Von Pferdefüssen und Imagepolitur
Am 12. Juni 2014 organisiert das Institut für Personalmanagement und Organisation der FHNW eine Tagung zum Thema Personalerhalt in der Pflege im Kontext des Fachkräftemangels. Dabei werden Forschungsresultate zur Verbundenheit mit Beruf und Betrieb, sowie zu Gründen für Verbleib und Ausstiegsrisiken vorgestellt.
Pflegefachpersonen identifizieren sich stark mit ihrem Beruf. Dennoch überlegen sich viele, auszusteigen. (Bild: Keystone)
Die Ergebnisse einer Befragung von Pflegekräften in den Kantonen Solothurn und Aargau sind für die betroffenen Pflege-Institutionen im Grossen und Ganzen erfreulich: Es besteht grundsätzlich eine hohe Verbundenheit und grosses emotionales Commitment; das Pflegepersonal identifiziert sich im Prinzip mit Beruf und Betrieb.
Dennoch überlegen sich manche Pflegefachkräfte, ob sie im Beruf bleiben oder aussteigen sollen, und die Fluktuation ist vermutlich relativ hoch. Folgende Faktoren beeinflussen die Personalbindung negativ:
- Der Mangel an Erholungs- und Regenerationszeit
- Die steigende Pflegekomplexität
- Der zunehmende administrative Aufwand
- Die hohe emotionale Belastung
- Die empfundene Lohnungerechtigkeit
- Die Hierarchie zwischen medizinischem Personal und Pflegepersonal
Eine erste kritische Phase setzt bereits in den ersten Jahren nach dem Berufseinstieg ein. In diesem Moment werden Weichen nochmals neu gestellt und Berufseinsteiger überlegen sich, ob sie sich in diesem Beruf weiterentwickeln oder nicht. Auch Kinder können den Ausschlag geben über Verbleib oder Ausstieg aus dem Beruf. «Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein wichtiges Thema», sagt Projektleiterin Nathalie Amstutz, Professorin am Institut für Personalmanagement und Organisation (PMO) der FHNW. So erfolgen 50 Prozent der Unterbrüche aus familiären Gründen, 50 Prozent wegen Reisen, Weiterbildungen oder Auszeiten, welche die Pflegefachpersonen nehmen. Die Unterbrüche sind oft gekoppelt mit einem Betriebswechsel und erhöhen auch die Wahrscheinlichkeit eines Austritts aus dem Pflegeberuf.
Zur Person
Nathalie Amstutz ist Professorin und Dozentin für Gender und Diversity Management am Institut für Personalmanagement der Hochschule für Wirtschaft, FHNW, und Leiterin der Weiterbildung «CAS Diversity- und Gleichstellungskompetenz».
Grosses Potenzial für die Branche in Bezug auf den Personalerhalt sieht Nathalie Amstutz dagegen in dem auffallend hohen emotionalen Commitment, welches die Studie aufzeigte. Sie und ihr Forschungsteam empfehlen deshalb, Unterbrüche zu begleiten, während dieser Zeit mit den Pflegefachpersonen in Kontakt zu bleiben, um zu signalisieren, dass seitens der Institution Interesse an einem Wiedereinstieg besteht. Denn die hohe emotionale Verbundenheit zum Beruf, der hohe Stellenwert der Pflege, die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit, die Arbeit mit Menschen, aber auch die neuen beruflichen Möglichkeiten sind für viele Pflegefachleute Gründe, den Beruf auszuüben.
Verbesserungspotenzial verortet Nathalie Amstutz in den folgenden Handlungsfeldern: «Für eine bessere Erholung braucht es optimierte Dienstpläne und flexiblere Arbeitszeitmodelle, ebenso sind je nach Institutionstyp die Löhne und Anstellungsbedingungen zu überprüfen .» Am Image des Pflegeberufs sollte ebenfalls gearbeitet werden. «Zwar wird die Arbeit der Pflegenden sehr geschätzt, doch der Pflegeberuf gilt in der Öffentlichkeit als wenig attraktiv.» Wichtig wäre auch eine Laufbahnberatung, «welche die Vielseitigkeit des Berufs und die verschiedenen Weiterentwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt», sagt Nathalie Amstutz. «Es bestehen viele Möglichkeiten - das Angebot ist gross.» Gerade weil das Thema Karriere oder berufliche Laufbahn Pflege noch wenig präsent ist, sei der Pflegeberuf immer noch ein ausgesprochen weiblich dominierter Beruf.
Verbesserungspotenzial sieht die Professorin auch bei der Vereinbarkeit von Familie und Arbeit. Der kurze Mutterschaftsurlaub von 16 Wochen sei «ein Pferdefuss» für den Personalerhalt. Sobald Kinder da sind, hängen viele Pflegefachpersonen ihren Beruf vorerst an den Nagel, oder arbeiten in einem kleinen Pensum. Dieses Pensum wird in der Regel erst spät wieder aufgestockt. «Die politischen Rahmenbedingungen sollten mit einem angemessenen Elternurlaub angepasst werden, damit die Vereinbarkeit besser möglich ist», fordert Amstutz.
Ein wichtiges Element zur Beeinflussung der Verbundenheit mit Beruf und Betrieb sei auch die Führungsarbeit. Führungskräfte sollten deshalb den Pflegenden Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen und dabei die, je nach Lebensphase unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden berücksichtigen. «Bezüglich des Personalerhalts besteht also grosses Potenzial. Gefordert sind nicht nur die einzelnen Betriebe. Ein Potential besteht auch in der Branche. Betriebe sind heute vermehrt an Kooperationen innerhalb der Branche interessiert, um Laufbahnen in der Pflege fördern zu können. An der Tagung werden mit Praxispartnern entwickelte Instrumente vorgestellt.
Fachtung «CaRe Laufbahnentwicklung im Pflegeberuf»
Am 12. Juni 2014 findet an der Hochschule für Wirtschaft FHNW in Olten die Tagung «CaRe Laufbahnentwicklung im Pflegeberuf» statt. Geleitet wird die Tagung zum Personalerhalt im Kontext des Fachkräftemangels von Prof. Dr. Nathalie Amstutz in Kooperation mit CURAVIVA.CH, H+ Bildung und SWEXS GmbH sowie den Praxispartnern soH, GSA, SVKS, KSA.
Anmeldung und Infos: www.fhnw.ch/wirtschaft/weiterbildung/care