Vergeudete Zeit oder Investition in die Zukunft? Was bringt ein Doktortitel?
Grundsätzlich ist ein Doktorat erst einmal eine Investition – zeitlich wie finanziell. Nur wer eine wissenschaftliche Karriere ins Auge fasst, kommt um den Titel nicht herum. Für alle anderen ist entweder schon der Weg das Ziel oder es treibt sie die Hoffnung auf bessere Aufstiegschancen nach der Promotion.
Mit der Frage, ob sich das lohnt, haben sich die Universitäten Zürich und Bern beschäftigt. Erstere berücksichtigt dabei ausschliesslich die Wirtschaftswissenschafter, von denen lediglich 8,7 Prozent promovieren. Doch gerade für diese zahlt sich eine Promotion in besonderem Masse aus, wie eine am Institut für Bankenwesen der Universität Zürich verfasste Untersuchung herausfand. Dafür haben die Autoren 441 ehemalige Studierende der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät befragt. Deren durchschnittliches Jahreseinkommen betrug zum Zeitpunkt der Studie 158 000 Franken.
Absolventen mit Promotion konnten hingegen durchschnittlich 39 700 Franken pro Jahr mehr verdienen. Die Berner Wissenschaftler haben für diese Frage auf der einen Seite die Absolventenstudie des Bundesamtes für Statistik ausgewertet, auf der anderen Seite auch einen eigenen Fragebogen an Promovierte versandt. Auch nach diesen Erkenntnissen verdienten Promovierte zwischen 5700 und 9700 Franken mehr – das gilt allerdings für alle fünf untersuchten Fachbereiche: Geistes- und Sozialwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Recht, Naturwissenschaften und technische Wissenschaften.
Schutz vor Arbeitslosigkeit
Die Zürcher Studie mit ihrem Schwerpunkt auf Wirtschaftswissenschafter konnte zwischen den Geschlechtern keine Unterschiede feststellen, die Erhebung der Universität Bern hingegen fand, dass sich eine Promotion vor allem für Männer lohnt: Das Einkommensniveau promovierter Frauen liegt ungefähr auf dem von nichtpromovierten Männern – wobei die Unterschiede in den einkommensstarken Fachrichtungen Recht und Wirtschaftswissenschaften am gravierendsten sind. Messbar ist auch der Schutz Promovierter vor Arbeitslosigkeit: zur Zeit der Umfrage waren 96,6 Prozent der Promovierten erwerbstätig, von den restlichen 3,4 Prozent war aber nur ein Fünftel auf Arbeitssuche. Die allgemeine Arbeitslosenquote in der Schweiz lag bei 3,6 Prozent.
Doch es sind nicht nur diese harten Faktoren, die darüber entscheiden, ob sich eine Promotion letztlich gelohnt hat. Demgegenüber steht auch der Spass an der Arbeit selbst. Für Dr. Roger Gfrörer, Leiter Career Services an der Universität Zürich, sollte eine Promotion keinesfalls als blosser Baustein für die Karriere angesehen werden. «Wenn nur der Gedanke an den Karriereboost im Vordergrund steht, sind das schlechte Voraussetzungen. Dann hat man sicher wenig Freude am Promovieren und schlussendlich ist es doch eine lange Zeit.» Eine lange Zeit, in der die Doktoranden auf Lohn, aber auch den gesellschaftlichen Status und das Prestige einer Festanstellung verzichten. Zudem müssten sie in dieser Zeit lernen, mit Ungewissheit umgehen zu können, denn das Resultat sei vorher unabsehbar, so Gfrörer.
