Bildung und Karriere

Validierung von Bildungsleistungen – durch Berufserfahrung zum Diplom

Viele Arbeitgeber erwarten von ihren Mitarbeitenden neben solidem Fachwissen auch eine Menge an Erfahrung. Solche Ergebnisse des lebenslangen und berufsgebundenen Lernens können nun auch mit anerkannten Abschlüssen zertifiziert und damit auch überbetrieblich als Kompetenz nutzbar werden.

Das Erfahrungswissen von Berufsleuten geht oft weit über das hinaus, was man in der ersten Ausbildung sowie bei Weiterbildungsmassnahmen «offiziell» gelernt hat und mit Zeugnissen belegen kann. Um so erworbene Kompetenzen anerkennen und zertifizieren zu können, haben in den vergangenen Jahren verschiedene Organisationen in der Schweiz entsprechende Modelle entwickelt. Auf nationaler Ebene koordiniert das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) das Projekt «Validierung von Bildungsleistungen» (www.validacquis.ch).

Durch die Anrechnung von nicht formal erworbenem Wissen und Fähigkeiten soll auch Erwachsenen der Zugang zu eidgenössischen Abschlüssen eröffnet werden, ohne dass sie dafür den ganzen üblichen Bildungsgang absolvieren müssen. Unter Federführung des BBT werden in Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), den Kantonen sowie den Organisationen der Arbeitswelt entsprechende Anrechnungsprozeduren entwickelt.

Grosses Interesse bei Berufsleuten

Wie das funktioniert, zeigt das Beispiel der Zürcherin Claudia Soriano. Die heute 26-Jährige arbeitete nach Abschluss der Sekundarschule zunächst als Praktikantin in einem Spital, wurde dann aber schwanger und konnte keine Ausbildung für einen Gesundheitsberuf aufnehmen. Sie arbeitete aber weiterhin in diesem Bereich, sowohl als Schwesternhelferin wie auch zuletzt im Sekretariatsbereich. Vor zwei Jahren wurde sie von ihrer damaligen Chefin darauf aufmerksam gemacht, dass es nun eine neue Möglichkeit für sie geben könnte, den ursprünglichen Berufswunsch zu verwirklichen. Sie meldete sich bei dem entsprechenden Validierungsprogramm des Kantons Zürich an und bekam noch einen der Zusatzplätze, die aufgrund der grossen Nachfrage eingerichtet werden mussten.

«Der Gesundheitsbereich ist nur eine von sieben Branchen, aus denen die Kantone eine hohe Nachfrage nach solchen Validierungsmöglichkeiten gemeldet haben», berichtet Susanna Mühlethaler, die beim BBT für das nationale Projekt zuständig ist. Neben dem Validierungsverfahren für «Fachangestellte Gesundheit» sind derzeit entsprechende Möglichkeiten für die Bereiche Informatik, KV, Detailhandel/Verkauf, Hotel/Gastro-Serviceangestellte, in der Pflege als Fachperson Betreuung sowie in der Logistik in Vorbereitung oder (vor allem in der Romandie) bereits lanciert. Dazu wurde von den Organisationen der Arbeitswelt im Rahmen des nationalen Projekts jeweils ein nationales Qualifikationsprofil als Instrument für den Validierungsprozess erstellt. Wie gross das Interesse ist, zeigen die Erfahrungen aus der Romandie, die zu den Vorreitern dieser Entwicklung zählt: In Genf wurden bereits mehr als 1000 Fähigkeitszeugnisse für Erwachsene ausgestellt.

