Vom Verwalten zum Gestalten – neue Dynamik im Talentmanagement
Ein System allein macht noch kein Talentmanagement. Doch spezifische Lösungen vereinfachen den Prozess, vorausgesetzt, das HR ist darauf eingestellt.
(Foto: iStockphoto)
HR ist heute ein elementarer Baustein der strategischen Unternehmensführung und mehr denn je an der strategischen Unternehmensplanung beteiligt. In der Folge bleibt weniger Zeit für administrative Tätigkeiten, die bisher die Arbeit prägten. Es sind flexible Prozesse gefragt für eine transparente Beurteilung von Mitarbeitern, ein transparentes leistungs- und branchengerechtes Entlohnungssystem sowie Analyse- und Reportingmöglichkeiten für das Assessment des Mitarbeiterpotenzials.
HR sollte sich der dynamischen Prozessgestaltung zuwenden
Hinzu kommt, dass Unternehmen heute global aufgestellt sind und ihre internen Prozesse zum Talentmanagement besser organisieren müssen, damit sie ihre Stellung an verschiedenen Märkten ausbauen können. Dies erhöht den Druck auf die HR-Abteilungen ein weiteres Mal, denn sie müssen die steigenden Umsetzungsanforderungen einheitlicher globaler Prozesse zumeist mit einer ausgedünnten Personaldecke bewältigen. Zugleich müssen sie jederzeit HR-Kennzahlen spontan, kurz-fristig und flexibel liefern können.
Durch diese Vielzahl an strategischen Aufgaben ist technische Unterstützung beim Tagesgeschäft selbstverständlich. Bei der Suche nach Lösungen fällt die Wahl meist auf Systeme, die so viel Best Practice wie möglich anbieten. Auch der Auswahlprozess beim Kauf hat sich verändert: Adaptierte man früher die Technik an die Anforderungen des Unternehmens, so vertrauen Personaler heute auf die Lösungen der Anbieter, die auf Erfahrungen mit vielen tausend Unternehmen basieren.
Wichtig ist ausserdem, dass die Lösung international einsetzbar ist, aber zugleich lokale Gepflogenheiten in Sachen HR berücksichtigt, denn gerade Detailkenntnisse europäischer und asiatischer Kulturen sind vielen Lösungsanbietern fremd. Sie sind entweder zu US-fokussiert oder nur auf einem zu kleinen Heimatmarkt aktiv.
HR-Abteilungen müssen sich heute vom Gedanken der eher «statischen Mitarbeiterbetreuung» lösen und sich der Veränderung ihres Aufgabengebiets hin zur «dynamischen Prozessgestaltung» zuwenden. Und dies vor dem Hintergrund wachsender Internationalität, drastisch sinkender Reaktionszeiten zur Umsetzung von Massnahmen sowie eines zwangsläufig gestiegenen Einsatzes von IT-Technologie.
Talententwicklung wird meist den Linienvorgesetzten überlassen
Für Schweizer HR-Manager gibt es aufgrund der spezifischen Wirtschaftsstruktur des Landes zusätzliche Herausforderungen. Gefragt ist hier in der Regel der richtige Mix aus Lösungen, die international funktionieren und zugleich «typische» Schweizer Eigenheiten beachten. In einer Studie bekundeten mehr als 80 Prozent der befragten Schweizer Unternehmen, dass die qualifizierte Talententwicklung den Linienvorgesetzten überlassen wird. Abgeleitet und übersetzt auf unsere Erfahrungen ergeben sich daraus folgende Anforderungen an Talentmanagement-Systeme: Sie müssen einfach, benutzerfreundlich, intuitiv, auf das Wesentliche fokussiert, aber dennoch ausgeprägt im Leistungsumfang sein.
Genau darin spiegelt sich die grösste Herausforderung für die Anbieter: Die Systeme sollen einerseits dem KISS-Prinzip folgen (keep it simple and stupid), andererseits sollen sich in einem System sämtliche prozessualen und fachlichen Anforderungen des Unternehmens wiederfinden. Systemanbieter müssen daher einerseits einen hohen Leistungsumfang bereits im Standard bieten, andererseits aber auch eine hohe Systemflexibilität gewährleisten, denn idealerweise ist ein Talentmanagement-System innerhalb kürzester Zeit genau gemäss den Anforderungen des Unternehmens zu implementieren.
