Im Gespräch

«Warum die Beschränkung auf eine Gruppe,wenn wir Vielfalt haben?»

Die gebürtige Schottin Dot Cownie ist seit Oktober 2007 Human Resources Director bei GE Money Bank in Zürich. Für sie ist Diversity per se kein Thema, denn Diversity ist eine Selbstverständlichkeit im Sinne der Gerechtigkeit, die sich in einem ausgeglichenen Verhältnis von Frauen und Männern in Top-Positionen manifestieren sollte. Wie sie diese Vision bei GE Money Bank umsetzt, erläutert sie HR Today.

HR Today: Wie ist das Diversity-Programm beim amerikanischen Mischkonzern General Electric angelegt?

Dot Cownie: Wir haben kein Diversity-Programm, das in Bereichen wie Corporate Communications, HR oder bei einem anderen Feld angelegt ist. Diversity ist eine werteorientierte Grundeinstellung, die einen Teil der Businessstrategie darstellt. Und die Strategie der General Electric ist stark prozess- und performanceorientiert.

Wie kam es dazu, dass Diversity so fest in die Unternehmensstrategie verankert wurde?

Unser ehemaliger CEO Jack Welch führte es so ein. Er sagte immer: «Wenn wir es versäumen, Frauen genau wie Männer in unserem Unternehmen in einer Bandbreite von Positionen einzusetzen, dann ist das, als ob wir mit einem halben Fussballteam spielen würden.» Das gleiche Prinzip gilt für asiatische und afroamerikanische Mitarbeitende. Welch übernahm den absoluten Lead in dieser Strategie. Er überzeugte mit logischen Argumenten wie «Warum sollen wir uns nur auf eine bestimmte Gruppe in unserem Talent Pool beschränken, wenn wir Vielfalt zur Verfügung haben.» Somit entwickelte sich Diversity zu einem Geschäftsziel, das vom derzeitigen Chairman und CEO Jeff Immelt konsequent weiterentwickelt wurde.

Aus welcher Diversity setzt sich GE Money Bank in Zürich zusammen?

50 Prozent aller Mitarbeitenden sind Frauen. Ein Drittel der rund 800 Köpfe zählenden Belegschaft am Schweizer Standort sind Nichtschweizer. Wir setzen uns aus 40 Nationalitäten zusammen. Ein Viertel der Belegschaft  arbeitet nach einem Teilzeitmodell und davon arbeiten 20 Prozent der männlichen Mitarbeitenden Teilzeit.

Und wie sieht diese Diversity in den Managementpositionen aus?

Das Management besteht heute zu einem Drittel aus Frauen. Das ist eine vergleichsweise beachtliche Zahl, mir persönlich reicht sie aber nicht. Ich halte einen Frauenanteil von 50 Prozent für angebracht, nicht nur bei GE. Dieser Anteil sollte in jedem Unternehmen als Standard angestrebt werden. Besonders wichtig ist die gezielte gleichmässige Verteilung dieser 50/50-Anteile auf allen Managementebenen. Denn was nutzen ein paar Frauen in Top-Positionen, wenn die Pipeline im Junior- und Mittelmanagement weniger stabil ist? Deshalb haben wir eine ebenmässige Verteilung von Managerinnen auf allen drei Levels – Senior, Middle und Junior.

Wie stellen Sie diese Pipeline sicher?

Der Kern dieses Vorgehens ist strukturiertes Talent Development, das schon bei den unteren Levels ansetzt. Früher tendierten wir dazu, Frauen beispielsweise eher im HR- und  juristischen Bereich einzusetzen, heute legen wir den Fokus vor allem in den Geschäftsentwicklungs- und Verkaufsbereich. In diesem Segment haben wir zu 40 Prozent Frauen in unserem zweimal jährlich stattfindenden Talent Review für unsere Pipeline identifiziert. Seit zwei Jahren halten wir diesen prozentualen Anteil stabil.

Zusätzlich haben wir einige Leadership-Programme, die Rotationen zwischen unterschiedlichen GE-Bereichen ermöglichen. Damit wird der interne Erfahrungshorizont erweitert, was schliesslich jeder Führungsperson zugute kommt.

Haben Sie Beispiele für heutige Führungspersonen, die diese diversen Talent-Development- und Leadership-Rotationsprogramme durchlaufen haben?

Davon gibt es einige: Wir hatten einen High Potential aus dem IT-Bereich im Business-Development-Programm, der heute der CEO einer unserer Geschäftssparten ist.

Dann hatten wir eine Verantwortliche für PR und Kommunikation, die das Trainings- und Entwicklungsprogramm durchlief und später CEO auf Länderebene wurde.

Ein anderer IT-Experte, der im Backoffice arbeitete, war zunächst Projektleiter für die neue Kreditkarte auf dem Schweizer Markt. Jetzt ist er Mitglied der Geschäftsleitung von GE Money Bank Schweiz in einer kommerziellen Funktion.

Wie sah Ihre eigene Karriere-Entwicklung bei GE aus?

Als ich vor sechs Jahren bei GE begann, war ich im HR für Change Management und Kompensationsmodelle verantwortlich. Seit anderthalb Jahren bin ich Leiterin von Human Resources von GE Money Bank in der Schweiz. Vorher habe ich HR-Funktionen bei GE in unterschiedlichen Regionen wahrgenommen, in London, Dublin und im US-Staat Connecticut. Mir war von Beginn an klar, dass GE langfristig in Talente investiert; somit wusste ich, dass sich der Aufwand für mich lohnt. Andere Unternehmen hätten mich auf eine spezifische Position gesetzt, in der ich alle meine Stärken ausleben könnte – weiterentwickelt hätte ich mich aber dort nicht in dem Tempo und in der Intensität, mit der es hier möglich ist.
Die Stärke von GE ist, alle Talente zu entwickeln, ungeachtet ihres Erfahrungshintergrunds oder Geschlechts.

