HR-Beratung

Von der Theorie in die Praxis: Ein Beruf sucht nach seinem Selbstverständnis

Über interne HR-Beratung gibt es viel theoretisches Wissen. Wie eine solche Beratung aber in der Praxis ablaufen soll, 
darüber ist wenig zu erfahren. Dabei gibt es viele praktische Fragen an den internen HR-Berater: Über das Rollenverständnis, die Wahl des passenden Modells bis hin zum Umgang mit Herausforderungen. Hier finden Sie die Antworten.

Wenn man das Stichwort «HR-Beratung» bei Google eingibt, erzielt man 471 000 Treffer (Stand: 17.09.10). Eine Betrachtung der ersten Adressen zeigt: Unter dem Suchwort tauchen primär Beratungsfirmen auf, die den Unternehmen im Management ihrer Humanressourcen Unterstützung anbieten: Konzepte, Instrumente, Prozessdesigns, Software oder das ganze Paket.

Licht ins Dunkel der verschiedenen Erwartungshaltungen bringen

Dazwischen findet man Seitenverweise einer anderen Art. Sie führen direkt zu den HR-
Abteilungen und informieren darüber, dass es dort eine interne Funktionsbezeichnung gibt, die HR-Berater/in lautet. Der Begriff ist also doppelt besetzt, mit unterschiedlichen Bedeutungen. Auf interner Seite – um die es im Folgenden gehen soll – spiegeln Funktionsbezeichnungen wie HR-Berater, HR-Consultant oder HR-Advisor ausdrücklich ein HRM-Rollenverständnis wider, das auch anderen Bezeichnungen wie HR-Business Partner oder HR-Manager zugrunde liegt.

Es lässt sich etwa so formulieren: Damit das HRM einen Wertschöpfungsbeitrag in der Organisation leisten kann, reicht es nicht, effiziente, strategieunterstützende HR-Systeme und -Prozesse zu designen und aufzusetzen. Sie müssen auch vermittelt und passend umgesetzt werden. Dafür soll die Linie fachkundige Unterstützung durch das HRM erhalten. Diese Unterstützung kann nicht anordnend und soll nicht ausführend sein – sie ist beratender Natur. Während die Themenfelder der HR-Beratungsleistung in HR-Strategieumsetzung, in operativen HR-Fragen und in Führungsfragen theoretisch gut beschrieben sind, findet man vergleichsweise wenige Ausführungen darüber, wie genau diese Beratung in der Praxis funktionieren soll. Das wiederum ist eine relevante Frage, die nicht allein mit Hinweis auf den Erwerb von Beratungskompetenzen und -tools beantwortet ist. Denn mit der Konstruktion einer Beratungsaufgabe verbindet sich immer die Konstruktion eines Gefälles, einer Beziehungsasymmetrie: Eine Seite sollte ratlos sein und die andere Seite als jemanden wahrnehmen, der Abhilfe schaffen kann. Das ist die erste Prämisse, sie führt zu Fragen der Akzeptanz.

Die zweite Voraussetzung ist, dass die Beratung in einer Art und Weise erbracht wird, die einerseits dem Problem angemessen ist und auf der anderen Seite die Bedürfnisse abholen und beantworten kann. Denn Beratung ist mit einer Unmenge an Bildern und daraus abgeleiteten Erwartungen belegt – vom Anlageberater, der letztlich seine Produkte verkaufen möchte, bis hin zum Paarberater, der «nur» seine Beratungskompetenz verkauft. Für die interne HR-Beratung ist also die Frage nach deren Art, Stil und Modell zu klären.

Eine diesbezügliche Konkretisierung findet sich zum Beispiel bei Ulrich & Brockbank (1): Sie sehen den strategischen Partner als einen, der Führungskräfte darin berät, was getan werden sollte und wie. Das Corporate Leadership Council formuliert in seiner Studie über Business Partner (2), dass diese ein (HR-)Problem akkurat diagnostizieren, dann eine deutliche und fundierte Meinung bezüglich der Lösung entwickeln und klare Erwartungshaltungen hinsichtlich der Umsetzung formulieren sollen. Beides entspricht dem Arzt-Patienten-Modell der Beratung, wie es Ed Schein beschreibt (siehe Tabelle 1). Man erahnt es: Dieser Ansatz funktioniert nur, wenn man den Berater diagnostizieren lässt, er es kann, und man danach das Rezept einlöst. Wenn aber Problem und mögliche Lösung zu diffus sind, um zielgerichtet zu diagnostizieren und zu definieren, wie der Sollzustand am Ende aussieht, dann ist dieses Modell erfolgsunwahrscheinlich. Unklare, mehrdeutige Ausgangslagen und Sollzustände sind beispielsweise im Thema «schwierige Führungssituationen» eher Regel als Ausnahme und wären im Modell Prozessberatung erfolgreicher zu bearbeiten.

