Arbeitsrecht

Verjährung im Arbeitsrecht

Die Verjährungsfristen sind im Obligationenrecht für Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht einheitlich geregelt. Sodann gelten auch für Ansprüche von Arbeitnehmern unterschiedliche Verjährungsfristen, was oft zu Unsicherheiten führt.

Verjährung bedeutet, dass ein Schuldner nach Ablauf der Verjährungsfrist seine Leistung verweigern kann. Eine verjährte Forderung kann also gerichtlich nicht mehr durchgesetzt werden. Der Richter darf die Verjährung nicht von Amtes wegen berücksichtigen (Art. 142 OR), will sich der Schuldner darauf berufen, muss er dies aktiv tun.

Gemäss Art. 341 Abs. 2 OR sind die allgemeinen Vorschriften über die Verjährung (Art. 127 – 142 OR) auch auf Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis anwendbar. Die Verjährung beginnt für jeden Anspruch mit seiner Fälligkeit zu laufen (Art. 130 Abs. 1 OR); Fälligkeit bedeutet, dass der Gläubiger seinen Anspruch geltend machen und die Leistung verlangen darf.

Art. 339 Abs. 1 OR sieht vor, dass mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig werden. Die Verjährungsfristen – wie sie im Obligationenrecht geregelt sind – sind zwingend und können durch Vertrag oder sonstige Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht geändert werden. Auch eine Vereinbarung in einem Gesamtarbeitsvertrag ist nicht zulässig. Es kann auch nicht im Voraus durch die Parteien bzw. den Schuldner auf die Verjährung verzichtet werden.

Forderungen des Arbeitgebers

Die Verjährungsfrist nach Obligationenrecht beträgt grundsätzlich 10 Jahre. Dieser Grundsatz gilt aber in seiner uneingeschränkten Form nur für Forderungen des Arbeitgebers. Sämtliche vertraglichen Forderungen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis verjähren erst nach zehn Jahren. Der Arbeitgeber muss allerdings darauf achten, dass er seine Forderung rechtzeitig, möglichst mit der nächsten Lohnzahlung, spätestens aber am Ende des Arbeitsverhältnisses, geltend macht. Andernfalls kann der Arbeitnehmer das Schweigen des Arbeitgebers unter Umständen als Verzicht auf die Forderung des Arbeitgebers verstehen, was allerdings nichts mit der Verjährung zu tun hat.

Forderungen des Arbeitnehmers

Gemäss Art. 128 Ziff. 3 OR verjähren Forderungen des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis bereits nach 5 Jahren. Es ist also grundsätzlich vom Obligationenrecht her eine kürzere Verjährungsfrist für die Arbeitnehmer als für die Arbeitgeber vorgesehen. Entgegen dem Wortlaut gilt diese kürzere Verjährungsfrist von 5 Jahren aber nur für geldwerte Leistungen, d.h. für Forderungen, die im weitesten Sinne die Arbeit entgelten. Unter diese Forderungen fallen gemäss der Gerichtspraxis und der juristischen Literatur neben dem Grundlohn auch die Gratifikationen, Boni, Erfolgsbeteiligungen, Überstundenlohn, Lohnzuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit, Ferienlohn, Teuerungszuschläge nach den anwendbaren Gesamtarbeitsverträgen, Spesen und Auslagenersatz, Karrenzentschädigungen sowie auch der Lohn bei unverschuldeter Verhinderung an der Arbeit gemäss Art. 324a OR.

Daneben gibt es Ansprüche der Arbeitnehmer, die erst nach 10 Jahren verjähren. So verjähren der Anspruch auf Ausstellung eines Arbeitszeugnisses gemäss Art. 330a OR, der Anspruch auf die Begründung einer Kündigung sowie auch Schadenersatz-, Genugtuungs- und Entschädigungsansprüche, ungeachtet dessen, ob ihre Grundlage im Obligationenrecht oder im Gleichstellungsgesetz zu finden ist, nach 10 Jahren. Art. 128 Ziff. 3 OR findet in solchen Fällen keine Anwendung.

