Virtuelle Teams: Ihre Führung braucht weltumspannendes Vertrauen
Die Leitung von interdisziplinären Forschungsprojekten, die Internationalisierung von Konzernen durch Fusionen und Markterweiterung und die wachsende Fachspezialisierung von Mitarbeitenden verlangen nach anderen Formen der Führungsarbeit. Projekt- und Teamarbeit wird immer häufiger virtuell organisiert. Welche Hürden sind dabei zu nehmen?
Die Auseinandersetzung mit den Themenbereichen Teamentwicklung, interkulturelle Unterschiede, Mitarbeiterqualifikation, Rollenkonflikt und Kommunikation zwischen Partnern stellt eine wiederkehrende Herausforderung für jede Führungskraft dar. Nach Sabine Remdisch, Professorin an der Universität Lüneburg, handelt es sich um Schlüsselthemen in der Führungsarbeit mit einem virtuellen Team.
Ohne informelle Kommunikationsmittel häufen sich Missverständnisse
Gerade in einem virtuellen Team ist es wichtig eine emotionale Verbindung unter den Teammitgliedern herzustellen, da sich das Team nicht am selben Standort befindet. Im extremsten Falle sehen sich Teammitglieder nie oder kommunizieren nur mittels Video- oder Telefonkonferenzen. Im Vordergrund bleiben zwar der Austausch von Informationen und Wissen und das Hinarbeiten auf das gemeinsame Ziel, doch erfolgt die Teamentwicklung langsamer und chaotischer. Führungskräfte sollten förmlich spüren, wie es dem Team gerade geht und bewusst in die Teamentwicklung investieren. Doch wie soll das gehen auf Distanz?
Jedes Team ist einzigartig, entwickelt seine eigene Dynamik und schafft seine eigene Kultur. Die überregionalen oder internationalen Zusammensetzungen virtueller Teams verstärken oftmals diese Dynamik. Die kulturellen Unterschiede der Teammitglieder sind in der «Formingphase» anregend, wirken sich später aber direkt auf die Zusammenarbeit aus. Kulturelle Unterschiede der Teammitglieder in Bezug auf Nationalität, ethnische Herkunft oder Religionszugehörigkeit bergen ein hohes Potenzial für Missverständnisse. Ein einfacher E-Mailaustausch kann so zu Frustrationen und Konflikten führen, wenn der Empfänger nicht dort abgeholt wird, wo er in seinem Arbeitskontext gerade steht. Wo kann ich hier als Führungskraft in der Auseinandersetzung mit den Gepflogenheiten ansetzen?
Oft arbeiten Teammitglieder nicht ausschliesslich in virtuellen Teams, sondern auch gleichzeitig parallel dazu in klassischen Teams. Damit vertreten sie nicht nur die Interessen, um als Gruppe zum Ziel zu gelangen, sondern sie vertreten auch Eigeninteressen oder Interessen der Region, was zu einem Rollenkonflikt führen kann. Wie finde ich hier als Teamleiter die richtige Vorgehensweise?
Kommunikation ist die Grundlage jeglicher Zusammenarbeit und beschränkt sich nicht nur auf den richtigen Umgang mit den verschiedenen Kommunikationsmedien, sondern muss in ihrer Form und Häufigkeit auch den menschlichen Bedürfnissen Rechnung tragen.
Die Distanz im virtuellen Team schränkt den Informationsaustausch mittels Emotio-nen, Mimik, Gestik und Intonation stark ein. Die innerhalb eines Standortes verfügbaren informellen Kommunikationsmöglichkeiten entfallen, was Missverständnisse fördert. Wie kann ich als Führungskraft dieser Gratwanderung zwischen zu viel und zu wenig als auch dem möglicherweise wachsenden Kontrollverlust erfolgreich begegnen?
Mitglieder eines virtuellen Teams müssen einen hohen Grad an Selbstorganisation mitbringen. Es ist von zentraler Wichtigkeit, dass Teammitglieder als Qualifikationsvorgabe selbständig arbeiten können und ihre Aufgaben im Rahmen der Zielvorgabe eigenverantwortlich wahrnehmen, ohne ständige Kontrolle von aussen. Der Projektkoordinator muss mit der Unsicherheit unvollständiger Informationen und unsicheren Situationen umgehen können. Wie kann ich als Projektleiterin überprüfen, ob auch neben der fachlichen Kompetenz auch das Zusammenspiel im Team funktioniert?
In der virtuellen Welt besteht ein Vertrauensdilemma
Der Kitt, der zu erfolgreichen Wechselwirkungen zwischen den oben erwähnten Schlüsselthemen führt, ist das gegenseitige Vertrauen zwischen Teammitgliedern und Teamleiter. Vertrauen ist somit die wichtigste Voraussetzung in der Führung auf Distanz, um das Team auf ein Maximum an Leistungsfähigkeit zu bringen. Gerade in der virtuellen Welt besteht aber ein Vertrauensdilemma: Je virtueller das Team, desto schwieriger gestaltet sich der Prozess, Vertrauen aufzubauen. Gleichzeitig setzt das Arbeiten in virtuellen Netzwerken starkes Vertrauen in Personen voraus, die man nur virtuell kennt.
Aus dieser Unsicherheit heraus kann für die Teamleiter ein erhöhtes Kontrollbedürfnis entstehen, um die Arbeitsfortschritte im Auge zu behalten. Gefragt sind aber ein niedriges Kontrollbedürfnis und somit eine vertrauensgeprägte Grundhaltung. Die folgende Checkliste soll Anregungen geben und auf zentrale Aspekte bezüglich Aufbau, Erhalt und Überprüfung von Vertrauen aufmerksam machen. Sie dient dazu, den Prozess zu unterstützen, und unterscheidet sich dadurch von einer reinen Liste zum Abhaken.
- Im Rahmen der Diplomarbeit für das Diploma of Advanced Studies ZFH in Leadership (DAS) am IAP Institut für Angewandte Psychologie in Zürich hat ein Projektteam unter Leitung von Gabriela S. Wyss einen Leitfaden zum Thema «Vertrauen – ein wesentlicher Aspekt in der Führung auf Distanz» erstellt und eine Checkliste ausgearbeitet. Copyright © 2008 Brigitte Zurbriggen, Gabriela S. Wyss, Ueli Wiesmann, Anna Graber, Denise Eigenmann. Alle Rechte vorbehalten.