Für Claudia Sorriano bedeutete dieser Weg zur Zertifizierung ihres Wissens und ihrer Fähigkeiten viel. Fehlende Kompetenzen musste sie in Ausbildungsmodulen nachholen, um das eidgenössische Fähigkeitszeugnis zu erwerben. «Mir war klar, dass ich diese Chance nur einmal habe, und deshalb habe ich von Anfang an intensiv auf die Prüfung hingearbeitet und sehr viel Zeit dafür investiert», betont sie. Neben schriftlichen Arbeiten zur Einschätzung der bei den Teilnehmenden in unterschiedlicher Ausprägung vorhandenen Kenntnisse gab es auch obligatorische Ausbildungsmodule wie beispielsweise Medizinaltechnik. «Da war es natürlich sehr von Vorteil, dass ich immer in einem Akutspital gearbeitet habe und von daher den neuesten Stand der Technik kannte», sagt Claudia Soriano, «die anderen Teilnehmerinnen hatten da teilweise schon mehr Mühe.» Denn das zu Lernende unterscheidet sich bei dieser Art von Nachholprüfungen nicht von dem, was auch in der schulischen Ausbildung vermittelt wird – nur dass der Lehrstoff von vier Monaten Schulunterricht nun in einem Intensivkurs von neun Tagen durchgenommen wird.

«Das sind keine Billig-Diplome», betont Susanna Mühlethaler, «die Validierungsverfahren finden mit den gleichen Experten statt wie bei den herkömmlichen Prüfungen.» Dennoch ist diese Art der nachträglichen Anerkennung eines Berufsabschlusses effizienter, da bei weitem nicht mehr so viele Bildungsleistungen zu erbringen sind – eben je nach der vorhandenen Berufserfahrung. So sieht Susanna Mühlethaler denn auch die Vorteile nicht nur auf Seiten der Arbeitnehmenden, die durch die Anerkennung ihrer Fähigkeiten an beruflicher Flexibilität und Mobilität gewinnen, sondern auch auf Seiten der Arbeitgeber. Die BBT-Projektleiterin weist darauf hin, dass es immer mehr Vorschriften gibt, nach denen eine festgelegte Anzahl von Personen in einem Betrieb über eine bestimmte Qualifikation verfügen muss. Dass der Grossverteiler Migros in Genf eng mit dem Kanton zusammenarbeitet und die Validierung im Rahmen der internen Weiterbildung fördert, ist ein deutlicher Beleg dafür, dass dieses Unternehmen hinter dem Projekt steht.

Auch internationale Anerkennung

Langfristig sollen Validierungsmöglichkeiten auch über den Bereich der beruflichen Grundbildung hinausgehen. Insgesamt soll somit das Bildungssystem durchlässiger werden und das Konzept des lebenslangen Lernens die entsprechenden Zertifizierungen zur Seite gestellt bekommen. Der Direktor des Schweizerischen Verbands für Weiterbildung SVEB, André Schläfli, zieht hier auch die Verbindung zu internationalen Entwicklungen: «Ich war selbst im Projekt Transfine engagiert, in dem ein durchlässiges System entworfen wurde, das alle Bildungsstufen umfasst.

Auch der Kopenhagen-Prozess bringt die Modularisierung mit der Kompetenzanerkennung in Verbindung. Besonders interessant werden gemeinsame internationale Entwicklungen im Bereich der Qualifikationsrahmen. Diese beschreiben Kompetenzen aus der beruflichen Praxis auf verschiedenen Niveaus des Könnens, Wissens und Verhaltens. Bestehende Abschlüsse werden diesen Ebenen zugeordnet. Mit diesem Instrument können auch die Kompetenzanerkennungen entsprechend zugeordnet und international vergleichbar gemacht werden.»

Claudia Soriano hat ihr Ziel erreicht: Nachdem sie die Prüfung zu den ergänzenden Modulen bestanden hat, darf sie nun die Berufsbezeichnung «Fachangestellte Gesundheit» führen und offiziell das tun, was sie bisher schon konnte, nur eben ohne Diplom. Für die junge Frau ist der späte Berufsabschluss aber nur ein erster Schritt zur weiteren Qualifizierung: Im März beginnt sie an der Höheren Berufsfachschule die Ausbildung zur Diplom-Pflegefachfrau.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Martin Winkel

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