HR Today Nr. 2/2023: Umkleidezeit

Wann gehört die Umkleidezeit zur Arbeitszeit?

Ein Pflegefachmann verlangte vom Universitätsspital Zürich eine rückwirkende Entschädigung für seine Umkleidezeit plus Zinsen. Das Bundesgericht gab ihm Recht – und begründete das wie folgt.

BGE 8C_28/2022, Urteil vom 4. Oktober 2022

Das Urteil

Ein am Universitätsspital Zürich (USZ) angestellter Pflegefachmann machte rückwirkend eine Entschädigung für nicht vergütete Umkleidezeit plus Zinsen zu fünf Prozent geltend. Die Spitaldirektion wie auch der Spitalrat, bei welchem der Pflegefachmann zusammen mit 111 weiteren Mitarbeitenden rekurrierte und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich lehnten den Anspruch ab.

Das Bundesgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde des Arbeitnehmers ab:

Es hielt vorab fest, dass das USZ eine Anstalt des kantonalen öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit sei und als solche dem Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (ArG) und seinen Ausführungsverordnungen unterstehe. Ferner gälten für öffentlich-rechtliche Angestellte die Bestimmungen für das Staatspersonal, gemäss dem Personalgesetz des Kantons Zürich und den zugehörigen Verordnungen.

Gemäss Art. 13 Abs. 1 ArGV 1 gelte als Arbeitszeit die Zeit, während der sich der Arbeitnehmer zur Verfügung des Arbeitgebers zu halten habe. Das damals geltende Arbeitszeitreglement des USZ definierte dies analog dem Arbeitsgesetz, hielt jedoch gleichzeitig fest, dass das An- und Abkleiden von Berufskleidern zu Beginn und Ende einer Schicht nicht als Arbeitszeit gelte.

Die Regelung des USZ stehe zwar in einem gewissen Widerspruch zu Art. 13 Abs. 1 ArGV 1, wonach die Bestimmungen zur Arbeits- und Ruhezeit die Arbeitnehmenden vor den mit dem Arbeitsplatz verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen schützen sollen. Die Rechtsfolge der Qualifikation als Arbeitszeit bestehe deshalb vor allem in der Anrechnung der Arbeitszeit an die Höchstarbeitszeiten und der maximalen Arbeitszeiträume. Ausserdem werde berücksichtigt, ob die Ruhezeiten dadurch eingehalten würden. Es könne daraus aber nicht abgeleitet werden, ob für diese Zeit Lohn geschuldet sei oder nicht.

Weder aus dem Personalgesetz des Kantons Zürich noch aus den zugehörigen Verordnungen gehe hervor, ob die Umkleidezeit als separat zu entschädigende Arbeitszeit zu qualifizieren sei. Dem USZ habe es deshalb freigestanden, die Arbeitszeit so festzulegen, dass diese erst mit dem Dienstantritt auf der Station oder im Operationssaal begann und mit dem Dienstende am entsprechenden Arbeitsort endete.

Konsequenz für die Praxis

Das bundesgerichtliche Urteil ist aus Arbeitgebersicht insofern relevant, als es aufzeigt, dass die Umkleidezeit als Arbeitszeit im Sinne von Art. 13 ArGV 1 gilt, was Folgen für die Anrechnung der Arbeitszeit an die Höchstarbeitszeiten, die maximalen Arbeitszeiträume sowie auf die Ruhezeiten hat.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich aus Arbeitgebersicht zu prüfen, ob die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes und der zugehörigen Verordnung unter Hinzurechnung der Umkleidezeit zur Arbeitszeit eingehalten werden. Ferner sollte eine klare Regelung für die Entschädigung von Umkleidezeit getroffen werden.

Zu erwähnen ist abschliessend, dass das USZ das Arbeitszeitreglement zwischenzeitlich angepasst hat und die Umkleidezeit punktuell als Arbeitszeit anrechnet.

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Jennifer Ehrensperger

Rechtsanwältin Jennifer Ehrensperger ist in der Wirtschaftsanwaltskanzlei Suter Howald Rechtsanwälte in Zürich sowohl beratend wie prozessierend im Arbeitsrecht und ­seinen Schnittstellen­bereichen tätig. suterhowald.ch

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