Es gibt also eine Reihe an Fragen an die Rolle der internen HR-Berater: In welchen Themen beraten sie? Nach welchen Modellen beziehungsweise in welchen Stilen tun sie das? Wo erleben sie Hindernisse, worin sehen sie Herausforderungen? Eine Online-Befragung, die das IAP im Februar 2010 durchgeführt hat, sollte Aufschluss darüber geben. 105 HR-Verantwortliche (3) aus verschiedenen Branchen und Unternehmensgrössen haben daran teilgenommen, etwa 2/3 aus einer HR-(Teil)Leitungsfunktion, 1/3 aus den explizit beratenden Funktionen wie HR-Berater, HR Consultant, HR Advisor, HR Business Partner.

Da das Beraten in der Regel eine Rolle unter mehreren ist, interessierte in der Befragung zunächst der Arbeitszeitanteil, in dem sich HR-Verantwortliche in der Beratungsrolle erleben. Insgesamt wurden durchschnittlich 45 Prozent genannt, mit wenig Unterschied zwischen den Funktionsbezeichnungen. Die Beratungsthemen sind in der Tabelle 2 dargestellt – hier waren Mehrfachnennungen möglich. An der Spitze der Liste steht die Beratung der Führungskräfte in schwierigen Mitarbeitenden- oder Teamsituationen. Ebenfalls sehr häufig genannt wurde die Beratung in operativen HR-Fragen. Persönlichkeitsnahe Themenfelder wie «Gestaltung der Führungsrolle durch die Führungskraft» und «berufliche Krisen und Belastungsreaktionen der Führungskraft» wurden von 59 Prozent beziehungsweise 50 Prozent der Befragten als eines ihrer realisierten Beratungsthemen genannt. Wenn man nach Häufigkeit der Themen fragt, findet am meisten Beratung in schwierigen Führungssituationen und operativen HR-Fragen statt.

Beratung im Change Management und Konflikthandling ist gefragt

Das angewandte Beratungsverhalten wurde durch acht Stilbeschreibungen von beobachtend bis hin zu lenkend erfragt. Feststellbar waren zwar Unterschiede in der Nutzung der verschiedenen Stile je nach Beratungsthema, viel deutlicher aber war zu erkennen, dass für jedes Thema viele verschiedene Beratungsstile eingesetzt werden. Ein markanter Unterschied zeigte sich bei der Frage nach Zustimmung zu den Leitgedanken der Beratungsmodelle: 75 Prozent der Befragten finden sich im Prozessberatungsmodell repräsentiert, nur 21 Prozent behaupten dies vom Arzt-Patienten-Beratungsmodell und vier Prozent vom Expertenmodell.

Da 94 Prozent der Befragten zukünftig gleichbleibend oder vermehrt aus der Beratungsrolle heraus tätig sein wollen, sollte man noch einen Blick in die Zukunft werfen: Als Herausforderungen werden vor allem die vorhandene Bereitschaft der Führungskräfte, sich überhaupt beraten zu lassen, zusammen mit der Akzeptanz des HR-Beraters in dieser Rolle und der Abgrenzung hin zum Führen und Entscheiden gesehen. Ein steigender Beratungsbedarf wird vor allem in den Prozessthemen wie Change Management und Konflikthandling gesehen.

Von der Linie braucht es Öffnung 
und eine kontinuierliche Mitarbeit

Was zeigen diese Ergebnisse? Sie belegen zunächst einmal, dass sich HR-Verantwortliche in verschiedenen Funktionen in einem zeitlich markanten Teil ihrer Tätigkeit in der Beratungsrolle erleben. Sie beraten in einer breiten Themenpalette und darin erwartungsgemäss vor allem in operativen HR-Themen, Führungssituationen, Talent Management, Veränderungsprozessen.

