Von der schwierigen Aufgabe, den richtigen (HR-)Berater zu finden
2009 wurde im Management-Beratungsmarkt ein Umsatz von 1,25 Milliarden Franken erzielt. Ein grosser Kuchen, von dem viele gerne ein Stück hätten. Da ist es für die Kunden umso wichtiger, sich zu fragen, was gute Beratung ausmacht und wann es sinnvoll ist, externe Beratung anzuheuern oder auf die interne zu setzen. Experten geben Antwort.
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Berater darf sich jeder nennen, die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt. Das Berufsbild ist landläufig umstritten und geniesst traditionell keinen so guten Ruf: Berater gelten als praxisferne Theoretiker, die mit Heerscharen von Absolventen in die Unternehmen einfallen und auf Teufel komm raus Kosten senken. Nicht wenige Witze und Anekdoten über Berater machen die Runde.
«Berater-Bashing entbehrt nicht jeglicher Grundlage», meint Hans Willi, Leiter des Studiengangs HR Consulting an der ZHAW. «Sehr viele Berater arbeiten mit pfannenfertigen Lösungen, die sie vielleicht ein bisschen an die Realität im jeweiligen Unternehmen anpassen.» Auch Dieter Kern, Leiter HR und Change- Management-Beratung für die DACH-Region bei Capgemini Consulting, kennt diese Vorbehalte: «Ich bin seit zwölf Jahren in der Branche. Die Vorurteile hat es schon immer gegeben, und da ist auch ein Stück weit was dran. Wir Berater müssen uns dem selbstkritisch stellen. Denn wenn Beratung gut gemacht ist, ist sie nicht nur eine hochpreisige, sondern auch eine höchst sinnvolle Dienstleistung.»
Reines Experten-Know-how reicht für eine gute Beratung nicht mehr aus
Doch was zeichnet gute Beratung aus? Die Befragten sind sich einig, dass den Beratern keinesfalls die Aufgabe zukommt, den Unternehmen zu diktieren, wie sie was tun müssen. Wer Beratung so versteht, hat sie falsch verstanden. «Berater wissen ja nicht a priori mehr als das Unternehmen. Im Gegenteil, beim Kunden ist in der Regel viel mehr Wissen vorhanden. Dieses Know-how ist jedoch oft verschüttet, versteckt, blockiert, und das Unternehmen hat es deshalb noch nicht geschafft, die notwendige Veränderung aus eigener Kraft in Gang zu bringen. Da setzt nun die Aufgabe der Berater ein. Sie verhelfen dem Kundensystem dazu, seine Ressourcen zu entdecken, freizulegen, und so zu Lösungsoptionen zu gelangen», erklärt Willi.
Dennoch gebe es durchaus auch Fragestellungen in Organisationen, wo klare Hinweise eines Experten beziehungsweise ganze Lösungsoptionen dem Kunden helfen können. Doch das sei nur ein Teil der Lösung. «Berater und Unternehmen werden sich mehr und mehr bewusst, dass reines Experten-Know-how nicht mehr reicht. Es braucht zusätzliches Wissen über Methoden, wie die vom Experten vorgeschlagene Lösung optimal ins soziale System des Kunden eingeführt werden kann», so Willi.
Zum Beispiel genüge es bei der Einführung einer neuen Software nicht, diese einfach zur Verfügung zu stellen, vielmehr müsse man sich auch fragen, was die Implementierung in den Prozessen und im sozialen System des Unternehmens auslösen könnten. «Es geht bei Beratung also sowohl um Fach- respektive Expertenwissen als auch um Moderations- beziehungsweise Prozesskompetenz – man spricht in solchen Fällen von Komplementärberatung.»