Letztendlich sind damit die Anbieter gefragt, die einerseits eine hohe Expertise mitbringen, andererseits in ihren Systemen einen hohen Grad an Flexibilität anbieten, damit sich kundenindividuelle Wünsche abweichend vom Standard kostengünstig umsetzen lassen. Und damit nicht genug, denn das System ist nicht der alleinige Schlüssel zum Erfolg der Kunden bei der nachhaltigen Umsetzung des derzeitigen wie des künftigen Talentmanagement-Konzepts. Die Berater des Softwareanbieters müssen in der Lage sein, auch latente Kundenbedürfnisse zu erkennen und auf Möglichkeiten des Funktionsumfangs der angebotenen Softwarelösung zu abstrahieren.
Bereits installierte Individuallösung muss ins System integrierbar sein
Der Personaler als Teil der strategischen Unternehmensführung muss umdenken: weg vom Verwalten und hin zum Gestalten. Dabei kommt der Technologie die entscheidende Rolle zu, denn sie nimmt ihm die Arbeit der weniger wertschöpfenden Prozesse ab. Bei einem Anteil von 60 bis 70 Prozent der Arbeit für Reporting zeigt sich die Dimension, in der die technische Unterstützung für das HR wertvoll ist.
Die Schwierigkeit liegt in den landesspezifischen Eigenheiten bei HR-Prozessen, weshalb standardisierte Software in den meisten Fällen nicht funktioniert. Zudem sind in vielen Unternehmen bereits technische Individuallösungen installiert, die in das System integrierbar sein müssen. Die Anbieter sollten daher HR- und Technologieprofis sein, um die technische Lösung durch ein tiefes Verständnis des Themas richtig umsetzen zu können.
Mitarbeiter aus aller Welt prägen Schweizer Bedürfnisse
Die Schweiz kann sich diesen Entwicklungen nicht entziehen. Einerseits ist die Nachfrage im Land vor allem bei Lösungen für das E-Recruiting zur Vereinfachung und Optimierung des Bewerbermanagements gestiegen. Auf der anderen Seite befinden sich zahlreiche internationale Unternehmenszentralen in der Schweiz. Und genau in diesen Konzernzentralen wird das Thema Talentmanagement strategisch und konzernübergreifend betrieben. Daraus folgt die Herausforderung, dass unternehmensweit ausgerollte Talentmanagement-Systeme multilingual sein müssen. Manche Kunden setzen ihr System in vier oder mehr Sprachversionen ein.
Fachlich und inhaltlich gesehen finden sich in vielen Schweizer Systemimplementierungen Schwerpunkte im Bereich Compensation Management wieder. Unternehmen knüpfen ihre individuellen Entlohnungssysteme immer häufiger an Kennzahlen aus dem Skill- & Kompetenzmanagement sowie aus dem Performance Management. Daher müssen die Informationen über Gehaltsbezüge im Talentmanagement-System abgebildet sein – und zwar nicht nur als reine «historische» Gehaltsbezüge, sondern transparent und nachvollziehbar. Andererseits müssen diese Compensation-Informationen in beliebigen Währungen systemisch abgebildet und historisiert werden können, um der oben geschilderten Anforderung zu genügen, Führungskräfte und Mitarbeiter «aus aller Welt» und damit auch ausserhalb der Region des Schweizer Frankens datentechnisch betrachten und vergleichen zu können.
Für die nächsten Jahre stehen wir vor verschiedenen Trends. Eine der drängendsten Fragen aufgrund des Fachkräftemangels ist sicherlich der Umgang mit Silver Workers und wie man sie fit für neue Jobs macht. Auch in Sachen Abbildung leistungsgerechter Entlohnungssysteme ist man noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. All dies muss in den Talentmanagement-Lösungen von morgen berücksichtigt werden. Zudem sollten diese zur Prozessunterstützung auf mobilen Endgeräten nutzbar sein.