Nicht unbedingt zu erwarten war hingegen die Beratung der Führungskraft in deren Rollengestaltung. Das bedeutet, dass auch in der internen HR-Beratung persönlichkeitsnahe Fragestellungen der Linie offen gelegt und besprochen werden. Die angewandten beraterischen Verhaltensweisen decken in nahezu allen Themen das ganze Spektrum von zurückhaltend-neutral bis direktiv ab. Die Beratungshaltung, die bei den Befragten die grösste Zustimmung findet, beschreibt die der inhaltlichen Zurückhaltung, die entsprechend mehr Öffnung und kontinuierliche Mitarbeit der Linie erfordert. Eine erfolgswahrscheinliche Wahl für Beratung in unklaren Ausgangslagen mit zu wenig eindeutigen Informationen für Expertenlösungen.

Internes Beratungsangebot darf kein inhaltsleeres Label des HRM sein

Was lässt sich im Hinblick auf die eingangs gestellten Fragen festhalten? Die Akzeptanz in der Rolle wird von den Befragten häufig als Problem respektive Herausforderung genannt und bleibt also eine zu lösende Aufgabe. Das Verständnis des Kerngeschäfts ist hierfür die Eintrittskarte. Das Handwerkszeug der Beratung zu erlernen, gehört ebenfalls zur Professionalisierung in der Beratungsrolle. Das aber kann nur erfolgreich sein, wenn man den Kontext der Rolle, aus dem heraus es eingesetzt wird, sehr gut versteht und beachtet. So liefert gerade die Beratungshaltung in der Prozessberatung etwas weniger – oder weniger schnell und auf anderen Wegen – Expertenlösungen, als möglicherweise von anderer Seite erwartet wird.

Deshalb ist es wichtig, dass das HRM seine Beratungsangebote nicht nur als Label, sondern auch als qualitative Beschreibung des Zusammenspiels, auf das man sich einlässt, definieren kann. Denn eine notwendige Bedingung für wirksame Beratung ist die Bereitschaft der Beteiligten, diese Rollen zu spielen. Beratung ist ein Angebot und muss wie andere Angebote auch transparent gemacht werden. Wenn «nur» Expertenberatung gewünscht ist, erzeugt man mit Prozessberatung Widerstand. Wenn Beratung gar nicht gewünscht ist, hilft auch eine gut gemeinte, aber letztlich untergejubelte Beratung wenig. Interne Beratung kann sich vieler Vorteile sicher sein (siehe Tabelle 1). Damit verbunden sind auch potenzielle Nachteile oder Fallstricke. Wenn sie zu einer Beschränkung der Wirksamkeit führen, ist es besser, die Grenze offen zu legen und nach Ersatzlösungen zu suchen(4).

Eine verbleibende handwerkliche Herausforderung wird darin liegen, das Mass an Expertentum, das die Führungskräfte im HR-Themenfeld vermutlich erwarten, in eine nutzbringende Verbindung mit Ansätzen der offeneren Prozessberatung zu bringen und darin einen Stil zu entwickeln, der glaubwürdig, kompetent und vertrauensvoll wirken kann.

Quellen:

  • 1  
Ulrich, D. & Brockbank, W. (2005). The HR Value Proposi-
tion. Boston: Harvard Business School Press
  • 2 
Corporate Leadership Council (2007). Building next 
generation HR-Line-Partnership. Optimizing HR Business Partner Role Capability Investments (On-line). Available: http://www.in.gov/spd/files/Nicole_Andres_HR_Business_Partner_CLC.pdf (28.09.2010)
  • 3 
HR-Verantwortliche meint hier alle Funktionsbezeichnungen der Befragungsteilnehmenden.
  • 4 
Werkmann-Karcher, B. (2010). Das HRM in der Beratungsrolle. In: Werkmann-Karcher, B. & Rietiker, J. (Hrsg.). 
Angewandte Psychologie für das Human Resource 
Management. Berlin: Springer
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Birgit Werkmann-
Karcher ist Dozentin und Beraterin am 
IAP Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Sie leitet 
die Weiterbildungsstudiengänge MAS Human Resource Management sowie DAS -Personalpsychologie.

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