleistet worden ist, so trägt gemäss allgemeinem Beweisgrundsatz nach Art. 8 ZGB der Arbeitnehmer grundsätzlich die Beweislast, da er eine Forderung gegen den Arbeitgeber stellt. Er hat den Nachweis zu erbringen, dass er Mehrarbeit geleistet hat und dass es sich dabei um notwendige und im Interesse seines Arbeitgebers erbrachte Überstunden bzw. Überzeit handelt. Der Arbeitnehmer hat ausserdem bei der Einforderung seines Anspruchs die fünfjährige Verjährungsfrist nach Art. 128 Ziff. 3 OR zu beachten.

Um unliebsame Überraschungen auf beiden Seiten zu vermeiden, empfiehlt es sich deshalb, bereits bei Vertragsschliessung dieses Thema genau zu regeln.

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Esther Geisser arbeitet als 
Personalbeauftragte bei der Finanzdirektion Zürich und ist Mitglied der 
Geschäftsleitung des Personalamts des Kantons Zürich. Ausserdem ist sie Dozentin und Examinatorin für Arbeitsrecht und weitere Rechtsgebiete.

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