Roland Niggli, Geschäftsleiter von Boss Consulting und seit fünfzehn Jahren ausschliesslich in der HR-Beratung tätig, sieht im Beratungsprozess vor allem sein Erfahrungswissen gefragt: «Von uns ist vor allem die Konzeption und operative Umsetzung von strategischen HR-Projekten gefragt. Im HR gibt es in dem Sinne ja keine wirklich neuen Errungenschaften. Es geht vor allem darum, die altbewährten Konzepte und Modelle unternehmensspezifisch anzupassen und zum Laufen zu bringen.»
Die gegenwärtig wichtigsten Themen sind seiner Erfahrung nach Performance Management, Potential Management, Management Development sowie die Ausrichtung der HR-Strukturen und -Prozesse auf die unternehmensspezifischen Anforderungen. HR-Strategie spielt seiner Meinung nach eine untergeordnete Rolle: «HR-Strategien mit einem direkten Bezug zur Unternehmensstrategie gibt es im HR selten. Lediglich ca. 30 Prozent der HR-Abteilungen sind überhaupt in den Strategieprozess involviert und von denen hat nur ungefähr die Hälfte eine eigenständige und verbindliche HR-Strategie abgeleitet.»
Die Relevanz der HR-Beratung schwankt mit der Konjunktur
Der Beratungsmarkt ist in der Schweiz, wie überall, extrem heterogen. Auf der einen Seite gibt es die HR-Management- und Prozessberater, auf der anderen Seite die Personal-Berater, die Leistungen entlang dem Employee Lifecycle anbieten: vom Recruiting über die Entwicklung bis hin zur Entlassung oder zum Outplacement. Grosse internationale Beratungshäuser sind ebenso auf dem Markt aktiv wie eine Vielzahl von Kleinunternehmen und Einzelkämpfern. Auch die thematischen Schwerpunkte schwanken.
Im Nischenmarkt der HR-Beratung sei die Erhebung von belastbarem Zahlenmaterial schwierig, so Roberto Busin, Vorstandsmitglied des Verbandes für Management Consulting ASCO und verantwortlich für Studien. Der Branchenverband hat in seiner aktuellen Marktstudie für das Jahr 2009 einen Gesamtumsatz auf dem Management-Beratungsmarkt von 1,25 Milliarden Franken erhoben. Das entspricht einem Rückgang um vier Prozent gegenüber dem Vorjahr. Von diesem Gesamtvolumen macht die HR-Management- Beratung etwa fünf bis acht Prozent aus, sagt Busin. «Die HR-Beratung bleibt ein Spezialistengebiet, im Gegensatz zur Accounting-Beratung, die zwischen 50 und 60 Prozent ausmacht.» Als der Beratungsmarkt 2009 nachgab, seien HR-Projekte unter den ersten gewesen, die gestrichen oder verschoben wurden. «Das sind die Projekte, die für das nackte Überleben von Unternehmen nicht die höchste Priorität haben. Jetzt sieht man aber, wie diese wieder an Relevanz gewinnen.»
Kunden erwarten die gleiche Leistung mit weniger Personal
Generell erfreue sich der Markt jedoch eines stetigen Interesses. «Durch medienwirksamen Themen wie den War for Talents gibt es eine hohe Aufmerksamkeit», beobachtet Kern. So komme es auch, dass viele der grossen Strategieberatungsunternehmen immer mal wieder versuchten, mit der HR-Beratung neue Geschäftsfelder zu erschliessen. Und nicht nur sie. Auch von Seiten der Personaldienstleister, die bis anhin eher im Bereich Vermittlung und Search aktiv waren, gibt es Versuche, mit HR-Beratungsdienstleistungen neues Business zu generieren. Eine Gratwanderung, findet Busin.
Und auch Niggli sieht hier grosses Konfliktpotenzial. «Diese Dienstleistungen beissen sich einfach. Das Insiderwissen in Bezug auf einzelne Potenzial- und Leistungsträger, welches die Berater aus ihren Projekten gewinnen, schafft im Zusammenhang mit der Kandidatensuche zwangsläufig ein gewisses Konfliktpotenzial. Beratungsunternehmen, welche sowohl HR Consulting als auch Vermittlungsleistungen anbieten, bewegen sich somit in einem kritischen Graubereich. Das ist den Auftraggebern natürlich auch bewusst.»
