HR Today Nr. 12/2020: Praxis – Sozialversicherung

Vorsorge für Mitarbeitende

BVG-1e-Lösungen gewinnen seit drei Jahren an Beliebtheit. Eine moderne Form der Altersvorsorge, die Mitarbeitenden eine optimale Vorbereitung für ihren dritten Lebensabschnitt ermöglicht. Die heutigen Strukturen tun das nicht – sie sind reformüberfällig und bieten keinen Gestaltungsraum für versicherte Personen.

Seit einer Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes Ende 2017 können Lohnbestandteile über 127 980 Franken (Grenzwert 2020) in einem separaten Vorsorgeplan versichert werden. Die Bezeichnung «BVG 1e» stammt vom entsprechenden ­Artikel 1e in der Verordnung über die berufliche Vorsorge (BVV 2). Mit dieser Lösung haben die Versicherten die Möglichkeit, aus bis zu zehn verschiedenen und mindestens einer risikoarmen Anlagestrategie die passende auszuwählen. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Pensionskasse fallen die Sanierungsrisiken für das Unternehmen dabei weg, weil die versicherte Person das volle Anlagerisiko trägt und im Gegenzug von der gesamten Rendite profitiert.

Vorteile für Mitarbeitende

Individuelle Anlagestrategie
Jeder Mitarbeitende kann sein angespartes Vorsorgekapital nach den persönlichen Bedürfnissen bewirtschaften. Im Gegensatz zur herkömmlichen Pensionskasse, in der die Anlagen kollektiv und ohne Selbstbestimmung der versicherten Personen verwaltet werden, kann der Mitarbeitende in einem 1e-Plan die Anlagestrategie mit Rücksicht auf das eigene Risikoprofil wählen. Je nach Anbieter ist es zudem möglich, das Kapital gemäss nachhaltigen ESG-Kriterien (Environmental Social Governance, was so viel heisst wie Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) zu investieren. Sollte sich die persönliche Situation in der Zukunft ändern, kann die Anlagestrategie auch gewechselt werden.

Schutz vor Umverteilung
Die heutigen Herausforderungen in der beruflichen Vorsorge sind gross. Pensionskassen und andere Vorsorgeeinrichtungen werden durch die regulatorischen Auflagen, die Alterung der Bevölkerung und die aktuellen Marktgegebenheiten vor unlösbare Aufgaben gestellt. Das hat grosse Auswirkungen auf die Verzinsung der Altersguthaben. Während der obligatorische Teil zurzeit mit mindestens einem Prozent verzinst werden muss, erhalten aktiv Versicherte auf ihrem überobligatorischen Guthaben oft nur noch Zinsen von 0,25 Prozent. Selbst in sehr guten Börsenjahren wie 2019 wird somit der Grossteil der Gewinne von Jung zu Alt umverteilt. Ein 1e-Plan verhindert das, da es keine Rentenverpflichtungen zu bedienen gibt.

Höhere Austrittsleistung
Da die erwirtschaftete Rendite nicht umverteilt wird, erhalten 1e-Versicherte für dieselbe Anlagestrategie eine höhere Rendite und profitieren folglich von einer attraktiveren Austrittsleistung bei Antritt des dritten Lebensabschnittes. Zusätzlich haben jüngere Mitarbeitende einen langen Anlagehorizont und können höhere Risiken eingehen, da sich Wertschwankungen in ihrem Portfolio in der Regel über die Zeit ausgleichen. Versicherte, die kurz vor der Pensionierung stehen, können bei Bedarf risikoarm investieren.

Vorteile für das Unternehmen

Signifikante Kosteneinsparungen
Da bei 1e-Plänen tendenziell Personen mit einem niedrigen Invaliditäts- und Todesfallrisiko versichert sind, können bei den Risikoprämien hohe Kosteneinsparungen erzielt werden. Zusätzlich gibt es Sammelstiftungen, die effizient arbeiten und dies in Form von günstigen Verwaltungs­kosten an die Versicherten weitergeben. So sind bei den meisten Firmen Einsparungen von 25 bis 50 Prozent der Kostenbeiträge erzielbar. Mittlere Unternehmen und grössere Betriebe sparen ­somit jährlich siebenstellige Beträge. Auch bei Kleinunternehmen lohnt sich eine Analyse.

Attraktivitätssteigerung als Arbeitgebender
Auch wenn es für eine langfristige Mitarbeiterbindung mehr als nur materielle Anreize braucht, sind diese trotzdem gern gesehen. Ein Unternehmen profitiert somit von der hohen ­Zufriedenheit von 1e-Destinatären.

Entlastung der Unternehmensbilanz
1e-Pläne können als beitragsorientierte Vorsorgelösungen verbucht werden. Somit müssen dafür keine Rückstellungen für Vorsorgeverpflichtungen gebildet werden. Für Firmen, die nach IFRS oder US GAAP bilanzieren, heisst dies, dass vorhandene Rückstellungen aufgelöst werden und dadurch die Bilanz entlastet wird.

