Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative
Die Abstimmung vom 9. Februar liegt einige Zeit zurück. Inzwischen hört man nicht mehr viel über die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative. Im Hintergrund jedoch wird auf Hochtouren gearbeitet. Sowohl beim Bund wie auch bei den verschiedenen Arbeitgebervertretern. swissstaffing informiert.
(Foto: 123RF)
Mit einer knappen Mehrheit stimmte das Schweizer Volk am 9. Februar 2014 für die Initiative «Gegen Masseneinwanderung». Für die Umsetzung der Initiative ist ein straffer Zeitplan vorgegeben. Sie muss innerhalb von drei Jahren vollzogen werden. Ansonsten ist der Bundesrat verpflichtet, am 9. Februar 2017 die Ausführungsbestimmungen vorübergehend mit einer Verordnung zu erlassen. Als ersten Schritt beauftragte die Departements-Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements das Bundesamt für Migration, eine Expertengruppe einzusetzen, welche die Umsetzungsarbeiten inhaltlich und konzeptionell begleitet. Die Expertengruppe hat am 13. Juni 2014 einen Bericht beim Bundesrat eingereicht, aufgrund dessen der Bund ein Umsetzungskonzept erstellte.
Herausforderungen
Die Umsetzung der Initiative ist eine Herausforderung.
Denn die für die einzelnen völkerrechtlichen Verträge zuständigen Bundesämter und Dienststellen haben die bestehenden internationalen Verträge auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 121a BV geprüft und folgende direkte oder potenzielle Konflikte ausgemacht:
- Ein Kernpunkt der Personenfreizügigkeit ist die Nichtdiskriminierung und die Inländerbehandlung (Art. 2 FZA(1)): Das bedeutet, dass Ausländer nicht als solche diskriminiert werden dürfen und in ihren Rechten wie Inländer zu behandeln sind. Dem steht Art. 121a BV gegenüber, der eine bevorzugte Behandlung der Schweizerinnen und Schweizer bzw. der Schweizer Wohnbevölkerung gegenüber ausländischen und zuwandernden Arbeitnehmenden vorsieht;
- Ein weiterer Konfliktpunkt bietet die «Stand still»-Klausel (Art. 13 FZA), wonach die Vertragsparteien keine neuen Beschränkungen für Staatsangehörige anderer Vertragsparteien einführen dürfen;
- Die Personenfreizügigkeit gibt zudem den Unselbständigen und selbständigen Erwerbstätigen sowie Grenzgängern einen Anspruch auf Aufenthalt (Art. 4 FZA);
- Auch Anspruch auf Aufenthalt haben Personen ohne Erwerbstätigkeit, wenn sie über genügende finanzielle Mittel und eine Krankenversicherung verfügen (Art. 6 FZA);
- Wer über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt, hat zudem Anspruch auf Nachzug der Familienangehörigen in auf- und absteigender Linie, sofern die Unterkunft geregelt ist (Art. 7 FZA).
Brüssel hat sich klar ausgedrückt. Die Europäische Union werde ein Gespräch mit der Schweiz nicht verweigern. Verhandlungen über Ausländerkontingente und Inländervorrang seien jedoch kein Thema. Das Umsetzungskonzept hat der Bundesrat im Juni 2014 vorgelegt. Die EU will sich jedoch erst dann ausführlich äussern, wenn der Gesetzesentwurf vorliegt.
Umsetzungskonzept des Bundesrats(2)
Ziel der Initiative ist die Steuerung der Zuwanderung durch die Schweiz. Zuwanderung wird vom Bund wie folgt definiert: Eine Person verlässt ihren Herkunftsstaat, um sich im Zielstaat dauerhaft oder für eine bestimmte längere Zeit aufzuhalten. Nicht kontingentiert werden gemäss Umsetzungskonzept deshalb Meldepflichtige (ein bis drei Monate) und Personen, die grenzüberschreitende Dienstleistungen erbringen (90 Tage innerhalb eines Jahres).
Kontingente eingeführt werden für Aufenthalte zwischen vier bis zwölf Monaten sowie für Grenzgänger. Vorgesehen ist, dass die Kantone ihren Bedarf ermitteln und diesen dem Bund melden. Auch vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge mit Aufenthaltsbewilligung werden kontingentiert. Hierfür wird der Bund anhand der bisherigen Erfahrungen Kontingente schaffen, welche leicht anzupassen sind. Personen im Asylverfahren fallen hingegen nicht unter diese Kontingente.
Angehörige von EU- und EFTA-Staaten werden weiterhin bevorzugt behandelt. Sie können unabhängig von ihrer beruflichen Qualifikation zugelassen werden. Aufenthaltsbewilligungen für Personen aus Drittstaaten werden jedoch nur Spezialisten und qualifizierten Arbeitskräften erteilt.