Verjährung und Verwirkung von Ferien

Lange Zeit war nicht klar, ob für Ferien die 5- oder 10-jährige Verjährungsfirst zur Anwendung gelangt. Das Bundesgericht hat entschieden, dass Ferien innert 5 Jahren verjähren. Dabei sind Ferien, die bezogen werden, mit dem ältesten Ferienanspruch zu verrechnen. Der Ferienanspruch verjährt für jedes Dienstjahr separat ab seiner Fälligkeit. Fällig ist der Ferienanspruch mit dem im Arbeitsvertrag vorgesehenen oder vom Arbeitgeber bestimmten Feriendatum. Ansonsten ist anzunehmen, dass der Ferienanspruch am letzten Tag, ab dem es dem Arbeitnehmer noch möglich ist, seine ganzen Ferien des laufenden Dienstjahres zu beziehen, fällig wird.

Was passiert mit nicht bezogenen Ferien am Ende eines Jahres? Können diese auf das nachfolgende Jahr transferiert werden? Verbreitet ist die Ansicht, dass nicht bezogene Ferien am Ende eines Jahres verfallen. Auch allgemeine Arbeitsreglemente sehen oft ähnliche Regelungen vor. Das Bundesgericht hat grundsätzlich gegen die Zulässigkeit solcher Regelungen entschieden. D.h. nicht bezogene Ferien werden grundsätzlich ohne Weiteres auf die nächsten Jahre übertragen, wodurch sich das Ferienguthaben für die Folgejahre erhöht. Der Arbeitgeber muss daher den Ferienbezug anordnen, will er exorbitante Ferienguthaben verhindern. Nur die 5-jährige Verjährungsfrist schreitet hier mindern ein.

Lauf und Unterbrechung der Verjährung

Will man einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer einklagen, so sind in jedem Fall die Verjährungsfristen zu berücksichtigen. Gemäss Obligationenrecht beginnt die Verjährungsfrist mit der Fälligkeit der Forderung zu laufen. Dabei ist der Tag, ab dem die Verjährung läuft, nicht mitzurechnen. Die Verjährungsfrist ist dann als beendigt zu betrachten, wenn der letzte Tag unbenützt verstrichen ist (Art. 132 Abs. 1 OR). Fällt der letzte Tag auf einen Samstag, Sonntag oder einen staatlich anerkannten Feiertag, läuft die Verjährungsfrist erst am nächstfolgenden Werktag ab.

Die Verjährungsfrist kann unterbrochen werden. Dadurch beginnt sie von neuem zu laufen. Als Handlungen, die die Verjährung unterbrechen, gelten etwa die Einleitung einer Betreibung oder einer Klage und die Eingabe in einem Konkurs. Als Alternative zu diesen drastischen Massnahmen bedient sich der juristische Profi häufig der sogenannten Verjährungsverzichtserklärung. Bei dieser Erklärung verpflichtet sich der Schuldner, für einen bestimmten Zeitraum auf die Geltendmachung der Einrede der Verjährung zu verzichten. Die Verjährungsverzichtserklärung bietet sich gerade dort an, wo der Gläubiger den Anspruch als solchen noch gar nicht geltend machen will oder aufgrund des Fehlens gewisser Sachverhaltselemente (wie z.B. Lohnberechnungen, Berechnung Feriensaldi etc.) noch gar nicht geltend machen kann

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Nicolas Facincani, lic. iur., LL.M., ist Partner der Anwaltskanzlei Voillat Facincani Sutter + Partner. Er ist als Rechtsanwalt tätig und berät Unternehmen und Private vorwiegend in wirtschafts- und arbeitsrechtlichen Belangen. Er doziert zudem regelmässig zum Arbeitsrecht. www.vfs-partner.ch

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Reto Sutter, Dr. iur., LL.M., ist Partner der Anwaltskanzlei Voillat Facincani Sutter + Partner. Er ist Rechtsanwalt und dipl. Steuerexperte. Er berät Unternehmen und Private vorwiegend in wirtschafts- und arbeitsrechtlichen sowie steuerrechtlichen Angelegenheiten. www.vfs-partner.ch

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