Krisen, die ein Krisenmanagement unabdingbar machen, sieht Bourouba eher, wenn etwa bei Unternehmen aus dem Finanzbereich vertrauliche Daten nach aussen dringen oder die IT-Infrastruktur ausfällt – also wenn eine Krise und ihre Bewältigung stark mit der Geschäftstätigkeit verbunden sind. «In der Industrie geht Sicherheit über alles, trotzdem kann es zu Unfällen kommen – sogar mit Todesfolge», hält Bourouba fest. Zudem seien Brände oder Unfälle mit Chemikalien ein Thema. «Hier muss man die Risiken immer wieder neu einschätzen und Vorkehrungen treffen. Wenn es trotzdem zum Ernstfall kommt, muss man schnell und souverän handeln, damit die Sicherheit weiterer Personen nicht gefährdet wird.» Bei Holcim sind die Verantwortlichen vorbereitet, der Krisenstab ist definiert und wird umgehend aufgeboten – und es finden regelmässig Übungen statt, für die verbindliche Ablaufpläne bestehen. Bourouba zieht zu Übungen und im Ernstfall externe Fachorganisationen bei, beispielsweise Care Link oder ICAS, die als Betreuungsorganisationen in Notfällen und Krisensituationen zur Verfügung stehen.
Die Rolle der Berater
Apropos Beraterorganisationen: Die Stiftung Krisenintervention Schweiz bietet auf der persönlichen Ebene professionelle Unterstützung für Entscheidungsträger und Betroffene an, während Care Link und ICAS eher bei Krisen auf Unternehmensebene beigezogen werden. Franz Holderegger ist Notfallpsychologe und Operativer Leiter der Stiftung. Rund um die Uhr kann von Vertragspartnern Hilfe angefordert werden. Von Betrieben erfolgen Kontaktaufnahmen vor allem aufgrund von Suiziddrohungen, Todesfällen im Unternehmen, Raubüberfällen, Konflikten, schweren psychischen Erkrankungen und bei schwierigen psychosozialen Problemen von Mitarbeitenden. Die Stärke von externen Beratenden sieht Holderegger vor allem in der Ruhe, den strukturierten Fragen und im professionellen Wissen um Interventionsmöglichkeiten. So wird am Telefon oder vor Ort erst einmal eine Anamnese gemacht, bei Suiziddrohung beispielsweise nach Vorerkrankungen gefragt. Holderegger ist überzeugt, dass es sich lohnt, sich genügend Zeit zu nehmen, um alle relevanten Faktoren zu sammeln und zu strukturieren. Holderegger und sein Team betreuen Betroffene auch über die akute Krise hinaus. Mit dem Geschäftsleiter von Krisenintervention Schweiz, Prof. Dr. Achim Haug, Ordinarius für Psychiatrie am psychologischen Institut der Universität Zürich, besteht der direkte Kontakt zur Universität und zu den neusten Forschungsergebnissen. Schwierige Fälle werden in diesem Rahmen aufgearbeitet; Intervision spielt eine grosse Rolle, denn wer im professionellen Krisenmanagement selbst gesund bleiben will, muss gut für sich sorgen können.
Holderegger ist der Meinung, dass HR-Leute heute sehr sensibilisiert sind auf die Wechselwirkung von Arbeits- und Privatleben. Im Rahmen des Employer Brandings wolle man heute in Krisenzeiten zu Mitarbeitenden stehen, sie halten, auch wenn es Probleme zu bewältigen gilt. Er würde es begrüssen, wenn in der Ausbildung von HR-Fachpersonen vermehrt auch Grundlagen zu psychologischen Themen wie beispielsweise Resilienz, Burnout oder Ressourcenorientierung gelegt würden.
Die Rolle der Aus- und Weiterbildung
Matthias Mölleney unterrichtet inzwischen am Swiss Finance Institute im Rahmen des Advanced Executive Program das Modul «Corporate Development in Krisenzeiten». Dabei fokussiert er auf die Rolle der Führung vor, während und nach dem Ablauf einer Krise (siehe Grafik auf der ersten Seite). Auch er setzt auf Prävention und auf eine optimale Vorbereitung für Situationen, die hoffentlich nie eintreffen werden. Regelmässige HR-Krisenstabsübungen sind für ihn ein absolutes Muss. Während der Krise sollen Führungskräfte präsent und um die Mitarbeiter besorgt sein. Es gelte, sich zu organisieren, Richtlinien herauszugeben, Infrastruktur bereitzustellen, intern und extern adäquate Informationen zu geben und Unterstützung anzubieten. Ist die Krise bewältigt, empfiehlt er, unbedingt eine Standortbestimmung vorzunehmen und aus dem Erlebten Lehren zu ziehen. Denn Image und Vertrauen müssen wieder aufgebaut werden, was bekanntlich seine Zeit dauert.
CAS in Krisenmanagement
- Die ZHAW bietet das CAS Notfall- und Krisenmanagement als Bestandteil des Master of Advanced Studies Integrated Risk Management (MAS IRM) und des Diploma of Advanced Studies Integrated Risk Management (DAS IRM) an.
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Der CAS-Lehrgang Krisenintervention an der FHS St. Gallen legt den Schwerpunkt auf die Entstehung und Dynamik von Krisen und vermittelt fundiertes Wissen, das auch den Umgang mit Suizidalität und Notfallmedizin miteinschliesst.