Alles ist stimmig. Eine zartblaue Bluse, ein klassischer grauer Nadelstreifenanzug, der auffällige, aber nicht protzige Silberschmuck; ihr Outfit schmeichelt den grossen dunklen Augen und der etwas spitzbübischen Kurzhaarfrisur. Es dauert nicht lange, bis klar ist: Die Harmonie, die Gabriela Leone ausstrahlt, besitzt sie auch im Innern. Die HR-Direktorin von McDonald’s Schweiz hat in ihrem Leben Herausforderungen stets angenommen und gemeistert. Das hat sie stark gemacht, im Umgang mit sich selbst und mit anderen. Auf
Leone trifft das Sprichwort «In der Ruhe liegt die Kraft» zu 100 Prozent zu.
Für das Fotoshooting gehen wir ins Res-taurant im Service Center in Crissier. Früh am Morgen ist dort noch nicht viel los, und so kann sogar ein Schnellrestaurant eine beruhigende Wirkung haben. Selbstbewusst posiert sie in «ihrem Revier» und wird von den Mitarbeitern herzlich begrüsst. Hierarchiegehabe oder «Chefin rauskehren» sind Leone fremd, und sie duldet dies auch nicht bei Kollegen in Führungspositionen. Respektvoll miteinander umgehen ist ihr Motto, immer und überall, jedem Menschen, aber vor allem den Mitarbeitenden gegenüber. «Keiner ist hier besser oder schlechter als der andere, nur aufgrund seines Jobs. Es beginnt zwar alles beim Management, doch letztlich endet alles im
Restaurant.» Jedoch: Kumpelhaftigkeit und Freundschaften am Arbeitsplatz sind nicht ihre Philosophie. «Hier das richtige Mass zu finden, ist nicht immer leicht.»
Wenn sie neue Mitarbeitende rekrutiert, schaut sie vor allem auf die persönliche Einstellung und Wertehaltung, gerade wenn es um eine Führungsposition geht. «Fachlich kann man fast alles lernen – Menschsein nicht.»
Keine Angst vor grossen
Herausforderungen
Auch wenn Gabriela Leone heute stark und in sich ruhend wirkt, hat sie doch auch Zeiten erlebt, in denen sie nicht so stabil war. «2003 war kein gutes Jahr», erzählt sie. Sie arbeitete unermüdlich, bis sie an ihre Grenzen kam. Die einzige Möglichkeit, die sie sah, um kür-zerzutreten, war, das Unternehmen zu verlassen. «Die McDonald’s-Welt habe ich jedoch schnell vermisst», sagt sie.
Leones Weg bei McDonald’s beginnt 1998. Da hat sie bereits zwei Kinder und hat mit ihrem Mann eine Firma in der Automobilbranche aufgebaut. Jetzt sucht sie nach neuen Aufgaben. Als Direktionsassistentin für den Direktor Operations und den Direktor Field Service arbeitet sie sich bei McDonald’s schnell ein und bekommt einen umfangreichen Einblick ins Unternehmen, «inklusive Dienst an der Pommes-Station», schmunzelt sie.
Ab 1999 ist sie massgeblich an der Einführung des Lehrlingswesens beteiligt und ihr Weg im HR besiegelt. Bis 2003 arbeitet sie als HR Consultant und trägt die Verantwortung für das Personal im Service Center. Es geht darum, eine solide Basis für das HR Management aufzubauen, und zwar vor allem auch in den Restaurants. Weil man aber im HR nie ankommt, wie sie sagt, und ihr Verbesserungsdrang sie antreibt, findet sie nicht mehr heraus aus der Abwärtsspirale. 2003 hat nicht nur ihre eigene Firma eine schwierige wirtschaftliche Phase, auch Leone gerät in eine grosse persönliche Krise. Das Wort Burnout will sie nicht in den Mund nehmen, aber es ging in diese Richtung. «Man kann sich nicht immer mehr und mehr auf den Teller laden, irgendwann verschluckt man sich, bekommt keine Luft mehr», weiss sie heute.
Der scheidende HR-Direktor holt sie schliesslich 2005 als seine Nachfolgerin zurück zu McDonald’s. Zuerst hat sie Skrupel, Selbstzweifel plagen sie: Was qualifiziert mich für diese Position? Wie kommt das bei den Mitarbeitern an? «Doch mein Herz hat sofort ja gesagt!» Sie greift zu und muss es nicht bereuen. Es zeigt sich, dass sie mit ihrer ruhigen und bestimmten, aber auch herzlichen Art die richtige Frau am richtigen Platz ist. Zu ihrem Händchen für die Mitarbeiter fügt sich ein Tatendrang, den zu zügeln sie in ihren schlechten Zeiten allerdings gelernt hat. «Für etwas muss so eine schlechte Phase ja gut sein», sagt sie rückblickend. Sie hat gelernt, sich immer wieder zu bremsen und streng auf sich selbst zu schauen.