Doch die, die es dennoch schaffen, werden später nicht nur durch ihren Lohn dafür entschädigt, sondern auch durch weiche Faktoren wie zum Beispiel die Zufriedenheit oder die Möglichkeit der persönlichen Entfaltung am Arbeitsplatz. Fünf bis zehn Jahre nach der Promotion sind rund drei Viertel der Promovierten der Meinung, dass es sich gelohnt hat, zu promovieren. Gut 35 Prozent stimmt dem voll und ganz zu, der Rest mit leichten Einschränkungen. Insgesamt, fanden die Berner Wissenschafter heraus, sind Promovierte zufriedener im Job als andere Arbeitnehmer und fühlen sich häufiger adäquat eingesetzt und beschäftigt.
Für Roger Gfrörer verfügen Promovierte über entscheidende Fähigkeiten: «Sie denken konzeptioneller und analytischer und haben eine höhere Problemlösungskompetenz als andere Absolventen.» Allerdings befürchtet er, dass viele Arbeitgeber diesen Mehrwert nicht erkennen. Zudem, so Gfrörer, sei es auch nicht nur der Titel, der zähle. «Man muss darüber hinaus in der Lage sein, einem Arbeitgeber zu zeigen, bei welchen Tätigkeiten neben der Promotion man Verantwortung übernommen hat: Projektleitungen, eigenen Vorlesungen, Tätigkeit in universitären Organisationen, Aufbau von Netzwerken innerhalb und ausserhalb der Universität.»
Höhere Reputation durch den Titel
Ein Unternehmen, das verhältnismässig viele Promovierte beschäftigt, ist das Kernkraftwerk Gösgen. Fast 50 Prozent der Mitglieder des oberen Managements seien promoviert, so HR-Leiter Dr. Frank Schwabe. «Bei zwei gleichen Bewerbern würde wahrscheinlich der das Rennen machen, der gezeigt hat, dass er in der Lage ist, analytisch vorgehen und ein komplexes Projekt wie eine Doktorarbeit bewältigen zu können.» Und tendenziell kann ein Mitarbeiter mit Doktortitel auf ein höheres Gehalt und eine höhere Einstiegsposition hoffen, denn die Zeit der Promotion wird als Berufserfahrung gewertet – sofern das Thema der Arbeit im Zusammenhang mit der Tätigkeit im Kraftwerk steht.
Etwas anders verhält es sich beispielsweise bei Freischaffenden und Selbständigen in der Kommunikationsbranche. «Wer sich die Arbeit macht, eine Doktorarbeit zu schreiben, praktiziert Motivationstraining für sich selber, denn man ist dabei ganz auf sich allein gestellt und fokussiert auf einen kleinen Bereich», so Dr. Andreas Jäggi, selbständiger Kommunikationsberater und Dozent an der Hochschule für Wirtschaft Zürich. «Ich bezwang damals den Himalaja», so Jäggi weiter und meint damit, dass es ihm vor allem darum ging, ein nicht alltägliches Ziel zu setzen und eine persönliche, intellektuelle Befriedigung zu erarbeiten. Als Freiberuflicher würde man in der Gesellschaft eher als Referent oder Podiumsdiskussionsteilnehmer angefragt, da der Doktortitel zur Reputation des Namens beiträgt. Es könne aber auch sein, so Jäggi weiter, dass er diese Wahrnehmung nur auf sich projiziert. «Was die Karriere in einem Unternehmen betrifft», so der Kommunikationsexperte, «wäre die Praxis hingegen wertvoller als ein Titel.»
Die Studien
Für die Studie «Promotion und Karriere» hat das Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Bern zwischen 2006 und 2008 Promovierte der Universitäten Basel, Bern, St. Gallen, Zürich und der ETH Zürich befragt. Dafür wurden 1329 Fragebögen ausgewertet. Weitere Informationen unter www.abs.unibe.ch
Die Studie «Die Absolventen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich und der Finanzplatz Zürich» wurde im Rahmen des Doktorandenseminars des Instituts für schweizerisches Bankenwesen der Universität Zürich von den externen Doktoranden Cédric El-Idrissi und Reto Wettstein erstellt. Für die Erhebung wurden rund 1800 Alumni angeschrieben, von denen 435 den Fragebogen beantworteten.