Was es zu beachten gilt:

Das Marktumfeld ist unübersichtlich und intransparent. Zudem unterscheiden sich die Angebote stark. Neben mehreren unabhängigen Sammelstiftungen finden sich auch Grossbanken und Versicherungen unter den 1e-Markt-Anbietern. Eine unabhängige Beratung unterstützt Unternehmen deshalb bei der Auswahl der passenden Lösung. Eine mögliche Umsetzung in drei Schritten:

Situationsanalyse
Bevor sich ein Unternehmen bei den verschiedenen Anbietern umsieht, ist empfehlenswert, die aktuelle Situation zu analysieren. Dabei ist ein Überblick über den aktuellen Vertrag für die überobligatorische Vorsorge und die Vertragslaufzeiten sowie die Lohn- und Altersstruktur der Mitarbeitenden wichtig. Diese Informationen unterstützen beim weiteren Auswahlverfahren für den 1e-Plan.

Ausschreibung
Das Kernstück des Selektionsprozesses bildet das Ausschreibungsverfahren. Da sich die Angebote der vielen verschiedenen Anbieter auf dem Markt stark unterscheiden, lohnt es sich, mehrere Offerten einzuholen. Diese sollten bezüglich drei wichtiger Kriterien miteinander verglichen werden:

Strukturkosten
Erfahrungsgemäss können effiziente Anbieter durch ein Ausschreibungsverfahren leicht identifiziert werden. Viele Unternehmen erzielen ­Risikoprämienreduktionen von 25 bis 50 Prozent durch den blossen Wechsel eines traditionellen Vorsorgeplans zu einem 1e-Plan. Zusätzliches Einsparpotenzial gibt es unter den verschiedenen 1e-Sammelstiftungen. Wichtig: Beim Kostenvergleich sollten alle Informationen in den Offerten genau analysiert werden. Es kommt vor, dass in Kosten- oder Gebührenreglementen der Stiftungen weitere versteckte Kosten zu finden sind.

Flexibilität der Anlagen
Dass nicht alle Anbieter gleich aufgestellt sind, bestätigt sich im Hinblick auf deren Angebot. So bieten viele Grossbanken und Versicherungen für die Umsetzung der Anlagestrategien vorzugsweise hauseigene Anlageprodukte an. Daneben gibt es aber auch Anbieter mit mehr Flexibilität. Dabei gilt der Grundsatz: je höher die Flexibilität, desto besser für das Unternehmen.

Anlagekosten
Neben den Strukturkosten sollten auch die Gebühren für die Anlageprodukte in die Analyse miteinbezogen werden. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Anbietern sind beträchtlich und beeinflussen die Austrittsleistung der Mitarbeitenden wesentlich.

Implementation
Nachdem die aktuelle Situation analysiert und der Ausschreibungsprozess durchlaufen ist, kommt es zur Umsetzung. Dabei ist es wichtig, den Übergang zwischen der aktuellen Lösung und dem neuen 1e-Plan zu koordinieren. Nach der Unterzeichnung der Vertragsunterlagen muss die aktuelle Vorsorgeeinrichtung über die Planänderung informiert werden, um eine ­Überversicherung zu verhindern. Zusätzlich empfiehlt es sich, die anteiligen Altersguthaben ins 1e-Umfeld zu transferieren. Nachdem die neue 1e-Struktur vollständig implementiert ist, erfolgt die Beratung der einzelnen Destinatäre. Da die 2. Säule bei vielen Mitarbeitenden einen grossen Teil des Gesamtvermögens bildet, ist eine umfassende und bedürfnisgerechte Beratung durch einen Experten empfehlenswert.

Fazit

Mit einem 1e-Plan erhalten Mitarbeitende die Möglichkeit, die berufliche Vorsorge auf ihre individuellen Bedürfnissen auszurichten. Gleichzeitig wirkt ein Unternehmen den strukturellen Problemen der 2. Säule entgegen und erzielt damit wesentliche Vorteile für sich und die Versicherten. Obwohl ein 1e-Plan viele Vorteile bietet, tragen Destinatäre gleichzeitig auch die Risiken der Anlagen sowie das Langlebigkeitsrisiko. Mit einer sorgfältigen Beratung können diese jedoch fachgerecht adressiert ­werden, sodass diese im Einklang mit der persönlichen Situation der einzelnen Mitarbeitenden sind.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Marcel Burger ist Managing Partner und Leiter Relationship Management des unabhängigen Vermögensverwalters und Vorsorgeberaters Parsumo Capital AG, Zürich. Er hat mehr als 25 Jahre Berufs­erfahrung im Finanzdienstleistungssektor und ist Fachspezialist für Vorsorge- und Anlagelösungen.

Weitere Artikel von Marcel Burger

Cela peut aussi vous intéresser