Trotzdem: Wenn sie etwas tut, dann mit ganzer Leidenschaft. Das ist heute nicht anders als damals. Wenn es darum geht, ihr Ziel zu erreichen, hat sie enorm viel Ausdauer. «Auch wenn das neue Lohnabrechnungsprogramm im ersten Jahr mehr Ärger als Freude macht, muss man da durch und die Mitarbeitenden bei Laune halten.» Wirkliche Führungsqualitäten zeigen sich für Leone übrigens erst in kritischen Situationen. «Ich verlange von einem Chef, dass er die Nerven behält und seinen Leuten Halt gibt, anstatt noch zusätzlich Unruhe und Unsicherheit zu verbreiten.» Oft sagen die Kollegen zu ihr: Wie kannst du so ruhig bleiben? Ihre Devise ist, erst alle Fakten beisammen zu haben, bevor sie mit jemandem kritisierend redet, «was ja ab und zu sein muss».
Die HR-Direktorin liebt es, aus dem Nichts Strukturen aufzubauen. Von null auf hundert, das liegt ihr. Dass grosse Herausforderungen ihr keine Angst machen, liege auch, so glaubt sie, an den Erfahrungen ihrer Kindheit. Der Vater arbeitet beim Schweizer Konsulat, und die Familie begleitet ihn auf seinen verschiedenen Stationen. Als Gabriela sechs Jahre alt ist, zieht die Familie von Bern, ihrem Heimatort, ins deutsche Köln. In einer alten Villa an bester Lage befindet sich der Arbeitsort des Vaters, die Familienwohnung im
ersten Stock. Erinnern kann sich Leone vor allem an einen «riesigen Park» vor der Haustür und den Karneval. Gabriela und ihr fünf Jahre jüngerer Bruder machen Bekanntschaft mit der rheinländischen Mentalität und geniessen eine unbeschwerte Zeit. «Es war wie im Paradies», schwärmt sie heute noch.
In ein ungeliebtes Land mit einer scheusslichen Sprache
Im Alter von 12 Jahren erlebt sie «einen harten Schnitt im Leben». So bezeichnet sie den Schock, der sie durchfährt, als der Vater mitteilt, er werde nach Paris ins dortige Konsulat versetzt. «Ich mochte Frankreich nicht, und die Sprache fand ich scheusslich. Die wollte ich nie und nimmer lernen.» Doch der Vater ist unerbittlich, schickt die Kinder vom ersten Tag an in eine öffentliche französische Schule. «Da sass ich nun und verstand kein Wort.» Heute ist Leone ihrem Vater dankbar, denn diesem Umstand verdankt sie heute ihre zweite Muttersprache. «Nach sechs Monaten in Paris waren mein Bruder und ich zweisprachig – aber fliessend.» Als Gabriela 15 Jahre alt ist, zieht die Familie weiter nach Marseille, in den Süden des Landes. Dort macht sie ihren Schulabschluss, das Baccalauréat.
Zunächst denkt sie daran, als Dolmetscherin zu arbeiten. «Doch wegen meines Deutsch bin ich dann knapp durchgefallen», lacht
Leone. Heute noch ist es ihr unverständlich. «Meine Muttersprache», schüttelt sie den Kopf.
Sie fühlt sich in der französischen Sprache mittlerweile so wohl, dass sie sich entscheidet, Politikwissenschaften in Genf zu studieren. Ihr schwebt nun eine Karriere im sozialen Bereich vor, vielleicht beim Roten Kreuz. Um ihr Studium zu finanzieren, jobbt sie unter anderem als Hostess beim Genfer Automobilsalon. Dort lernt sie ihren späteren Ehemann kennen, sie finden im Waadtland ihr Zuhause. Schneller als geplant wird sie im Alter von 23 Jahren, mitten im Studium, schwanger. Sie unterbricht ihr Studium für ein Jahr, dem Baby und der Familie zuliebe. Dass sie das Studium abschliessen wird, stellt sie nicht eine Sekunde in Frage, auch wenn es «1988 noch lange nicht selbstverständlich war, dass Frauen trotz Kind ihren Weg gehen».
Nach Tochter Sara kommt 1991 ihr Sohn Raphaël zur Welt, und die Familienidylle ist zunächst perfekt. Gemeinsam mit ihrem Mann baut sie eine eigene Firma auf, die er – inzwischen ihr Exmann – heute noch betreibt.