Das Frauennetzwerk 
von GE Money Bank

Das interne Netzwerk wurde im Rahmen des globalen GE Women’s Network Anfang 1999 ins Leben gerufen. Neben dem internen Fokus konzentriert sich das Netzwerk auch auf externe Aktivitäten. So hat beispielsweise ein Mitglied des Women’s Network Steering Committee 2003 das Netzwerk «Women into Business» gegründet, das weibliche Führungsmitglieder von Schweizer Bluechip-Firmen vereinigt und Projekte wie eine Diversity-Ausbildung durchführt. Ein Event-Team veranstaltet jährlich zirka 30 Aktivitäten mit rund 1000 Teilnehmenden.

Wenn nun Frauen weniger mobil sind als Sie persönlich, wäre das ein Karriere-handicap?

Nein, keinesfalls. Mir sind beispielsweise zwei Frauenkarrieren bekannt, die komplett unterschiedlich verliefen und in der gleichen Zeitspanne im gleichen Status mündeten. Die eine blieb ihre gesamte Entwicklungszeit über im Staat Connecticut, während die andere in vier verschiedenen Ländern tätig war. Heute sind beide in einer gleich gestellten Position. Es geht also nicht um Mobilität als Killerkriterium, aber vielmehr um die Frage für den Einzelnen, welche alternativen Wege begangen werden können, um aus Mitarbeitenden das Beste zum Nutzen aller Beteiligten herauszuholen.

GE verfügt über ein globales unternehmensinternes Frauennetzwerk. Wozu braucht es das, wenn Diversity sowieso gelebt wird?

Wenn wir einen stetig höheren Frauenanteil im Management anstreben wollen, gibt es noch eine Menge zu tun. Das Netzwerk muss es geben, bis wir wirklich Gleichberechtigung erreicht haben, erst dann können wir von gerechter Parität sprechen. Das Netzwerk dient auch dazu, Frauen untereinander zu vernetzen, in- und ausserhalb von GE. Besonders Bereiche wie IT oder Risk Management sind immer noch zu wenig von Frauen belegt.

Woran liegt das?

In erster Linie verhindert stereotypes Denken von Männern wie von Frauen, dass dieser Bereich mit Frauen besetzt wird. Es geht also darum, diese Stereotype zu durchbrechen.

Wie durchbrechen Sie Stereotype?

In meiner früheren Rolle als HR-Leiterin vom Risk Management von GE Money weltweit haben wir intensiv daran gearbeitet, den Frauenanteil zu erhöhen, in dem sich Frauen-Juniors im Management bewusst mit Topmanagerinnen anderer Bereiche austauschen. So konnten wir die Anzahl weiblicher Chief Risk Officers markant erhöhen. Auf der anderen Seite habe ich ein HR-Team von 13 Mitarbeitenden, von denen nur zwei männlich sind. Um diese Cluster zu durchbrechen, mischen wir immer wieder Gruppen neu. Auch spontane Treffen bei Auslandsaufenthalten werden für eine gezielte Durchmischung genutzt.

Welchen Status haben Frauen, die gar nicht die Karriereleiter hoch möchten?

Meine Schwester ist seit Jahren am gleichen Ort Sekretärin und sie ist glücklich und effizient dort. Sie lebt nur ein paar Kilometer von unserem Elternhaus entfernt. Als ein Freund der Familie meine Mutter auf die unterschiedlichen Karrierewege ihrer Töchter ansprach, sagte meine Mutter: «Die eine weiss, was sie will, die andere sucht noch.» Worauf der Freund schloss, sie meinte meine Schwester mit derjenigen, die sich noch über ihr Leben unschlüssig ist. Meine Mutter meinte aber mich, weil meine Schwester schon lange dort ist, wo sie für sich entschlossen hat, sein zu wollen. Ich hingegen würde diejenige sein, die noch nicht gelandet sei.

Genau wie diese Geschichte funktionieren auch die Prinzipien von GE. Keiner wird gewertet, jeder entscheidet über seinen eigenen Weg im Einklang mit den Bedürfnissen des Unternehmens. Und so funktioniert auch das interne Frauennetzwerk. Es geht um die Ermöglichung der eigenen Wahl.

Die Interviewpartnerin

Dot Cownie stammt aus Dunbar in Schottland, wo sie an der St. Andrews Universität mit einem Master in Wirtschaft und Politik abschloss. Bevor Dot   Cownie ins HRM wechselte, war sie acht Jahre als Ökonomin tätig. Nach 15 Jahren Berufserfahrungen in verschiedenen Disziplinen gilt ihre besondere Leidenschaft der Talentförderung. Dot Cownie ist begeisterte Golfspielerin und mit einer Vorliebe für die Schweizer Berge lernt sie Ski fahren.

 

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Connie Voigt ist 
Executive Coach bei der Firma «Inside Out» sowie Gründerin der Netzwerkorganisation «Interculturalcenter.com GmbH». Zudem ist sie Dozentin für Organizational Behavior an der Edinburgh Business School, FHNW Basel und FU Berlin.

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