Von Hirnschmalz, Drachentötern und befreiten Prinzessinnen
Rund 1100 handverlesene Gäste haben sich am 21. Januar im Kursaal Bern zum traditionellen Stelldichein der Berner Wirtschafts- und HR-Szene eingefunden.
Kursaal Bern: Arena für über 1000 geladene Gäste am 19. Berner HR- und Wirtschaftsforum (Foto: Sebastian Magnani)
Nach einem geistreich interaktiven Impulsreferat des deutschen Führungskräftetrainers Sebastian Purps zum Thema «Potentialentfaltung in der Führung», wurden seine Thesen – die auf Erkenntnissen aus der neueren Hirnforschung basieren – in einem süffisanten Panelgespräch kontradiktorisch reflektiert.
Neben erfrischend offenen Einblicken in das Führungsverständnis von Martin Keller, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Fenaco Genossenschaft (mit rund 9000 Mitarbeitenden und 5.5 Mia. Franken Umsatz (2012)) stand Björn Berg, Ex-Banker und Startup-Gründer des Softdrinkherstellers Mojo auf der Bühne. Letzterer würdigte Purps’ Grundthesen zwar im Grundsatz, wonach Menschen (und Mitarbeiter) sich durch neurologisch angelegte «Verbundenheit», «Innere Bilder» und «Entfaltung» motivieren lassen, liess es sich aber nicht nehmen, unter heiterem Applaus lustvoll das provokative Enfant terrible zu geben und mit unüberhörbar ironischem Unterton die Praxistauglichkeit der «Friede-Freude-Eierkuchen»-Ansätze in Frage zu stellen – die gerade in einer Wirtschaftswelt, wo Führungskräfte oft nur mit aggressivem Ellbogeneinsatz ihre Positionen erklimmen, reichlich realitätsfern anmuten würden.
Purps konterte damit, dass es ihm nicht darum gehe, dass Führungskräfte künftig mit ihren Teams «Namen tanzen» sollen, sondern einen Mix aus situativ direktivem und kooperativem Führungsstil finden, welche den neueren Erkenntnissen aus der Hirnforschung Rechnung tragen. Fenaco-Chef Martin Keller nahm den Faden auf und unterschied bildhaft überspitzt zwei Führungstypen: Einerseits den «Drachentöter»-Typus, der mit dem Instrument «Angst» führt, andererseits den «Prinzessinnenbefreier», der sich dem Werkzeug der «Liebe» bedient. Dabei liess er beide Ansätze als legitim gelten, machte aber keinen Hehl daraus machte, dass er für das Prinzessinnenbefreier-Prinzip gewisse Sympathien hegt. So gelte in der über hundertjährigen Fenaco-Genossenschaft denn auch schon seit Jahren ein Führungsprinzip namens «ABS», wonach sich alle Mitarbeitenden «Anerkannt», «Beliebt» und «Sicher» fühlen sollen, womit er sich offensichtlich gut identifizieren kann.
Je näher die Fazitrunde und damit auch der Apéro rückte, machte sich auf dem Podium so etwas wie Versöhnlichkeit breit und Björn Berg brach an Purps gerichtet lobend eine Lanze, dass die geschilderten Ansätze gerade börsenkotierten Unternehmen, die einzig auf Quartalsbilanzen schielen, im Sinne einer Verbesserung der unternehmerischen Nachhaltigkeit nur gut tun könnten. Derweil der Fenaco-Genossenschaftsvorsitzende Martin Keller bekannte, dass er für seine persönliche Führungsreflexion vom Anlass den Ansatz der «inneren Bilder» mitnehmen werde, wobei ihm als offene Frage noch rätselhaft bleibe, wie sich in seiner Branche auch bei den Kolonien von saisonalen Erntehelfern dereinst feurige Leidenschaft für die Arbeit entfalten lässt.