Ein weiterer wichtiger Punkt in der HR-Beratung, so die Befragten, ist die Erfahrung. Es werde überdurchschnittlich viel vorausgesetzt, lautet der Tenor. «Ich kann keinen Berater verkaufen, der nicht mindestens fünf Jahre praktische Erfahrung in der Entwicklung, Konzeption und Umsetzung von HR-Projekten hat», weiss Niggli.
Nach Ansicht von Kern ist dies ein wichtiger Punkt, in dem sich die Beratung gewandelt hat: «Die Unternehmen sind sehr viel kritischer geworden, was die Auswahl der Berater betrifft – und zwar sowohl in Bezug auf Unternehmen als auch auf einzelne Personen», weiss Kern. «Es wird sehr viel Expertise und ‹Hab-ich-schon-gemacht-Kompetenz› nachgefragt.» Es sei schwieriger geworden, den Mehrwert mit den gleichen Kapazitäten wie früher zu liefern. «Heute erwarten die Kunden, dass Sie die gleiche Arbeit, die Sie früher mit fünf Beratern erledigt haben, zu zweit machen.» Und dadurch dass es eine hohe Anzahl von Beratern in den Unternehmen selbst gibt, werden bestimmte Themen gar nicht mehr an Berater vergeben. «Zudem hat durch viele frühere Berater, die heute in der Inhouseberatung tätig sind, ein grosser Know-how-Transfer stattgefunden».
Konkurrenz zwischen interner und externer Beratung also? Ein Stück weit vielleicht. Denn der Prozess des Beratens ist grundsätzlich der gleiche, egal ob ein interner oder externer Berater am Werk sei, meint Willi. Die beiden Arten der Beratung haben ihre jeweiligen Vor- und Nachteile und ihre spezifischen Einsatzfelder: «Tendenziell würde ich sagen, dass interne HR-Berater in der Umsetzung der HR-Systeme wie Kompetenzenmanagement, Performance Management und HR-Marketing viel Professionalität aufweisen. Bei der Begleitung von Organisationsentwicklungs- respektive Change-Prozessen und bei der Aufarbeitung von Konflikten in fortgeschrittenem Stadium sind externe Berater mit ihrer Aussensicht grundsätzlich eher im Vorteil.»
Für Willi kämpft die interne Beratung jedoch vor allem mit einem Problem: der Wahrnehmung. «Die Linie nimmt in vielen Fällen das HR gar nicht als Ansprechpartner im Sinne eines Beraters wahr. Es ist ihnen nicht präsent, und sie suchen eher extern nach Unterstützung, weil sich das HR in diesem Bereich noch wenig profiliert hat und oft auch noch nicht über das ausreichende Beratungs-Know-how verfügt.»
Die interne Beratung ist für Willi wie ein Kind, das noch am Wachsen ist. Es sei Aufgabe der HR-Berater, sich fachlich zu qualifizieren und zu profilieren, um als echter Partner auf Augenhöhe mit der Linie anerkannt zu werden. Ferner sei es grundlegend, die interne Beratung als möglichst unabhängige Dienstleisterin zu positionieren. «Eine Beratungsperson kann nur dann glaubwürdig einen Beratungsprozess leiten, wenn sie von allen Beteiligten als in hohem Mass unabhängig und neutral angesehen wird.»
Im Zentrum dieser Anstrengungen stehen laut Willi vor allem Ruf und Image einer Person. Basis dafür seien nicht nur die Ausbildung, sondern auch die Erfahrung und die Persönlichkeit. Und an dieser Stelle schliesst sich der Kreis: Denn diese Kriterien bringen nicht nur die interne Beratung zum Erfolg – sondern ebenso die externe.