Der Inländervorrang soll gemäss dem Umsetzungskonzept des Bundesrats bei allen Bewilligungsarten gelten. Ein unbürokratisches und einfaches Verfahren soll den administrativen Aufwand mildern. Wird der Inländervorrang geprüft, sollen gleichzeitig die Lohn- und Arbeitsbedingungen unter die Lupe genommen werden.
Beim Familiennachzug gibt es keine Änderungen. Wer eine Aufenthaltsbewilligung hat, kann Kinder, Ehepartner, Eltern, Grosseltern oder Enkel nachziehen. Ob sich das Kriterium der gesicherten Existenzgrundlage auch auf den Familiennachzug bezieht, ist noch offen.
Meinungen zur Umsetzung
Der Bundesrat setzt die Initiative in einem aussergewöhnlich zügigen Tempo um. Obwohl dies aufgrund der politischen Anspannung und wirtschaftlichen Unsicherheit naheliegend ist, erachtet swissstaffing die wortgetreue Umsetzung von Art. 121a BV als nicht angebracht. Die Aufnahme der Verhandlungen mit der EU ist hingegen zu begrüssen. So bekundet der Bund das Interesse an einer Lösungsfindung und zeigt, dass sich die Schweiz nicht ganz abgrenzt. Wichtig ist, dass die Integration von zuwandernden Personen besser gelingt. Das Beherrschen einer Landessprache ist der erste Schritt dazu. Hierzu leistet der Gesamtarbeitsvertrag Personalverleih mit dem Weiterbildungsfonds temptraining einen wichtigen Beitrag.
Aus Sicht von swissstaffing stellt sich die Frage, wie der Inländervorrang respektive die Arbeitsbedingungen geprüft werden. Dauert das Prüfverfahren zu lange, bremst das die Wirtschaft. Für den Personalverleih sind administrative Verfahren umso weniger verträglich, als Temporäreinsätze in der Regel innert nur 48 Stunden vereinbart werden. Deshalb bedauert swissstaffing, dass auch Kurzaufenthalter (vier bis zwölf Monate) der Kontingentierung unterstehen. Ein Meldeverfahren für diese Gruppe wäre für die Gesamtwirtschaft verträglicher. Saisonale und konjunkturelle Schwankungen könnten so besser aufgefangen werden. Wir bedauern, dass der Bundesrat den Spielraum des Initiativtextes nicht genutzt hat.
Bei der SVP überwiegt die Kritik am Bund. Ihrer Meinung nach müssten der Zugang zu den Sozialwerken sowie der Familiennachzug (nur Ehepartner und Kinder) eingeschränkt werden. Ausserdem seien Verhandlungen mit der EU verfrüht. Die SVP hegt den Verdacht, dass der Bundesrat den Volksentscheid doch noch zu vereiteln versucht, indem er einen neuen bilateralen Vertrag mit der EU aushandelt, welcher nicht dem Initiativtext entspricht, und diesen Vertrag wiederum dem Schweizer Volk zur Abstimmung übergibt. So würde sich die Schweiz letztlich doch noch gegen die Masseneinwanderungsinitiative entscheiden. Weniger kritisch äussert sich die FDP. Das Konzept sei eine gute Umsetzung. Die Partei hätte es jedoch begrüsst, wenn der Bundesrat für Aufenthalte von vier bis zwölf Monaten keine Kontingente einführte. Dieser Meinung schliessen sich auch der Schweizerische Arbeitgeberverband und der Schweizerische Gewerbeverband an.
Weiteres Vorgehen
Bis Ende 2014 gibt der Bundesrat seinen Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung. Zudem sind verschiedene Begleitmassnahmen geplant, um die möglichen negativen Auswirkungen der beschränkten Zuwanderung aufzufangen. Beispielsweise soll das inländische Arbeitskräftepotenzial noch besser ausgeschöpft werden. Myra Fischer-Rosinger, Direktorin von swissstaffing, hat in HR Today Nr. 6 (Juni 2014) ausführlich über das Thema berichtet. Auch die Fachkräfteinitiative des Bundes zielt in diese Richtung. Die Frage ist, wie gross das inländische Potenzial tatsächlich ist. Zudem bleibt abzuwarten, wie das Konzept des Bundes im Detail umgesetzt wird und wie die einzelnen Verfahren ablaufen werden. Offen ist auch die weitere Zusammenarbeit mit der EU.
swissstaffing begrüsst es, dass der Bund schnell und konsequent handelt. Denn Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft. Wir setzen uns zusammen mit den Dachverbänden für eine wirtschaftsverträgliche und nachhaltige Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung ein. Extremlösungen bringen die Schweiz nicht weiter.
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- 1 Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA, SR 0.142.112.681)
- 2 Art. 121a BV (Steuerung der Zuwanderung), Umsetzungskonzept vom 20. Juni 2014